"Und ich fasse mir an die Eier"

Florian Schimak
27. September 201609:29
Bringt sich selbst Glück: Maurizio Sarrigetty
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Wie gewöhnlich geht es in Bella Italia einmal mehr emotional zu: Man versucht sich bei der Beschwörung gegen mögliches Unglück. Auf der Insel wandelt man auf Süsskinds Spuren und in London fehlen mancherorts die Pferdeexkremente, während in LaLiga Cristiano schon wieder Nicht-Liebling der Massen ist.

Serie A

von Oliver Birkner

Eierfassen des Spieltags: Einigen Sendern ist es offensichtlich allzu lästig, sich selbst eine Schlagzeile auszudenken. Da bittet man doch lieber gleich die betroffene Person darum. Ein Reporter vom Mediaset-Pay-TV belagerte Napoli-Trainer Maurizio Sarri am Wochenende: "Mister, geben Sie uns eine Headline. Ich sage Meisterschaft, und Sie ..." - "Und ich fasse mir an die Eier. Reicht das für eine Schlagzeile?" Das sollte gelangt haben.

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Das Fassen an den intimsten Bereich gilt in Italien übrigens als Beschwörung gegen mögliches Unglück. Nebenher sorgt der sportliche Erfolg kaum für Ruhe im Umfeld. Sarri und Präsident Aurelio de Laurentiis liegen im Clinch, die Tifosi zürnen auf den Patron und streiten zeitgleich untereinander. Ein normal verrückter Alltag in Neapel. Einig ist man sich indes, dass der erneute Topzuschlag für die Kurve von 40 Euro gegen Benfica für viele eine horrende Summe bedeutet. Zur Not kann man sich auch gemütlich vor den TV setzen, auf spannende Schlagzeilen hoffen und sich vor allem kurz vor Anpfiff kurz an den Schritt fassen.

Gärtner des Spieltags: Es ist freilich egal, dass man in den letzten Jahren knapp 15 Millionen Euro an der Steuer vorbeigeschoben hat, wenn dein Name Fabrizio Sardagna Ferrari Von Neuburg und Hohenstein lautet. Darauf muss man erstmal kommen. Außerdem braucht der Meister zu seiner Unterschrift wohl knapp zwei Tage, da ist es verständlich, diverse Aktivitäten auf den Gärtner und die Hausdame umzuschreiben und trotzdem selbst die Einnahmen zu kassieren. Schloss Tor Crescenza läuft hingegen immer noch unter dem Namen vom durchlauchten Fabrizio, und dort wird er Francesco Totti plus Gäste am Dienstag zur großen 40-Jahre-Geburtstagssause des Römers empfangen.

Am Sonntag beglückwünschten ihn bereits die Torino-Fans bei der Einwechslung mit der großartigen Geste stehender Ovationen und Totti beschenkte sich selbst in Form von Serie-A-Treffer Nummer 250. Frau Ilary Blasi ist momentan eigentlich als Moderatorin bei Big Brother eingespannt, doch zum runden Geburtstag des Gatten musste sie in einem Interview allerhand loswerden. Die kurze Suspendierung der letzten Saison sei wirklich unerhört gewesen und Coach Luciano Spalletti ein kleiner Wicht: Denn Francesco aus dem Haus zu treiben, gehöre ins Reich der Science-Fiction. Wie scheinbar auch Präsident Jim Pallotta, der vor dem Reden bisweilen eher mal nachdenken müsse. Findet Ilary zumindest, auch wenn sie vom Calcio eigentlich wenig verstehe. Macht doch nichts: Als Qualifikation reicht der Container völlig aus.

Altro? Die ersten Wochen avancierten zu akkuraten Festspielen der echten Torjägergarde. Doch Milik, Icardi, Higuain und Bacca müssen seit Samstag ihren Platz für Edoardo Goldaniga räumen. Er ist zwar Verteidiger und bescherte Juventus per Eigentor drei Punkte, doch besser können seine Sturmkonkurrenten das Ding wirklich nicht wegmachen: Complimenti!

Premier League

Rebirth des Spieltags: Die Red Devils befanden sich nach eher durchwachsenen Auftritten und drei Niederlagen aus den letzten vier Spielen ja schon wieder in der größten Krise seit Zeiten von David Moyes im Old Trafford (zu dem kommen wir übrigens später noch). Glücklicherweise konnte Mou seine Zweitbesetzung dann doch dazu bringen, im EFL-Cup unter der Woche gegen Northampton einen mehr oder weniger souveränen Sieg einzufahren, um so seine Top-Elf für das Wochenende und den Auftritt gegen Meister Leicester zu schonen. Offensichtlich hat es sich gelohnt, denn Ibra & Co. brannten in der ersten Hälfte gegen die Foxes ein wahres Feuerwerk ab.

