Boy-Boy Mosia: Die Tragödie des kleinen großen Träumers

Von Maximilian Schmeckel
Boy-Boy Mosia 2006 für Westerlo im Einsatz gegen Gent.
© imago images

Er spielte für Juventus Turin und den FC Chelsea und sollte Südafrikas Lionel Messi werden. 2016 starb Boy-Boy Mosia einsam an einer Überdosis. Wie konnte das passieren?

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Als Boy-Boy Mosia den Kampf gegen die Drogen verloren hatte, zuckte er am ganzen Körper. Er brach zusammen, während seine Tante und einige Freunde den Notarzt alarmierten und versuchten, seinen kleinen Körper irgendwie zu retten.

Schließlich entspannten sich seine Muskeln und er lag ausgestreckt in einer kleinen Hütte in Hammarsdale, einem Township, 40 Kilometer von Durban entfernt. Als endlich ein Arzt eintraf, konnte der nur noch Mosias Tod feststellen. Es war der 23. Juli 2016. Mosia wurde 31 Jahre alt. Todesursache: Drogen-Überdosis.

So endete die erschütternde und zutief betroffen machende Geschichte eines Fußballers, der einst als einer der wenigen magischen Spieler galt, die eine jede Generation hervorbringt. Er galt als Hoffnung Südafrikas, letztlich als der Mann, der nach George Weah der zweite afrikanische Kicker von Weltformat werden sollte.

Dass ihn heute nur die Allerwenigsten kennen, er mit 31 den Drogen zum Opfer fiel, liegt daran, dass er nie aufhörte zu träumen - und dass er immer zu klein war.

Mit 14 bei Juventus und Hoffnungsträger eines Landes

Mosia wurde 1985 in Pretoria geboren. Mit neun begann er bei den MG Stars das Kicken - und sie alle, seine Jugendtrainer, Mitspieler, Freunde sahen, welches Talent in seinem kleinen, zarten Körper schlummerte. Er war wendig, traf intuitiv die richtigen Entscheidungen, hatte Tricks drauf, die sie alle noch nie gesehen hatten.

Juventus wurde auf das Ausnahmetalent aufmerksam und holte es nach Italien, als Mosia 14 war. Das war damals eine Riesensache. Nicht oft wechselten afrikanische Jugendliche nach Europa. Zum ersten Mal war Mosia nicht mehr nur ein talentierter, junger Fußballer, sondern einer, auf dessen Schultern Hoffnungen lasteten.

Südafrika war bei der WM 1998 in der Vorrunde ausgeschieden, die Stars waren Quinton Fortune und Benni McCarthy. Ohne Frage herausragende Fußballer. Mosia aber sollte der X-Faktor seiner Zeit werden, der Mann, der Südafrika endlich das geben konnte, das es braucht, um bei einer WM die Vorrunde zu überstehen.

Boy-Boy Mosia 2006 für Westerlo im Einsatz gegen Gent.
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Boy-Boy Mosia 2006 für Westerlo im Einsatz gegen Gent.

Boy-Boy Mosia: Das ewige Problem der 1,55 Meter

Während sie am Kap der guten Hoffnung hofften, Mosia würde sich schnell akklimatisieren und in wenigen Jahren mit dem schwarz-weißen Trikot ins Stadio delle Alpi einlaufen, traf der junge Boy-Boy auf taktisch hervorragend geschulte Verteidiger, die ihn um zwei Köpfe überragten. Denn, und das wurde später eines seiner großen Probleme, er war schon immer kleinwüchsig. Nur 1,55 Meter sollte er später messen.

Da er in einem Alter, in dem fast alle Talente in die Höhe schießen, kaum wuchs, wurde er nach nur einem Jahr wieder abgegeben. Über Amazulu landete er in der Johannesburger School of Excellence, der besten Talenteschmiede des Landes. 2003, kurz vor seinem 18. Geburtstag, verpflichtete der FC Chelsea ihn und zwei weitere Südafrikaner.

Denn auch wenn er klein war: seine Haken, seine Pirouetten, der Ball stets wie magisch am Fuß klebend, waren eine Augenweide, die nicht nur das Interesse der Blues weckte. "In den Spielen, die ich von ihm sah, war er ein trickreicher Rechtsaußen, der vor keinem Zweikampf zurückschreckte. Was fehlte, war die Torgefahr. Er war sehr populär in Südafrika, weil er früh nach Europa wechselte", sagt Ernest Makhaya von Goal Südafrika.

