"So eine Politik verstehe ich nicht"

Von Interview: Kevin Bublitz / Mark Heinemann
Kritisiert die Einkaufspolitik englischer Vereine: Dresdens Trainer Ruud Kaiser
© Imago

Dynamo Dresden hat zu Saisonbeginn mit Ruud Kaiser einen Trainer verpflichtet, der sich wie kein anderer im internationalen Nachwuchsbereich auskennt. Als Trainer der niederländischen U-17-Auswahl arbeitete er mit den Topstars zusammen, die heute das Gerüst der Elftal bilden.

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Im Sommer 2006 wechselte er nach England zum FC Chelsea und trainierte dort die A-Jugend. Im SPOX-Interview gibt er Auskunft über die Zukunftsperspektiven von Talenten auf der Insel, sein Verhältnis zu Mourinho und Abramowitsch und beantwortet die Frage, warum sich die holländische Nationalelf keine Sorgen um den Nachwuchs machen muss.

SPOX: Sie haben die A-Jugend des FC Chelsea trainiert. Wie ist die Atmosphäre bei solch einem großen Verein?

Ruud Kaiser: Bei Chelsea herrschen super Bedingungen. Alles ist top organisiert und alles ist möglich.

SPOX: Welche Bedingungen haben Sie dort vorgefunden?

Kaiser: Es gibt dort beispielsweise ein riesiges Trainingszentrum mit zwölf Spielfeldern. Ich hatte mit der A-Jugend immer zwei komplette Felder zur Verfügung und konnte so gezielt und individuell trainieren lassen. Zudem waren die Spieler allesamt sehr talentiert.

SPOX: Aber doch auch nur zusammengekauft.

Kaiser: Ja. Dort tummeln sich Spieler aus der ganzen Welt. Es werden viele verheizt.

SPOX: Wie läuft das ab?

Kaiser: Die Spieler werden irgendwann von Verein zu Verein geschoben. Sie werden dorthin für drei Monate ausgeliehen, dann wieder für sechs Monate woanders hin. Das ist nicht meine Philosophie. Ich muss zugeben, dass wir darüber damals in Chelsea Streit hatten.

SPOX: Das heißt?

Kaiser: Ich habe damals mit der A-Jugend nach neun Spielen 27 Punkte gegen Nachwuchsteams wie Liverpool, Arsenal oder Tottenham geholt. Dann leiht der Verein plötzlich sieben meiner Spieler aus und füllt den Kader mit B-Jugendlichen auf. Die waren aber von ihrer Entwicklung her noch lange nicht so weit. So gehen Mannschaft und Spieler kaputt. Das kann ich mit meiner Philosophie nicht vereinbaren. Darum bin ich ja auch nicht mehr da.

SPOX: Aber können die verliehenen A-Jugendspieler so nicht früh die von Ihnen geforderte Erfahrung in einer ersten Mannschaft sammeln?

Kaiser: Nicht, wenn man sie in die zweite oder dritte englische Liga schickt, um bei Blackpool, Sheffield oder Wolverhampton zu spielen. Jedes Mal, wenn die Spieler zurückkehrten, waren sie nicht besser, sondern schlechter geworden. .

SPOX: Denken Sie dabei an den als israelisches Wunderkind gepriesenen Ben Sahar?

Kaiser: Zum Beispiel. Ben gab 2007 unter Jose Mourinho sein Debüt in der ersten Mannschaft. Inzwischen wurde er viermal ausgeliehen, blickt auf drei Kurzeinsätze in der Premier League zurück, und spielt derzeit bei De Graafschap Doetinchem gegen den Abstieg aus der holländischen Ehrendivision. So wird ein Spieler mental kaputt gemacht.

SPOX: Chelsea betont jetzt aber, mehr auf die eigene Jugend bauen zu wollen, um die enormen Transferkosten für Stareinkäufe zu senken.

