Hattrick der Hiobsbotschaften für Niclas Füllkrug: Die Situation im Sturm der Nationalmannschaft

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Bundestrainer Julian Nagelsmann hat sich festgelegt: Kai Havertz geht als gesetzter Stürmer in die EM. Dahinter scharren mit Niclas Füllkrug, Deniz Undav und Maximilian Beier drei Spieler mit den Hufen. So stellt sich die Situation im Sturm der deutschen Nationalmannschaft dar.

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In der Karriere von Niclas Füllkrug gab es sicherlich schon bessere Wochen als die vergangenen rund zwei. Der Angreifer von Borussia Dortmund hat so etwas wie einen Hattrick der Hiobsbotschaften hinnehmen müssen: Mit dem BVB unterlag er im Champions-League-Finale Real Madrid, mit dem heiß gehandelten Serhou Guirassy könnte Füllkrug bei den Westfalen bald hochkarätige Konkurrenz erhalten und zuletzt verkündete Bundestrainer Julian Nagelsmann noch, dass er bei der EM zunächst nur auf der Bank Platz nehmen darf.

Kai Havertz ist Nagelsmanns erster Mann für die Sturmspitze. Diese Entscheidung taugt zwar nicht mehr zur Sensation, verblüffend ist sie allerdings mit Blick auf die für Stürmer so wichtigen Zahlen: Füllkrug weist mit elf Treffern in 16 Länderspielen eine überragende Bilanz auf, Havertz hat fast dreimal so viele DFB-Auftritte auf dem Buckel, aber nur fünf Tore mehr erzielt (46 Spiele, 16 Tore). Auch in der soeben abgelaufenen Klub-Saison hat Füllkrug mit 16 Pflichtspieltoren zwei mehr erzielt als sein Konkurrent vom FC Arsenal, der dort jedoch sein bestes Jahr in England spielte.

"Wir haben schon den Anspruch, tief stehende Gegner nicht nur per Kopfball zu besiegen", hatte Nagelsmann gesagt und kund getan, dass er lieber auf den spielstärkeren Havertz setzen möchte anstatt auf einen wuchtigen Vollblutstürmer wie Füllkrug: "Beide kennen ihre Rolle, die Rollenverteilung ist klar. Wenn Kai performt, dann hat er ein bisschen die Nase vorne - aber er muss performen."

In Stein gemeißelt sei diese Rangfolge laut Nagelsmann nicht. "Fülle wird reichlich seine Einsatzzeiten kriegen", versprach der Bundestrainer. Beim EM-Auftaktspiel des DFB-Teams gegen Schottland startet jedoch Havertz. Dies könnte sich gegen die zu erwartende vielbeinige Defensive des Gegners als richtiger Schachzug erweisen, schließlich ist Havertz in seinem Spiel sehr variabel und auch außerhalb des Strafraums wertvoll, um dort mitzuhelfen, das Bollwerk zu knacken. Gerade mit den Technikern Florian Wirtz und Jamal Musiala harmonierte Havertz gut.

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Niclas Füllkrug über Kai Havertz: "Ich wünsche ihm jedes Tor"

Sollte dies über längere Zeit jedoch nicht funktionieren wie gewünscht, stünde mit Füllkrug ein Kopfballspieler bereit, der mit großer Präsenz im Sechzehner bei den Schotten für eine neue Herausforderung in der Verteidigungsarbeit sorgen kann. Füllkrug selbst wählte kürzlich auf der Pressekonferenz erstaunlich offene Worte für seine aktuelle Lage in der Nationalelf.

Es sei ja für Nagelsmann gut, "zwei unterschiedliche Stürmertypen zu haben", betonte er. Daher würden sich auch "wenige Mannschaften darauf freuen, gegen unsere Offensive zu spielen", meinte Füllkrug: "Das ist schon ein besonderes Niveau."

Wenngleich der 31-Jährige eine gewisse Enttäuschung über die Entscheidung Nagelsmanns nicht verbergen konnte, sicherte er Havertz seine "maximale Unterstützung" zu: "Ich wünsche ihm jedes Tor, das er nur machen kann. Weil es uns als Land, als Nation nach vorne bringt."

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Maximilian Beier hat die Lücke zu Deniz Undav verkürzt

Dass Füllkrug genügend Zeit bekommt, sich zu präsentieren und für sich zu werben, steht fest. "Es war seltenst so", sagte er, "dass die Startelf aus dem ersten Spiel das ganze Turnier gespielt hat." Allerdings scharren hinter Füllkrug auf der Bank ja noch zwei weitere Kandidaten mit den Hufen, die je nach Gegner und Spielverlauf vielleicht besser zum Geschehen passen, weil sie gänzlich unterschiedliche Spielertypen verkörpern.