Erwähnenswert waren dabei drei Dinge. Erstens, Daley Blind kann tatsächlich recht lässige Ecken treten. So bereitete der Niederländer drei der vier United-Treffer direkt oder indirekt vor. Zweitens, der "Fat Boy", wie Wayne Rooney einst liebevoll von Jose Mourinho getauft wurde, ist derzeit außen vor und kam erst sieben Minuten vor Schluss ins Spiel und muss nun um die Erweiterung seines niedlichen Kosenamens mit dem Adjektiv "old" fürchten. Zu guter Letzt können wir beruhigt sagen: Paul Pogba ist seine Monster-Ablösesumme wert. Bald. Also, vielleicht irgendwann dann. Immerhin traf er jetzt zum ersten Mal im United-Trikot. Nach einer Blind-Ecke, eh klar. Achso, und bevor wir es vergessen: Zlatan steht brutal auf Doppelgängerveranstaltungen.

Uns bevor wir es ebenfalls vergessen. Arsenal schlug Chelsea 3:0. #wengerball

Pheromone sind alles: Für viele Menschen sind bestimmte Gerüche dafür verantwortlich, dass sie sich wohl fühlen. So suggeriert der Geruch von Kaffee und frischgebackenem Kuchen beispielsweise Gemütlichkeit und spätestens seit Süskinds "Das Parfum" wissen wir auch, dass Düfte Handlungsweisen von Menschen beeinflussen können (vermutlich wussten wir es schon davor, aber in diesem Zusammenhang mussten wir dieses Werk einfach erwähnen). Daher lässt sich laut Ex-West-Ham-Profi Tony Gale auch erklären, warum es für die Hammers seit dem Umzug vom geliebten Upton Park ins Olympiastadion nicht wirklich geil läuft. Drei Punkte nach sechs Spielen und Platz 18 ist nicht das, was sich Slaven Bilic und Co. erhofft hatten.

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Gales Theorie zufolge fehlt den Fans seit dem Umzug die Bodenständigkeit und somit könnten sie nicht wie gewohnt ihr Team supporten. Der ehemalige Abwehrspieler erklärte in der Sun ganz unverdrossen: Es fehle der Geruch von Pferdescheiße im Olympiastadion. Der gewöhnungsbedürftige Duft hat demnach wohl bei Fans und Team der Hammers eine ähnliche Wirkung, wie es Kaffee und frisches Gebäck bei den Normalsterblichen haben. Könnte daher rühren, dass in England bevorzugt Tee getrunken wird.

Anything else? Wie versprochen, kommen wir noch auf David Moyes zu sprechen. Der hat ja seit seinem Abschied vom FC Everton eher so semi-erfolgreich gearbeitet. Gut, bei United hatte Moyes den SAF-Rucksack auf und in Spanien bei San Sebastian hält es aufgrund der vielen Sonnenstunden sowieso kein Engländer länger als ein Jahr aus. Daher schlug Sunderland nach der Allardyce-Krönung umgehend zu und gab Moyes quasi eine neue Chance, die er aber derzeit mit britischer Höflichkeit ungenutzt verstreichen lässt. Einen Punkt aus sechs Spielen, jetzt am Wochenende bis zur 62. Minute 2:0 gegen Crystal Palace geführt (Doppelpack Jermaine Dafoe #amazing), nur um das Ding am Ende mit 2:3 doch noch an die Wand zu fahren. Auf der Insel nennt man das inzwischen "The-Moyes-Effekt".

Premier League

von Florian Schimak

Fan-Liebling des Spieltags: Ok, wir machen im Spanien-Teil jetzt einmal etwas völlig Verrücktes und sprechen über Cristiano Ronaldo. Buuuh, SPOX! Ihr seid scheiße! Jaja, wissen wir. Allerdings passierte bei Real Madrids Auftritt in Las Palmas am Wochenende tatsächlich etwas, was es sonst nur ganz, ganz, ganz, ganz selten gibt: Cristiano Ronaldo wurde ausgewechselt! Beim Stand von gerade mal 2:1! Vor der 90. Minute! Dass sich die spanischen Medien daraufhin natürlich überschlugen wie Strohballen in Chicago war ja klar. Zu allem Überfluss zeigte sich der stolze Pfau aus Madeira auch wenig begeistert von Zidanes Idee und würdigte seinen Coach nach der Auswechslung keines Blickes.