Kaiser: Ich weiß nicht, ob sie ihre Philosophie umstellen wollen. Aktuelle Beispiele wie Ben Sahar, Ryan Bertrand oder auch Liam Bridcutt sprechen auch nicht unbedingt dafür.

SPOX: Wie sieht ihr Lösungsvorschlag aus? Schließlich geht es auch um viel Geld.

Kaiser: Geld kann nicht immer nur das Hauptargument sein. Klar ist, dass junge Spieler bei wirklich großen Klubs weniger Chancen auf Einsätze haben. Aber dafür sind die Vereine verantwortlich. Immer nur kaufen, kaufen, kaufen, ist einfach, kann aber auf Dauer nicht der richtige Weg sein. Wenn man beispielsweise mit einem Jungen wie Sahar zwei Jahre lang vernünftig arbeitet, kann er es in die erste Mannschaft schaffen. Das geht einfach nicht in einem Monat.

SPOX: Haben Sie darüber mal mit Jose Mourinho gesprochen?

Kaiser: Ich kenne ihn nicht wirklich gut. Wir haben uns ab und an beim Essen gesehen, dort aber eher Smalltalk geführt. Erst im Nachhinein ist mir bewusst geworden, dass wir nie über unsere Philosophien gesprochen haben. Das ist schade.

SPOX: Haben Sie mehr erwartet?

Kaiser: Er hatte viel mit seiner Mannschaft zu tun. Sein Kontakt zum Reserveteam war sicherlich enger, als zu meiner A-Jugend. Ich hatte eher mit Mourinhos Co-Trainer Steve Clark zu tun. Gut war, dass Spieler wie zum Beispiel William Gallas oder aber Joe Cole und Shaun Wright-Philips bei uns trainiert haben, wenn sie nach Verletzungen Rückstände hatten und die erste Mannschaft international unterwegs war. Das war eine tolle Erfahrung für die jungen Spieler.

SPOX: Mourinho wirkt in der Öffentlichkeit oft arrogant. Ist er so?

Kaiser (lacht): Ich muss ihn da ein wenig vor der Presse schützen. Jose ist sehr freundlich. Vielleicht ein wenig verschlossen, aber immer höflich und sehr respektvoll. Ich kann nicht sagen, dass er arrogant war. Er hat seinen Stil, wie er sich in der Öffentlichkeit gibt. Uns gegenüber war er nie überheblich.

SPOX: Hat Roman Abramowitsch Sie mal auf seine Yacht eingeladen?

Kaiser (lacht): Ich bin nicht auf seiner Yacht gewesen. Das ist schade. Meine Frau hätte die auch gerne mal betreten.

SPOX: Haben Sie ihn denn kennen gelernt?

Kaiser: Ich habe ihm ein paar Mal die Hand geschüttelt. Wir haben uns einige Minuten über die Jugendarbeit unterhalten. Mehr nicht. Aber man merkt schnell, dass er ein bodenständiger und freundlicher Mann ist.

SPOX: Er hat sich also nie eingemischt?

Kaiser: In das Tagesgeschäft nicht, nein. Aber er hat klare Vorstellungen, wo er mit dem FC Chelsea hin will und weiß genau, was im Verein passiert. Schließlich gibt er sein Geld ja nicht einfach so weg. Er ist immer perfekt informiert.

SPOX: Halten Sie den Trend, dass sich immer mehr Wirtschaftsmogule in Fußballvereine einkaufen für bedenklich?

Kaiser: Auch in diesem Fall ist die Philosophie, oder nennen wir es die Herangehensweise, entscheidend. Das Geld muss gut genutzt werden. Es müssen Leute mit langfristigen Zielen sein. Mir stellt sich immer die Frage, was passiert, wenn Roman Abramowitsch an Chelsea oder Sulaiman Al Fahim an Manchester City ihr Interesse verlieren? Solange das Geld fließt, ist das völlig ok, aber wehe wenn nicht.

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