Als Neymar und Ronaldinho ein unfassbares Neun-Tore-Spiel in Brasilien prägten

Von Oliver Maywurm
Ende 2011 prägten Ronaldinho und Neymar ein Spiel in Brasilien.
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Ende Juli 2011 war es, als der junge Neymar und der sich im Herbst seiner Karriere befindende Ronaldinho ein unfassbares Spiel prägten.
 

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Neymar freute sich wie ein kleines Kind. Ein gutes halbes Jahr zuvor hatte er erstmals gemeinsam mit ihm für Brasilien gespielt. Doch heute würde das erste Mal sein, dass eines seiner großen Idole, Ronaldinho, sein Gegenspieler ist. Der, dessen Elasticos, Traumtore und sonstige Kunststücke er als Junge immer nachgeahmt hatte. Der, der ihm so viel Inspiration gab.

Neymar war gerade erst 19, Ronaldinho selbst seinerzeit bereits 31. Ein halbes Jahr zuvor hatte der zweimalige Weltfußballer seine Karriere in Europa beendet, war von Milan zurück in die Heimat gewechselt. Zwei Generationen brasilianischer Ausnahmekönner trafen an jenem 27. Juli 2011 aufeinander, als das Duell der beiden Traditionsklubs Santos und Flamengo in die Geschichte eingehen sollte.

Santos war vor dem 12. Spieltag der brasilianischen Serie A nur Zwölfter und daher unter Druck. Flamengo hingegen war Dritter und gut drauf. Doch den besseren Start erwischten eindeutig die Gastgeber, erwischte Santos.

Schon in der 5. Minute hatte Borges nach sehenswertem Zuspiel von Elano die Führung besorgt. Und kurz nachdem Ronaldinho per Solo und nur knapp neben das Tor gesetztem ersten Abschluss zeigte, dass er an jenem Tag richtig Bock auf Fußball hatte, legte Borges nach. Diesmal war Neymar der Vorlagengeber, nach einer Viertelstunde stand es 2:0 für Santos.

Neymar ließ die Flamengo-Verteidiger alt aussehen.
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Neymar ließ die Flamengo-Verteidiger alt aussehen.

Neymar erzielt das Tor des Jahres und Santos führt plötzlich 3:0

Und dann sorgte Neymar für das erste große Highlight dieses denkwürdigen Spiels. An der linken Außenseite, rund 40 Meter versetzt vom Tor entfernt, legte der heutige PSG-Superstar los, natzte erst einmal zwei Gegenspieler lässig. Nach einem Doppelpass mit Borges lief er in vollem Tempo zentral Richtung Tor, ließ den bereits in die Jahre gekommenen Flamengo-Verteidiger Ronaldo Angelim aussehen wie einen Schuljungen und traf per Außenrist an Torhüter Felipe vorbei zum 3:0. Ein unglaubliches Solo, das an Lionel Messi, an Diego Maradona oder Pele erinnerte.

Rund ein halbes Jahr später wurde der Treffer von der FIFA mit dem Puskas Award ausgezeichnet und damit zum Tor des Jahres gekürt. "Ich denke, es war das beste Tor, das ich je erzielt habe", sagte der Brasilianer damals bei FIFA.com. Und dieses Tor wäre vermutlich auch das alleinige Thema in den Zeitungen am Tag nach dem Spiel gegen Flamengo gewesen, hätte da nicht diese von einem überragenden Ronaldinho inszenierte Aufholjagd stattgefunden.

Diese war nur zwei Minuten nach Neymars Mega-Treffer noch nicht abzusehen, als Ronaldinho per Abstauber das 1:3 aus Sicht der Gäste erzielte. Doch dann, wiederum nur vier Minuten später, kam Thiago Neves, der in der Saison 2008/09 ein unglückliches Intermezzo beim HSV hatte, um die Ecke und stellte auf 2:3.

Panenka-Fail! Flamengo-Keeper hält und jongliert

Weiter geht's im Spielfilm des Unglaublichen: Gut 40 Minuten stehen auf der Uhr, als Neymar mal wieder alle abschüttelt und im Strafraum von Willians nur mit einem Foul gestoppt werden kann. Elfmeter für Santos. Die Chance, wieder wegzuziehen. Aber Routinier Elano nimmt die Sache zu locker, probiert es mit einem Panenka-Elfer - und wird von Torhüter Felipe gedemütigt. Der bleibt nämlich einfach stehen, pflückt sich die Kugel herunter und jongliert sie dann sogar noch ein paar mal.

Für Santos rächt sich das Ganze noch vor der Pause: Ronaldinho tritt in der 44. Minute eine Ecke gefühlvoll auf den ersten Pfosten, wo Ex-Fenerbahce-Stürmer Deivid viel zu frei steht und zum 3:3-Ausgleich einköpft. Er jubelt nicht, weil er einst drei Jahre seiner Karriere bei Santos verbracht hat - sein Torhüter Felipe flippt dafür aber umso mehr aus, macht Freudensprünge in Dauerschleife.

Zweite Halbzeit. Alles wieder auf Null. Santos kommt wacher aus der Kabine, angetrieben von einem Neymar, der an diesem Tag einfach nicht aufzuhalten ist. Nur fünf Minuten nach der Pause wird er dafür erneut belohnt, trifft zum 4:3. Diesmal nicht ganz so spektakulär, aber dafür effektiv.

Doch die größte Show des Abends sollte noch folgen. Neymar, der Lehrling, hatte quasi die Bühne bereitet. Nun war es am Altmeister, an Ronaldinho, auch zu liefern. Und er lieferte noch.

Ronaldinho wurde zum Matchwinner.
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Ronaldinho wurde zum Matchwinner.

Ronaldinho: Freistoß wie einst gegen Bremen

Mitte der zweiten Halbzeit umkurvte er kurz vor dem Sechzehner in seiner unnachahmlichen Art zwei Gegenspieler auf engstem Raum und wurde gefoult. Freistoß Flamengo, der König höchstselbst tritt an - und schiebt den Ball unter der hoch springenden Mauer hindurch lässig in den Kasten. Genau so, wie er es auch mal für Barca in der Champions League gegen Werder Bremen gemacht hatte. Was für ein Geniestreich!

Vorhang auf zum letzten Akt. Es läuft die 81. Minute, als Thiago Neves den Ball nach links auf Ronaldinho gibt, der im Sechzehner dann an die Kugel kommt und sie mit dem zweiten Kontakt flach aufs lange Eck schlenzt. Das Ding wird noch abgefälscht, damit unhaltbar und schlägt ein. Tor, 5:4 für Flamengo, Spiel endgültig gedreht!

Neymar und Ronaldinho hatten eines der besten Spiele der Fußballgeschichte geprägt. Ihre Spielfreude, ihre Genialität, machte dieses 5:4 von Flamengo bei Santos zu etwas ganz Besonderem. Für Neymar war es das ohnehin schon vor dem Anpfiff, weil er erstmals gegen einen der Helden seiner Jugend antrat.

"Welch eine Ehre, dass ich ein Teil Deiner Geschichte sein darf. Ich werde mich immer an Deine Freude auf dem Feld erinnern. Du hinterlässt ein Erbe, das in der Fußballkunst kaum erreicht werden wird", schrieb er 2018 zu Ronaldinhos Karriereende bei Instagram. "Danke für alles, was Du für die Fußball-Liebhaber getan hast."

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