Bobic: "Ein faszinierendes Milliarden-Projekt"

Von Interview: Haruka Gruber
Fredi Bobic bei einem Heimspiel seines Vereins PSFK Chernomorets Burgas
© Imago

Ein Revoluzzer am Schwarzen Meer: Im März 2009 wechselte Fredi Bobic als Geschäftsführer zum bulgarischen Erstligisten PSFK Chernomorets Burgas. Gemeinsam mit Freund Krassimir Balakow als Cheftrainer und dem Superreichen Mitko Sabev als Präsidenten formt er einen Vorzeigeklub mit hohen Zielen - und gilt nun als Favorit auf die mögliche Nachfolge von Manager Horst Heldt beim VfB Stuttgart. Doch was hat Bobic bisher genau erreicht? Der 38-Jährige über "Sharky", Schampus und Promi-Transfers.

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SPOX: Als Sie und Krassimir Balakow in Burgas anfingen, lautete das Motto: "Wir planen eine Revolution!" Was wurde eineinhalb Jahre nach der Ankündigung aus der Revolution?

Fredi Bobic: Wir sind mit der Revolution bereits sehr weit fortgeschritten. Sportlich ist es zwar wie erwartet ein etwas längerer Weg, aber strukturell haben wir den Verein derart weitreichend umgekrempelt, dass es mich wundert, wie schnell es uns gelungen ist.

SPOX: An Strukturen zu arbeiten klingt immer abstrakt. Können Sie konkretisieren, was verändert wurde?

Bobic: Im Grunde alles. Wir haben die Geschäftsführer-Ebene rundum neu besetzt, dringend benötigte Abteilungen wie das Merchandising aufgebaut, Marketing-Konzepte entwickelt, eine Werbeoffensive gestartet oder ein Maskottchen ins Leben gerufen. Das alles mag für deutsche Verhältnisse fast schon banal klingen, aber weil das alles in Bulgarien nicht üblich ist, haben wir quasi von Null angefangen.

SPOX: Wie heißt denn das Maskottchen?

Bobic: Sharky, habe ich selbst ausgesucht. (lacht) Es ist das erste Vereins-Maskottchen überhaupt in Bulgarien und steht stellvertretend für die Professionalisierung des Klubs. Das Logo wurde neu gestaltet, es wurde ein Tag der offenen Tür veranstaltet, zu dem 3000 Kinder kamen, wir haben Konzerte für Jugendliche organisiert, Schulen und Kindergärten besucht und soziale Projekte unterstützt. Das alles sollte dabei helfen, eine Marke aufzubauen und sich zu positionieren.

SPOX: Und?

Bobic: In der Rückrunde der vergangenen Saison kamen 13.000 Zuschauer im Schnitt und selbst das Merchandising-Geschäft funktioniert, obwohl es in Bulgarien nicht verbreitet ist, Fan-Artikel zu kaufen.

SPOX: Aber nur weil man mehr Eintrittskarten und Trikots an den Mann bringt, kann nicht von einer Revolution gesprochen werden.

Bobic: Natürlich nicht. Der für uns entscheidende Schritt ist die Fertigstellung des neuen, hochmodernen Trainingszentrums mit sechs Fußballplätzen. Der Rohbau steht bereits, im Herbst wird der Campus einzugsbereit sein. Er ist dem Trainingszentrum von Krassimirs Ex-Klub Grasshopper Zürich angelehnt, nur dass unsere Anlage größer ist und einige Dinge verfeiert wurden. Der Campus wird das Herz des Vereins und der Hingucker schlechthin. Mit dem Trainingszentrum werden wir der Konkurrenz zehn Schritte voraus sein.

SPOX: Außerdem ist in Burgas der Bau eines riesigen Sport-Areals inklusive einer neuen Fußball-Arena geplant, welches eine Investition in Milliardenhöhe erfordert.

