Wenn ein Kontinent ein Turnier verliert

SID
Mehrere dubiose Vorfälle sorgten für einen skandalösen Afrika-Cup
© getty

Die Elfenbeinküste hat den Afrika-Cup gewonnen. Aber das Sportliche trat klar in den Hintergrund. Es hagelte Kritik an der afrikanischen Konföderation, Äquatorialguinea mit der Gastgeberrolle anstelle von Marokko betraut zu haben.

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Ein Gastgeber, der bis ins Halbfinale durchgewinkt wurde. Ein Diktator, der sich als Wohltäter feiern ließ. Ein Skandal, der den Fußball eines ganzen Kontinents um Jahre zurückwirft. Der Afrika-Cup 2015 in Äquatorialguinea, der am Sonntag mit dem Finalsieg der Elfenbeinküste zu Ende ging, war ein Turnier, das so niemals hätte stattfinden dürfen.

"Wenn ich Europa etwas schlechtes passiert, ist es ein Versehen, ein Irrtum - aber wenn in Afrika etwas passiert, wird sofort von Korruption gesprochen", behauptete Issa Hayatou, Präsident des afrikanischen Kontinentalverbandes CAF: "Die westlichen Medien sind nur deswegen hier, um die Kolonisation zu bewahren." Kurz zuvor waren 36 Zuschauer verletzt worden, Beobachter sprachen von "bürgerkriegsähnlichen" Zuständen.

"Unsere Fans Opfer barbarischer Gewalt"

Die traurigen Bilder der Ausschreitungen während des Halbfinales zwischen dem Gastgeber und Ghana (0:3) gingen um die Welt: Steine, Flaschen und Tränengas flogen auf Spieler und Fans, überall war Blut, ein Hubschrauber trieb die schreienden Massen aus dem Stadion. "Unsere Fans wurden Opfer barbarischer Gewalt", twitterte der ghanaische Verband GFA, dessen Präsident Kwesi Nyantakyi klagte: "Wir sollten über unseren Sieg sprechen, stattdessen reden wir über Gewalt. Das ist ein schwerer Schlag für das Ansehen des Turniers."

Von ganz oben kamen andere Meinungen. "Ich sehe diese negative Seite des afrikanischen Fußballs nicht, von der in den Medien berichtet wird", sagte FIFA-Präsident Joseph S. Blatter während seiner Stippvisite in dem von Teodoro Obiang autoritär regierten Land, in dem die Bevölkerung trotz des Ölreichtums in Armut lebt. Der 78-jährige Schweizer ist in Afrika auch auf Stimmenfang für die Präsidenten-Wahl im Mai. Dafür sind viele Mittel recht.

Cheforganisator zeigt sich zufrieden

"Wir haben Afrikas Ehre gerettet", sagte Francisco Pascual Obama Asue, der Boss des Organisationskomitees, zufrieden - und wetterte damit indirekt gegen das schwer bestrafte Marokko. Das nordafrikanische Land hatte das Turnier eigentlich ausrichten sollen, aus Sorge wegen der Ebola-Epidemie aber eine Verschiebung beantragt. Die CAF aber sah keine höhere Gewalt: An den Turnieren 2017 und 2019 darf Marokko nicht teilnehmen. Zudem sind eine Geldstrafe in Höhe von 883.000 Euro und eine Entschädigungszahlung (acht Millionen Euro) fällig.

Fußball-Weltenbummler Lutz Pfannenstiel fand es "komisch, dass man näher an den Ausbruchsherd herangeht, schließlich ist die Gesundheit von Millionen wichtiger als ein Fußballturnier", sagte der Ex-Torhüter und TV-Experte damals dem "SID".

"Fußballerisch ein gutes Turnier"

Im Nachhinein sei es, "wenn man die Politik ausklammert, ein gutes Fußballturnier" gewesen, sagte er: "Natürlich war es eine sensible Entscheidung, das Turnier dorthin zu geben. Aber in Afrika gibt es leider keine 30 Länder, die solch ein großes Turnier vernünftig veranstalten können." Der CAF blieb keine andere Wahl, es ging auch um viel Geld.

Das hat Diktator Obiang im Überfluss - sein Volk aber lebt laut Weltbank mit weniger als zwei Dollar am Tag. Für die Vorbereitung des Turniers, das der Diktator so sehr für sein Image brauchte, reichten Obiangs Leuten rund 50 Tage, Kritik war nicht erlaubt. Zwei Regimekritiker, die wegen der Ebola-Gefahr zu einem Boykott der Spiele aufriefen, wurden in Arrest genommen.

Auch Schiedsrichterleistungen indiskutabel

Tunesien, das im Viertelfinale gegen Äquatorialguinea (1:2 n.V.) von Schiedsrichter Rajindraparsad Seechurn (Mauritius) aus dem Turnier gepfiffen wurde, droht wegen des "inakzeptablen und aggressiven" Protests der Spieler im Anschluss der Ausschluss vom Afrika-Cup 2017. "Wir haben die Hotels der anderen Teams gesehen - sehr komfortabel", sagte Abwehrspieler Bilel Mohsni: "Wir hatten keine Fernseher, keine Elektrizität und kein Wasser."

Immerhin Spannung bot das Finale am Sonntag. Die Elfenbeinküste mit den Bundesliga-Profis Salomon Kalou (Hertha BSC) und Serey Dié (VfB Stuttgart) gewann 9:8 im Elfmeterschießen gegen Ghana und den Augsburger Rahman Baba. Held des Abends war Torwart Boubacar Barry, der zunächst den Schuss seines Gegenübers Razak Brimah abwehrte und dann selbst traf. Alle drei Bundesliga-Profis hatten zuvor ihre Elfmeter souverän verwandelt.

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