Hoffenheim auf bulgarisch

Von Jonas Wäckerle
Fredi Bobic (l.) und Krassimir Balakow leiten die Geschicke beim PSFC Chernomorets Burgas
© Getty

Balakow, Bobic, Borel, Gruew, Hubtschew, Seitz - mit einer ordentlichen Portion Knowhow aus der Bundesliga und den Millionen eines Geschäftsmanns mischt der PSFC Chernomorets Burgas die bulgarische Liga auf. Dabei geht der Verein mit seinen Investitionen einen für osteuropäische Verhältnisse untypischen Weg: zuerst der Verein, dann die Mannschaft.

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Als sein ehemaliger Vereinskollege Krassimir Balakow bei Jochen Seitz anrief, befand sich dieser gerade in einer der schwierigsten Situationen seiner Karriere.

Zwar stieg Seitz 2008 mit der TSG Hoffenheim auf und feierte damit seine persönliche Rückkehr ins Oberhaus, doch in der von 1899 so glamourös geführten Bundesliga-Hinrunde kam Seitz bei den Kraichgauern nicht mehr zum Zug.

Seitz flüchtete zur Alemannia nach Aachen, wo er jedoch auch nicht glücklich wurde. Was folgte, war das Angebot von Balakow, unter ihm beim bulgarischen Erstligisten Chernomorets Burgas zu spielen.

Seitz war zu dieser Zeit "grundsätzlich für alles offen", musste sich trotz seiner bulgarischen Ehefrau aber erst von Burgas' jungem Trainer überzeugen lassen.

Noch dominieren die Hauptstadtklubs die Liga

Doch Balakow hatte gute Argumente: Chernomorets, das ist der Verein aus der Touristen-Stadt Burgas, der mit großen Ambitionen und einer Menge Geld die Vorherrschaft der Hauptstadtklubs aus Sofia in der nationalen Liga durchbrechen will.

Der PSFK Chernomorets Burgas - so lautet der Name seit der Neugründung 2005 - ist der Nachfolger des FC Chernomorets, der nach den Plänen des millionenschweren Eigentümers Mitko Sabew - und auch mit Hilfe der Ressourcen des ehemaligen Stadtrivalens FK Neftochimiks - zu dem großen Verein der Stadt hochgezüchtet wurde.

So gelang dem jungen Verein 2007 der Aufstieg in die 1. Liga, in der er sich mit einem sechsten Platz 2008 und einem siebten Platz 2009 sofort etabliert hat.

Bobic sorgt für professionelle Rahmenbedingungen

Nach der Verpflichtung des neuen Trainers Balakow (Dezember 2008) folgte im März 2009 mit der Inthronisierung von Balakows ehemaligem VfB-Kumpel Fredi Bobic als Sportdirektor und Geschäftsführer der nächste Schritt, den Verein mit mehr Professionalität zu einem Spitzenklub aufzubauen.

Ein neues, hochmodernes Trainingszentrum wurde erst kürzlich eingeweiht, die Pläne für einen Stadionneubau sind fertig und sollen demnächst verwirklicht werden. Zudem treibt Bobic mit seinen Erfahrungen aus Deutschland das Merchandising und die Jugendarbeit voran. Im sportlichen Bereich setzt Bobic vermehrt auf Spezialisten und holte beispielsweise einen deutschen Physiotherapeuten.

"Der Plan von Bobic und Balakow sieht so aus, dass wir in den nächsten zwei, drei Jahren oben mitspielen und mal den ersten oder zweiten Platz erreichen", erklärt Seitz im Gespräch mit SPOX die ehrgeizigen Ziele der Verantwortlichen.

Drei deutsche Profis spielen in der Mannschaft

Der 33-Jährige ist neben Pascal Borel und Matthias Morys einer von drei deutschen Legionären im Team von Burgas. Der ehemalige Bremer Bundesliga-Torwart Borel ist wie Seitz bei Trainer Balakow gesetzt, während der junge Morys im Sturm zwischen Startelf und Ersatzbank wandelt.

Die deutsche Gruppe - zwei erfahrene Spieler und ein Talent - steht auch sinnbildlich für die Zusammenstellung des ganzen Kaders: In Burgas sollen hoffnungsvolle Talente gefördert werden. Während des Umbruchs bauen Bobic und Balakow aber noch vermehrt auf erfahrene Führungskräfte.

Der aktuelle Kader von Chernomorets Burgas

Dabei wurde aber trotz der finanziellen Möglichkeiten bisher von teuren Transfers abgesehen. Für Bobic waren die Prioritäten klar verteilt: Zuerst wurde in die Infrastruktur, den Trainer- und den Betreuerstab investiert. Jetzt, wo die Rahmenbedingungen stimmen, sollen aber auch erste Investitionen in den Kader vorgenommen werden.

Zwischenzeitlich Tabellenführer

Seine Möglichkeiten hat der aktuelle Kader aber auch schon in dieser Saison angedeutet: Chernomorets erwischte einen Traumstart und lag nach dem zehnten Spieltag mit 26 Punkten an der Tabellenspitze.

In den letzten fünf Vorrundenspielen, in denen Burgas auf die stärkeren Gegner in der Liga traf, folgte aber nur noch ein weiterer Punktgewinn. Dadurch rangiert Chernomorets jetzt auf Platz vier.

