"Das HSV-Umfeld wird von den Medien gelenkt"

Joe Zinnbauer trainiert den FC St. Gallen
© getty

Joe Zinnbauer trainierte beim HSV sowohl die Reserve als auch die Profimannschaft. Mittlerweile ist der 46-Jährige seit knapp eineinhalb Jahren beim Schweizer Erstligisten FC St. Gallen angestellt. Im Interview spricht der Coach über seine Zeit in Hamburg, die Probleme beim Bundesliga-Dino und die Lebensqualität in der Schweiz.

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SPOX: Herr Zinnbauer, Sie sind jetzt seit bald eineinhalb Jahren Cheftrainer des FC St. Gallen. Was ist für Sie typisch Schweiz?

Joe Zinnbauer: Die Landschaft ist wunderschön. Direkt nach dem Aufstehen genieße ich den Ausblick auf die Berge und Seen. Auch wenn ich das im Alltag gar nicht so genießen kann, weil ich mit meinen Aufgaben im Verein genug Beschäftigung habe, ist die Lebensqualität hier sehr hoch.

SPOX: Als das Angebot aus St. Gallen kam, waren Sie gerade seit wenigen Monaten Trainer bei der U23 der Rothosen. In der Zeit davor haben Sie nach Ihrem Aus als HSV-Cheftrainer kein Team betreut. Wie haben Sie diese Monate genutzt?

Zinnbauer: Kurz nach der Entlassung als Chefcoach habe ich mich zurückgezogen und mir Gedanken über meine Zukunft gemacht. Der HSV wollte mich als U23-Trainer behalten, eine Rückkehr war auch immer mein Wunsch. Nach guten Gesprächen haben wir beschlossen, dass wir die Strukturen, die ich als Cheftrainer vorangetrieben habe, weiter verfolgen wollen.

SPOX: Welche waren das?

Zinnbauer: Mein Ziel war es, junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs nach oben zu ziehen. Leider sind mittlerweile nicht mehr so viele 'meiner' Spieler im Kader. Daher freut es mich umso mehr, wenn sich ein ehemaliger Schützling wie Gideon Jung in der Bundesliga etabliert.

SPOX: Haben Sie zur damaligen Zeit schon darauf gehofft, wieder bei einer Profimannschaft Cheftrainer zu werden?

Zinnbauer: Kurz nach meiner Rückkehr zur Reserve habe ich gemerkt: Hoppla, beim HSV fehlt mir etwas. Ich wollte zurück in das große Geschäft. Ich habe meine Aufgabe nicht mehr darin gesehen, Talente im Juniorenbereich zu formen, sondern sie im Profibereich zu integrieren. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass ich so schnell weggehen würde, denn der HSV ist ein Top-Verein und die Verantwortlichen haben mich immer unterstützt.

SPOX: Wie überraschend kam denn die Offerte aus der Schweiz?

Zinnbauer: Der Anruf kam kurz nach einer Niederlage mit der U23 und dann ging alles sehr schnell. Sportdirektor Christian Stübi hatte eine Vision, die er mit einem deutschen Trainer umsetzen wollte. Der damalige HSV-Manager Peter Knäbel war selbst mal beim FC St. Gallen tätig. Er hat mich zwar nicht dazu animiert, den Verein zu verlassen, aber seine Worte waren sehr positiv. Am nächsten Tag habe ich mir den Klub vor Ort angeschaut und zwei Tage nach dem Telefonat war der Deal schließlich fixiert.

SPOX: Wie wichtig war es rückblickend, nach der turbulenten Zeit beim HSV den Standort zu wechseln?

Zinnbauer: In der Summe habe ich hier sicherlich weniger Druck. Beim HSV war es ein rein ergebnisorientiertes Geschäft und der Druck immens groß. Das hatte viele Gründe: interne Vorgaben, kritische Fans und nicht zuletzt die Medien. Allerdings liegt der Fokus der Ostschweiz auf St. Gallen und der mediale Druck ist durchaus mit vielen Bundesligavereinen vergleichbar. Aber es ist eine Erleichterung, dass die sportlich Verantwortlichen dem Konzept unabhängig von kurzfristigem Erfolg oder Misserfolg treu bleiben.

SPOX: Gab es auch andere Anfragen?

Zinnbauer: Einige Zweitligavereine und Klubs aus dem Ausland haben mich angerufen, aber darüber habe ich nicht lange nachgedacht. Bei St. Gallen war das anders: Die Verantwortlichen hatten ein fast identisches Konzept wie ich: viele eigene Jugendspieler zu fördern und Veränderungen voranzutreiben.

SPOX: Wie schwer fiel Ihnen der Abschied vom HSV?

Zinnbauer: Die vertragliche Situation war schnell geklärt, aber emotional fiel es mir sehr schwer. Ich hatte im Verein viele Freunde, sowohl auf der Management-Ebene als auch im Kader. Aber letztlich muss man sich überlegen, was das Beste für die eigene Karriere ist.

SPOX: Die hatte in Ihrem Fall durchaus Überraschungen parat. Anfang 2011 begannen Sie beim Karlsruher SC, ehe Sie 2014 die U23 des HSV übernahmen. Wie wahrscheinlich war es für Sie, dass Sie dort nur Wochen später im großen Rampenlicht der Bundesliga stehen würden?

Zinnbauer: Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Oliver Kreuzer, den ich aus gemeinsamen Zeiten beim KSC kannte, hat mich ursprünglich für den Jugendbereich geholt. Beim HSV hatte ich eigentlich die Ausrichtung U23 - mit Blick nach unten.

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