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BVB - "Herr Pieper, bitte": Die Geschichte hinter der skurrilen Stadion-Durchsage bei Borussia Dortmund

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Außer in der Bundesliga wird bei jedem Heimspiel von Borussia Dortmund ein gewisser Herr Pieper per Stadion-Durchsage gesucht. Der kommt der Aufforderung jedoch nie nach. Was steckt dahinter?

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Man kann beinahe die Uhr danach stellen. Nicht auf die Minute genau, der ungefähre Zeitpunkt ist aber immer derselbe. Wenn Borussia Dortmund zu Hause spielt und die Partie rund eine Stunde gelaufen ist, kommt die Durchsage. Seit 1995.

Allerdings: Es darf kein BVB-Heimspiel in der Bundesliga sein. Ist dies gegeben, und nur dann, ertönt folgende Aufforderung: "Herr Pieper, bitte zum Infostand unter der Nordtribüne kommen." Es gibt auch Variationen, manchmal wird zum Eingang des Klub-Museums "Borusseum" oder zu Aufgang 26 gebeten. Immer aber wird ein Herr Pieper ausgerufen.

Dieser Herr Pieper saß in so gut wie allen Fällen auch im Stadion. Nie aber kam er der Bitte nach und wer es mit dem BVB hält, der weiß das eigentlich auch. Denn der stets gesuchte Herr Pieper heißt im echten Leben Gerd mit Vornamen und war bis September 2021 Funktionär bei den Schwarzgelben.

Gerd Pieper ist ein echtes Dortmunder Gesicht. Seit 2003 gehörte Pieper, BVB-Fan seit seiner Kindheit und ab 1983 auch Vereinsmitglied, dem Aufsichtsrat des Vereins an. Ex-Präsident Gerd Niebaum brachte ihn dazu. Ein Jahr später übernahm Pieper den Vorsitz, im November 2008 kam der Posten des Vize-Präsidenten dazu. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bezeichnete ihn nach seinem gesundheitsbedingten Ausscheiden als "grand seigneur".

BVB und Pieper präsentieren: "Diiiiie Zuschauerzahl"

Die Suche nach Herrn Pieper im Stadion hatte aber schon weit vor dem Einstieg des heute 78-Jährigen bei seinem Lieblingsklub ihren Ursprung. Pieper gehörte seit 1969 die von seinen Eltern gegründete und in Herne beheimatete Parfümeriekette "Stadt-Parfümerie Pieper". Vor dreieinhalb Jahren gab er sie in die Hände seiner Söhne, die nun über die mehr als 150 Filialen und über 1100 Mitarbeiter verfügen.

Ab 1990 fungierte Piepers Parfümerie als Sponsor bei der Borussia. Unter Dortmunder Anhängern berühmt ist das Unternehmen deshalb, weil es einzig und allein und immer dann genannt wird, wenn die Durchsage zur Zuschauerzahl erfolgt.

Stets heißt es: "Diiiiie Zuschauerzahl - wie immer präsentiert von der Stadt-Parfümerie Pieper. Sechs Mal in Dortmund und über 150 Mal in Deutschland." Diese beiden Sätze werden mit einem leichten Sing-Sang in der Stimme vorgetragen, der für langjährige Besucher von BVB-Heimspielen so eingängig klingt, dass sie wohl jeder Zweite auswendig vorsagen könnte.

BVB fühlte sich von der UEFA entmachtet im eigenen Stadion

Die Krux ist: Kicken die Westfalen in Champions oder Europa League, im DFB-Pokal oder Supercup, dann dürfen lediglich die Sponsoren der jeweiligen Verbände präsentiert und genannt werden - Stichwort zentrale Vermarktung. Alle anderen Sponsoren müssen unsichtbar gemacht und überklebt werden. Auch die Stadt-Parfümerie Pieper hätte in diesen Partien also ausgedient.

Das war erstmals der Fall in der Saison 1995/96, als der Deutsche Meister aus Dortmund sein Debüt in der Champions League gab. "Wir wurden, noch glückselig von der Meisterschaft, plötzlich damit konfrontiert, dass wir unseren Firmenkunden keine VIP-Tickets mehr zur Verfügung stellen konnten. Das hat bei den uns begleitenden werbetreibenden Unternehmen für Verstimmung gesorgt", erinnert sich der der damalige BVB-Manager Michael Meier im Gespräch mit SPOX und GOAL.

Der Verein fühlte sich angesichts der zahlreichen von der UEFA diktierten Maßnahmen entmachtet im eigenen Stadion. Meier führte daraufhin lange Diskussionen auf den höchsten Ebenen des europäischen Dachverbands und kämpfte gewissermaßen für den regionalen Ansatz. Im Kern verlor er, einen in Dortmund wichtigen Teilerfolg konnte er aber verbuchen.

BVB-Manager Meier und seine gewiefte Idee

"Der Dortmunder ist es gewohnt, auch Dortmunder Bier zu trinken. Dann kamen die plötzlich mit Heineken an und verbannten die örtliche Brauerei aus dem Stadion. Das hat uns als Bierstadt wahnsinnig getroffen und empfand man als Unverschämtheit", erzählt Meier. Ihm gelang ein Kompromiss: An manchen Stellen im Stadion wurde der ungeliebte Gerstensaft ausgeschenkt, an anderen durfte das damals übliche Bier der Dortmunder Actien-Brauerei fließen.

Auch Sponsor Pieper war enttäuscht und der Meinung, dass der Kurs der UEFA ungerecht sei. In seinem Fall kam Meier schließlich auf die gewiefte Idee, den Namen Pieper doch noch zu nennen - indem einfach ein "Herr Pieper" ausgerufen wird, unmittelbar vor Bekanntgabe der Zuschauerzahl. Seitdem ist dies gang und gäbe.

"Er hatte uns auch zuvor in weniger erfolgreichen Zeiten unterstützt. Ich habe ihm gesagt: Es weiß doch eh jeder, dass irgendwann nach der Halbzeit die Zuschauerzahl bekanntgegeben wird, in diesem Fall von der UEFA - und wir rufen dich einfach davor aus. Das sind die Zuschauer gewohnt und du hast deine Werbung, musst aber auch dafür bezahlen", sagt Meier mit einem Schmunzeln.

Fingierte Werbung für Pieper wurde anfangs nicht versteckt

"Das fand ich eine tolle Idee, einen tollen Gag, und habe sofort mitgemacht", sagte Pieper vor Jahren dem Dortmunder Fanzine schwatzgelb.de. Ursprünglich habe man die fingierte Werbung laut Meier auch gar nicht so sehr versteckt, wie es heute der Fall ist. "Anfangs wurde noch der 'Herr Pieper von der Stadt-Parfümerie Pieper' ausgerufen."

Erst nach einigen Jahren sei es der UEFA aufgefallen, dass da vermutlich etwas nicht stimmen könne. "Dann haben wir gesagt: Das ist kalter Kaffee! Wir halten uns an die Norm. Das müssten sie uns erst einmal nachweisen. Und da ihnen das unmöglich war, hat man schließlich darüber hinweggesehen. Heute kann die UEFA sicher darüber lachen", sagt Meier.

Und so wird auch am Donnerstagabend beim Europa-League-Duell mit den Rangers aus Glasgow (18.45 Uhr im LIVETICKER) - dem übrigens 1000. Dortmunder Heimspiel im 1974 eröffneten Westfalenstadion - die Suche nach Herrn Pieper wieder über die Lautsprecher zu hören sein. Ein Ende des Sponsorings steht nicht in Aussicht. Es würde auf Fan-Seite wohl auch einen Sturm der Entrüstung nach sich ziehen.