Eine Platzierung, die dem aktuellen Leistungsvermögen der Mannschaft entspricht. Vom Titel will in dieser Saison noch keiner sprechen, aber insgeheim hofft Seitz auf die Europapokal-Qualifikation: "Platz drei würde für die Qualifikation zur Europa League befähigen. Das wäre natürlich ein Traum. Aber die Mannschaft ist noch nicht so gefestigt. Wenn am Ende Platz vier oder fünf rauskommt, wäre das eine gute Saison von uns."

Hochmodern - nach deutschem Vorbild

Bis in drei Jahren soll der Europapokal dann regelmäßig am Schwarzen Meer gastieren. Und dafür planen Sabew und Bobic derzeit ein ultramodernes Stadion: Eine 30.000-Zuschauer-Arena mit integrierter Shopping-Mall, in der dann auch mal die Nationalmannschaft spielen soll.

Den Stadionbau organisiert Bobic in Rücksprache mit Eigentümer Sabew und lässt dabei seine Eindrücke aus Deutschland einfließen. Auch als Manager in Bulgarien ist Bobic noch sehr häufig in Deutschland und schaut sich dort vieles für seinen Job ab.

"Hoffenheim? Der Vergleich passt schon."

Wenn Seitz über die Stadionpläne oder das neue Trainingsgelände spricht, benutzt er gerne die Worte "professionell hochgezogen". Wörter, die man in Deutschland auch der TSG Hoffenheim, Seitz' Ex-Verein, zuordnen würde:

"Ja, das ist hier schon ähnlich wie in Hoffenheim. Man kann natürlich nicht die beiden Ligen vergleichen, deshalb ist in Hoffenheim viel mehr Geld im Spiel", bestätigt der Außenverteidiger mit Blick auf die bulgarische Liga: "Das ist hier höheres Zweitliganiveau. Wenn man die Verhältnisse hier aber ins Deutsche übersetzt, dann passt der Vergleich mit der TSG schon ganz gut."

Der Eigentümer: Wer ist Mitko Sabew?

Wie Hoffenheim lebt auch Chernomorets Burgas von der Finanzkraft eines Mannes: Mitko Sabew ist ein Geschäftsmann, der in den drei für Burgas und die Region besonders wichtigen Branchen tätig ist: Tourismus, Wein- und Ölhandel - wobei der Ölhandel mit der Petrol Holding Sabews Hauptgeschäft ist.

Ein in der Ölbranche tätiger, osteuropäischer Geschäftsmann als Besitzer eines Fußballklubs - da wird man hierzulande etwas stutzig. Verstärkt wird dieses Gefühl, wenn man auf der offiziellen Vereins-Homepage die E-Mail-Adresse des Vereins findet: chernomoretz@petrolholding.bg.

Doch Seitz berichtet ausgesprochen positiv über Sabew: "Ein sehr bodenständiger, netter Typ. Über ihn kann man nur Positives sagen." Sabew sei kein Typ, der nur auf Profit aus ist. Vielmehr liegt ihm der Verein wirklich am Herzen, da Sabew auch in der Region aufgewachsen ist.

Gerne mal fünf Stunden im Cafe

Die deutsche Fraktion um Bobic, Balakow, Seitz, Borel und Morys wird bei Chernomorets noch um Co-Trainer Ilja Gruew, der einst vier Jahre beim MSV Duisburg spielte, und den tunesischen Abwehrspieler Enis Hajri erweitert. Hajri spielte letzte Saison beim FSV Oggersheim in der Regionalliga West und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft.

Über diese Verdeutschung des Teams wundert sich Seitz nicht, "da Bobic und Balakow natürlich wissen, dass in Deutschland ausgebildete Profis sehr diszipliniert sind."

"Das ist der große Vorteil gegenüber den Bulgaren. Bulgaren sind so: 'Komm ich heut nicht, komm ich morgen.'", führt Seitz weiter aus und erklärt die Mentalität der südosteuropäischen Profis: "Die Deutschen haben ein ganz anderes Empfinden für das Profi-Dasein. Die Bulgaren setzen sich auch gerne mal mittags fünf Stunden ins Cafe."

"Werden noch zwei, drei Deutsche holen"

Und deshalb geht Seitz auch davon aus, "dass Bobic und Balakow noch zwei, drei Deutsche holen werden."

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille: Natürlich sind in Deutschland ausgebildete Spieler interessant für Bobic und Balakow. Aber warum sollten diese den Weg in die fußballerische Provinz nach Bulgarien finden?

Nach Meinung von Seitz bietet der aufstrebende Verein vor allem für junge deutsche Spieler, die den Sprung in die Bundesliga nicht geschafft haben, eine lukrative Alternative zur Weiterentwicklung: "Und wenn ein junger Spieler dann bei uns den Sprung in die Bundesliga schaffen würde, würden Bobic und Balakow ihm auch keine Steine in den Weg zurück nach Deutschland legen."

Dann lässt sich Seitz die ganzen Vorzüge seines Klubs noch mal durch den Kopf gehen - modernes Stadion, direkt am Schwarzen Meer, Aussicht auf Europa-Pokal, deutsche Ansprechpartner - und kommt zu dem Schluss: "Für deutsche Spieler eine reizvolle Aufgabe."

Die Tabelle der bulgarischen A Grupa