Bobic: Das ist die Vision unseres Eigentümers und Präsidenten Mitko Sabev. Ein unheimlich faszinierendes Projekt, weil sie solche gigantischen Ausmaße hat. Unser jetziges Stadion mit Business-Bereich und anderen in Bulgarien ungewöhnlichen Annehmlichkeiten ist zwar bereits das modernste des Landes, aber die neue Arena soll in dem geplanten Mega-Komplex mit einer Sporthalle, Einkaufs-Mall und Bürogebäuden das absolute Highlight sein. Ein bisschen lässt sich das mit dem NBA-Klub New Jersey Nets und deren Bedeutung für das Großüberbauungsprojekt in Brookyln vergleichen. Derzeit laufen in Burgas die Diskussionen über die Finanzierung, weil auch die öffentliche Hand beteiligt sein wird, aber spätestens Ende diesen Jahres erwarten wir eine Entscheidung, wann es losgeht.

SPOX: Neue unternehmerische Strukturen, neues Trainingszentrum, neue Arena, dazu noch die Verantwortung für rund 130 Mitarbeiter - mit Verlaub: Haben Sie als ehemaliger Fußball-Profi das nötige Know-how für all das?

Bobic: Ich verstehe die Frage, aber es ist so: Ich weiß, dass ich nicht alles perfekt beherrsche. Aber ich weiß auch, dass ich ein Pragmatiker bin und mich auf meinen Verstand verlassen kann. Ich habe mich nach meiner aktiven Zeit zwei Jahre fortgebildet, habe die Medienwelt von innen kennen gelernt, mich in der Marketing-Abteilung vieler Klubs informiert und bei der DFL vier Wochen hospitiert. Sprich: Wenn mir ein Jurist oder ein Wirtschaftsfachmann etwas erzählt, kann ich es ganz gut einschätzen und bei Bedarf hinterfragen.

SPOX: Reicht das?

Bobic: Mit meiner Art habe ich auf jeden Fall einiges bewirkt. In Bulgarien herrscht in Firmen häufig ein von Angst geprägtes Autoritätsdenken. Die Untergebenen werden von den Vorgesetzten untergebuttert, so dass die Motivation und das eigenständige Handeln von Mitarbeitern kaum gefördert werden. Aber ich möchte Identifikation mit dem Verein, weswegen ich vor allem auf junge, wissbegierige und selbstständige Leute setze, die zwar aus Bulgarien kommen, aber international denken und etwas mit Begriffen wie Event oder Hospitality anfangen können.  Bisher funktioniert es sehr gut.

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SPOX: Die Strukturen sind das eine, doch das alles ist Makulatur, wenn sportlich kein Erfolg einsetzt. Sie haben bereits zu Beginn angedeutet, dass die Mannschaft der strukturellen Entwicklung etwas hinterherhinkt. Ein Problem?

Bobic: In unserer ersten kompletten Saison in Burgas war es das Ziel, sich zu verbessern. Das haben wir mit dem fünften Platz klar erreicht, auch wenn es mit der Qualifikation für die Europa League nicht geklappt hat. Wir begannen stark, waren kurzzeitig sogar Tabellenführer und haben nach einer Schwächephase den Anschluss verloren, dennoch erreichten wir die beste Platzierung der Vereinsgeschichte und haben den Abstand zu den Topteams gewaltig verkürzt. Nächste Saison erwarten wir aber natürlich eine weitere Steigerung.

SPOX: Mit Hilfe von Marek Mintal, an dem Chernomorets Interesse haben soll?

Bobic: In den letzten eineinhalb Saisons haben wir nur 200.000 Euro in die Mannschaft gesteckt, andererseits wurden 1,2 Millionen Euro durch Verkäufe eingenommen, die sofort in die Infrastruktur investiert wurden. Das ist der richtige Weg - aber für einen Mintal hätten wir auch im Rahmen unserer Möglichkeiten Geld in die Hand genommen. Er wäre ein fantastischer Neuzugang gewesen, aber der Transfer ist leider nicht realisierbar.

SPOX: Sind weitere Verpflichtungen bekannter Namen geplant?