Deniz Undav beispielsweise, der beste deutsche Torschütze der vergangenen Spielzeit (19 Tore). Der strotzt nach einem überragenden Jahr beim VfB Stuttgart vor Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Undav bringt spielerisch eine Prise Havertz mit, hat aber wie Füllkrug als gelernter Stürmer einen größeren Zug zum Tor und verkörpert eine gewisse Schlitzohrigkeit. Allerdings kann er auch etwas zurückgezogener agieren, um im Zehnerraum und den Halbräumen für das Kombinationsspiel eine weitere Option darzustellen oder mit Abschlüssen aus der Distanz für Gefahr zu sorgen.

Der 27-Jährige, der bei der EM seinen erst dritten Länderspieleinsatz folgen lassen wird, hat wie im Duell zwischen Havertz und Füllkrug leicht die Nase vorne gegenüber seinem direkten Konkurrenten. Dies ist der einstige Wackelkandidat Maximilian Beier, dessen sehr starker Kurzeinsatz bei seinem Debüt in Nürnberg gegen die Ukraine die Lücke zu Undav verkleinert hat.

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Havertz, Undav, Beier: Variabilität ist Trumpf

"Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht, ist sehr gut reingekommen, hat drei gute Chancen gehabt", lobte Nagelsmann anschließend und dankte es Beier mit der endgültigen EM-Nominierung. Ähnlich wie bei Undav dürfte auch beim Hoffenheimer die Unbekümmertheit der größte Trumpf sein.

"Ich kenne meine Rolle. Ich soll von der Bank kommen und richtig Stress machen", sagte Beier über sein Aufgabenprofil, das er beim 0:0 vollumfänglich abarbeitete. Nur der Pfosten stand im Weg, sonst hätte der 21-Jährige einen traumhaften ersten Länderspieleinsatz erlebt. Ihm kommt zugute, dass er aufgrund seiner Beidfüßigkeit flexibel einsetzbar ist: "Ich habe das Glück, dass ich Stürmer spielen kann, aber auch rechts oder links."

Diese gewisse Variabilität vereinen alle deutschen Stürmer, Füllkrug bildet da eher die Ausnahme. Der Dortmunder zeigte sich aber zuversichtlich, auch als Mann von der Bank direkten Einfluss auf die Partien nehmen zu können: "Ich habe viele gute Joker-Einsätze in meiner Karriere gehabt. Ich habe bewiesen, dass ich nicht viel Zeit brauche, wenn ich ins Spiel komme. Ich muss mich mit meiner Rolle identifizieren können und doch im Training dafür arbeiten, dass ich mehr Spielzeit bekomme."

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Kai Havertz betont Wichtigkeit von Niclas Füllkrug

Auch Havertz, der acht seiner 16 Länderspieltreffer als Stürmer erzielte, glaubt an Füllkrugs Fähigkeiten als Einwechselspieler: "Auch er wird bei der EM enorm wichtig werden. Da wird das Ego hintenan gestellt."

An der Aufgabe, die Eigeninteressen nicht zu groß und ungesund für das Team werden zu lassen, müssen sich nicht nur die nicht spielenden Stürmer messen lassen. Das gilt für alle Spieler im Kader, um die jeweilige von Nagelsmann angedachte Rolle gänzlich auszufüllen.

Die wichtigste Aufgabe der vier Angreifer ist eine eigentlich deutlich einfachere, mit der es aber in den vergangenen Turnieren und auch zuletzt gegen die Ukraine reichlich haperte: Die Chancen zu verwerten. Gelingt dies Havertz nicht, wird sein Vorsprung schnell schmelzen - dann könnte Füllkrug auch wieder bessere Wochen erleben.

EM 2024, Zeitplan: Daten und Termine

DatumEvent
Freitag, 14. Juni 2024, 21:00 UhrEröffnungsspiel der EM 2024 in München gegen Schottland
Mittwoch, 19. Juni 2024Zweites Gruppenspiel der DFB-Elf in Stuttgart gegen Ungarn
Sonntag, 23. Juni 2024Drittes Gruppenspiel der DFB-Elf in Frankfurt gegen die Schweiz
Samstag, 29. Juni 2024Beginn der Finalrunde in Dortmund
Sonntag, 14. Juli 2024, 21:00 Uhr

Finale der EM 2024 in Berlin

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