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Die CR7-Jünger liefen natürlich Sturm, wetterten in den sozialen Medien gegen Gott, Zidane, Franco und sonst noch alles, was in Madrid mal wichtig war oder ist. Daraufhin überlegte sich die AS blitzgescheit, dass man die User über Zidanes Majestätsbeleidigung abstimmen lassen könnte. Die Redakteure der spanischen Zeitung rieben sich die Hände und hofften auf einen wahren Shitstorm gegen Zidane, doch am Ende rieb man sich eher verdutzt die Augen. 83 Prozent fanden die Auswechslung Ronaldos richtig! Die AS-User berücksichtigten dabei tatsächlich wohl, dass der Portugiese nach langer Verletzungspause und fehlender Vorbereitung noch nicht in Vollbesitz seiner Kräfte ist und gegen Las Palmas auch tatsächlich schlecht war. Allerdings hätten wir mit so viel Realismus im Zusammenhang mit CR7 nicht gerechnet.

Murphys Gesetz des Spieltags: Es will in den letzten zwei Jahren bei Salvatore Sirigu irgendwie nicht laufen. Anfangs bei PSG absolute Nummer 1, unumstrittener Stammspieler und die Nummer 2 hinter Altmeister Gigi Buffon in der Squadra Azzurra. Doch dann kam Kevin Trapp, nahm dem Italiener den Stammplatz ab und ließ ihn auf der Bank versauern, so dass Sirigu sich völlig frustriert im Sommer zum FC Sevilla ausleihen ließ, weil er auch unter Unai Emery keine Chancen in Paris sah. Blöd nun, dass dort Trapp seinen Stammplatz an Alphonse Areola verloren hat. Aber immerhin durfte Sirigu vor zwei Wochen bei Sevilla erstmals seit gefühlt zehn Jahren wieder spielen.

Gegen Real Betis im Derby musste er allerdings wieder auf die Bank, ehe er jetzt am Wochenende in Bilbao wieder zwischen den Pfosten stand. Diese ganze Verwirrung könnte auch seine Aktion in der 88. Minute gegen Bilbaos Aduriz erklären. Sirigu schnappte sich einen weiten Ball an der Höhe des Elfmeterpunktes, Aduriz bedrängte ihn dabei leicht, was offenbar völlig ausreichte, um den Keeper zur Eskalation zu bringen. Mit dem Ball in der Hand verpasste er dem gegnerischen Stürmer einen Ellenbogenschlag auf den Rücken. Die Folge: Rot und Elfmeter für Athletic Club. Die Aktion hatte zur Folge, dass Sevilla die Partie mit 1:3 verlor, Sirigu vermutlich für mehrere Spiele gesperrt wird und zu allem Überfluss in den letzten Minuten auch noch Vicente Iborra ins Tor musste, weil Coach Sampaoli schon drei Mal gewechselt hatte. Läuft also weiter so gar nicht bei Sirigu. Aber alles noch besser als ein Atomkrieg. SPOXspox

Algo mas?! Die Transferphilosophie des FC Barcelona fand in den letzten Jahren nicht immer Anklang bei den Fans. Zum einen, weil die eingefleischten Katalanen am liebsten nur Spieler aus La Masia im Camp Nou sehen würde und zum anderen gibt's die Fraktion, die gerne schillernde und klangvolle Namen präsentiert bekommen würde. Insofern war eigentlich schon klar, dass Douglas, als er 2014 als unbekannter Rechtsverteidiger vom FC Sao Paolo verpflichtet wurde, jetzt nicht unbedingt einen Flashmob im Park Güell auslösen würde. Letztlich bestritt er in den vergangenen zwei Jahren grandiose acht Partien für die Blaugrana, davor sogar drei in LaLiga. Hammer!

Bei so viel Spielpraxis ließ sich der Brasilianer dann im Sommer doch lieber zu Sporting Gijon ausleihen, um den ganzen Barca-Fans zu zeigen, dass er doch ein lässiger Kicker ist. Und tatsächlich dufte Douglas vor zwei Wochen gegen Atletico Madrid ran und verlor prompt mit 0:5. Da jetzt am Wochenende quasi sein ganz persönliches WM-Finale anstand und Gijon das große Barca empfing, wollte Douglas ausgeschlafen und fit in die Partie gehen. Wieder blöd, dass sich der 26-Jährige dieses Mal im Schlaf verletzte, wie Sportings Physio bestätigte. So habe Douglas versucht, im Sitzen zu schlafen und eine geeignete Position gesucht, um nach dem Schlafen mit Schmerzen im Gesäßbereich aufzuwachen. Glücklicherweise wurde er noch fit massiert und kam in seinem großen Spiel tatsächlich noch einmal 13 Minuten zum Einsatz. Achso, Gijon verlor. Wieder 0:5. Gutes Omen also, der Douglas.