Auch Manchester United lud ihn zum Probetraining ein. Er war angekommen, hatte Spaß am Fußball. Sein Traum von einer WM-Teilnahme mit der Bafana Bafana und der von den großen Stadien Europas lebte.

Der langsame Tod des Traums

2004 wechselte er zu Westerlo in Belgien. Chelsea sicherte sich eine Rückkaufklausel, wollte, dass er sich auf Erstliganiveau etabliert - und umging gleichzeitig das Problem der fehlenden Arbeitserlaubnis. Er wurde zum kleinsten Spieler in der ersten belgischen Liga, schaffte es aber auch hier nicht, das Problem der fehlenden Zentimeter zu kaschieren. Und er litt.

Sein Selbstvertrauen, mit dessen Hilfe er an guten Tagen auch die besten Verteidiger der Liga schwindelig spielte, als würde er sich im Wald zwischen Bäumen hindurch winden, schwand immer mehr.

Deshalb wurde er auch in Belgien verliehen, herumgereicht. Sein Traum starb 2008, als er bei Leuven keinen neuen Vertrag erhielt. Er war plötzlich vereinslos. Denn er schlug einige Angebote aus, wollte zunächst nicht zurück in die Heimat. Schließlich träumte er vom San Siro und Old Trafford. Noch immer.

Boy-Boy Mosia: Vereinslos und Drogenprobleme

Als er im November 2008 schließlich doch zurückkehrte und sich den Black Aces anschloss, brach ihm das sein Herz. Der Träumer landete auf dem Boden. Hart und brutal. Man kann nicht genau rekonstruieren, wann er mit den Drogen anfing. Aber es muss zu dieser Zeit gewesen sein.

Denn wenig später wurde sein Vertrag aufgelöst. Auch wenn er selbst darauf beharrte, es sei seine eigene Entscheidung gewesen, dem Klub fehle es an der nötigen Professionalität, wurde unter vorgehaltener Hand gemunkelt, er habe ein Drogenproblem.

"Ich werde bald einen Klub finden", sagte er im Januar 2009. Er spielte nie wieder als Fußballprofi. Damals sagte er: "Ich brauche ein Umfeld, das mich motiviert, meinen Job richtig zu machen." Dass dieses ausblieb, mündete schließlich in der Tragik seiner letzten Jahre und seinem Tod.

Auswegloser Strudel

"Nachdem er kapiert hatte, dass selbst in Südafrika kein Team Interesse hatte, begann er eine Menge zu trinken", sagte ein enger Freund aus seiner Heimatstadt Hammersdale der südafrikanischen Daily Sun. "Zuerst trank er nur alleine zuhause. Später dann immer öfter in Bars. Oft kehrte er erst nach Mitternacht nach Hause zurück."

Mosia geriet in einen Strudel, aus dem er sich nie wieder befreien konnte. Bald kamen zu Schnaps und Bier harte Drogen hinzu. "Er mischte Alkohol und Pillen. Er war unverantwortlich, weil ihm eine Vision fehlte."

Ohne seinen Traum war er nichts. Die Freude am Spiel, das Reine war ihm schon vor Jahren abhandengekommen. Und so sah er keinen anderen Ausweg, als zur Flasche zu greifen, Drogen zu nehmen und in seiner Heimatstadt in den wenigen klaren Momenten mit dunklem Gemüt sein letztes Geld auszugeben.

Boy-Boy Mosia: Einsames Ende einer Tragödie

Bis heute ist nicht geklärt, ob er sich den tödlichen Mix absichtlich mixte oder er starb, weil er aus Versehen falsche Mengenangaben zu einem Cocktail mixte. So oder so: Als er am 23. Juli 2016, 22 Tage nach seinem 31. Geburtstag, in den Armen seiner Tante starb, starb nicht nur ein gebrochener Mann, sondern auch ein Mensch, den eine harte Branche zersetzt hatte.

Umso tragischer daran ist, dass sein Ableben fast unbemerkt von ebendieser blieb. Nur wenige Medien berichteten vom Tod eines ehemaligen "Chelsea-Spielers". Boy-Boy Mosia starb vergessen von all denen, die seine Füße in Geld verwandeln wollten. Er starb am freien Fall ins Bodenlose, in einen Abgrund, aus dem sich nur wenige befreien können. Vor allem ihm gelang das nicht, dem kleinen Techniker, der auch mit Mitte 20 noch die Träume hatte, die sich ihren Weg zwischen staubigen Plätzen und großer Bühne gebahnt hatten.

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