Bobic: Wenn sich was ergibt, ist alles denkbar. Aber generell setzten wir voll auf die Nachwuchsförderung. Nur ein Beispiel: Um die Durchlässigkeit zu den Profis zu erhöhen, haben wir eine zweite Mannschaft ins Leben gerufen, die in der letzten Saison bis ins Pokalfinale eingezogen und in der bulgarischen zweiten Liga Siebter geworden ist. Dabei setzt sich das Team nur aus 16- bis 23-Jährigen zusammen. Diese Spieler sind unser Kapital und unserer Zukunft.

SPOX: Ihr größtes Talent ist wohl ein 18-jähriger Abwehrspieler namens Georgi Terziev, von dem Jochen Seitz im SPOX-Interview bereits geschwärmt hat.

Bobic: Ein fantastisches Talent, den wir für fünf Jahre an uns gebunden haben. Sehr abgeklärt, kommt fast ohne Grätschen aus und erinnert an Vincent Kompany. Mit 16 hat er bereits sein Erstliga-Debüt bestritten und wurde in Bulgariens U 21 berufen. Wir bauen ihn dennoch behutsam auf, weil wir nicht wollen, dass er zu schnell verbrannt wird.

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SPOX: Klingt alles viel versprechend, dennoch die Frage: Was passiert mit all den mittel- und langfristigen Planungen, wenn gleich zu Beginn der kommenden Saison Burgas einen Fehlstart hinlegt und Sie wie auch Krassimir Balakow unter Beschuss geraten?

Bobic: In Bulgarien herrscht in der Tat eine besonders ausgeprägte Hire-and-Fire-Mentalität. Doch unser Präsident ist die große Ausnahme. Als wir letzte Saison Probleme hatten, sagte er nach einer erneuten Niederlage direkt in die TV-Kameras, dass er überlegt, unsere Verträge noch einmal um fünf Jahre zu verlängern. Und er sagte es nicht einfach nur so. Er setzt auf Kontinuität, daher machen wir uns keine Sorgen.

SPOX: Wie tickt Präsident Sabev? Seine Vita und sein Reichtum erinnern frappierend an Roman Abramowitsch.

Bobic: Er mag ebenfalls Milliardär und im Öl-Business tätig sein, aber anders als viele Oligarchen sieht man ihn nicht am Strand mit Schampus in der Hand liegen. Herr Sabev hat seinen Luxus, aber er ist nie protzig und kommt normal in Hemd und Jeans zu unseren Besprechungen. Ein unheimlich intelligenter, innovativer und wissbegieriger Mann. Und natürlich sehr fleißig und geschäftstüchtig, was sein Petrol-Holding, seine eigene Fluggesellschaft und die über 20 weiteren Firmen, die ihm gehören, eindrucksvoll beweisen. Es ist eine Freude, mit ihm zu arbeiten.

SPOX: Denken Sie trotz all der guten Arbeitsbedingungen nicht dennoch an eine Rückkehr nach Deutschland?

Bobic: Die Zeit dafür kommt definitiv, die Frage ist nur, wann. Wir haben hier einen klaren Masterplan: 2013/2014 wollen wir zur absoluten Spitze in Bulgarien gehören, 2015/2016 soll die Struktur so gewachsen sein, dass der Verein unabhängig von Einzelpersonen funktioniert. Zumindest bis zum Erreichen des ersten Ziels habe ich vor, hier zu bleiben.

SPOX: Der Manager-Posten bei Ihren Heimatklub VfB Stuttgart interessiert Sie nicht? Immerhin gelten Sie als der Top-Favorit auf Horst Heldts Nachfolge, sollte dieser zu Schalke wechseln.

Bobic: Natürlich ist so ein Verein von Interesse und es besteht Kontakt, was anderes wäre auch gelogen. Aber ich bin strikt dagegen, mich selbst ins Gespräch zu bringen, das können die Leute in der Branche machen, die es für ihr Selbstbewusstsein brauchen. Ich bin erst 38 Jahre alt und bin damals bewusst den riskanten Weg gegangen und habe mich für Bulgarien entschieden. Solange ich mit Hingabe und Liebe meinen Job erfülle, bin ich mir hundertprozentig sicher, dass es irgendwann auch belohnt wird.

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