Ist Deutschland fit genug?

Von Für SPOX.com bei der EM: Stefan Rommel
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Ascona - Massaya Sakihana ist leicht zu erkennen. Rotes Trikot, schwarze Shorts, rote Stutzen, die immer unten an den Knöcheln hängen.

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Sakihana steht auf dem Trainingsplatz der deutschen Nationalmannschaft in Tenero und scheucht die Spieler vor dem Spiel gegen Portugal (ab 20.30 Uhr im SPOX-TICKER) über den Platz. Immer in einer Fünfergruppe, aber Tag für Tag abwechslungsreich. Sakihana gehört zum Team von Mark Verstegen, der Boulevard nennt ihn einen der "US-Fitness-Gurus", er sich selbst Fitness-Coach.

Neben Sakihana und Verstegen gehören auch Oliver Schmidtlein und Shad Forsythe zum Team. Jürgen Klinsmann hat die drei Amerikaner und Schmidtlein vor vier Jahren installiert.

Erste überlieferte Arbeitsnachweise waren lustige Übungen mit Gummibändern, erste Erfolge zeichneten sich bei der WM vor zwei Jahren ab, als die deutsche Mannschaft zwar nur Dritter wurde, aber immerhin den Titel des fittesten Teams für sich beanspruchen durfte.

Die Amerikaner machten die grundlegendste aller deutschen Tugenden noch besser, noch effizienter. Ein beruhigender Fakt, mit dem die deutsche Mannschaft eigentlich auch ins EM-Turnier in diesem Sommer gehen wollte. Eigentlich.

Kritik von Peters

Denn nach drei zum Teil sehr holprigen Spielen kommen erste Zweifel an der körperlichen Verfassung auf. "Mir fällt auf, dass die Mannschaft nicht so zielstrebig und leidenschaftlich auftritt wie bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren", formulierte es Bernhard Peters in der "Rhein-Neckar-Zeitung". "Ich bin mir nicht sicher, ob in der Vorbereitung alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden."

Verrückt und total sexy: Die Fans bei der Europameisterschaft

Peters war vor zwei Jahren noch Wunschkandidat von Klinsmann für die Stelle des DFB-Sportdirektors. Der Verband zog dem 48-Jährigen aber Matthias Sammer vor. "Wir überprüfen das ja regelmäßig, nehmen Blut. Wir kennen unsere Werte und Daten. Körperlich sind wir in einem Topzustand", sagte zwar Bundestrainer Joachim Löw.

Aber auch Philipp Lahm sprach vor einigen Tagen quasi unbemerkt von verschiedenen Leveln, auf denen sich die Spieler befänden. Dabei gilt die Laufleistung etwa des deutschen Mittelfelds als überdurchschnittlich - im Vergleich zu früheren Turnieren.

Qualitative Laufleistung stimmt nicht

Im Vergleich zu anderen Mannschaften bei der EM aber ist sie nur Durchschnitt. Und in der so genannten qualitativen Laufleistung hinkt Deutschland hinterher. Einfach formuliert geht es dabei um die absolute Geschwindigkeit, oder Höchstgeschwindigkeit, mit der ein Spieler Kontrolle über Körper und Ball hat.

Cristiano Ronaldo zum Beispiel kommt auf ca. 33 Stundenkilometer im Sprint, in der ersten Sekunde legt er bis zu elf Meter zurück. Sein Vereinsteam Manchester United kann durch einen Spieler wie ihn nach dem Ballgewinn am eigenen Strafraum innerhalb von fünf Sekunden zum Torabschluss kommen.

Von solchen Werten kann die DFB-Elf bei dieser EM nur träumen. "Einige der Spieler wirken geradezu behäbig", kritisiert Peters weiter. "Eklatant ist das bei Mario Gomez. Das kann kein Zufall sein."

Frings wirkt nicht fit

Neben Gomez, der offenbar auch noch mit einer Blockade im Kopf zu kämpfen hat, sind konditionelle Defizite auch bei Torsten Frings und immer noch bei Christoph Metzelder unübersehbar.

Routinier Frings, in seiner Rolle als Abräumer vor der Abwehr erfolgreichster Ballklauer im deutschen Spiel, erobert zwar viele Bälle. Sein Abspiel nach erfolgter Laufleistung in der Defensive zeichnet sich bisher aber besonders durch Schlampigkeit aus.

"Ist der erste Pass falsch, ist das Spiel tot", predigt Bundestrainer Joachim Löw seinen Spielern. Das deutsche Spiel war bisher bei dieser EM viel zu oft schon "tot". "In der Defensive wurden zu viele gegnerische Chancen zugelassen. In der Offensive habe ich eine klare Struktur und Aufgaben-Verteilung vermisst", erkannte Peters.

Klarer Nachteil für Deutschland

Körperliche Fitness beinhaltet ja nicht nur das tumbe Laufen, sondern ist die Grundlage für alles: Für Zweikampfverhalten, bei Ballbesitz, beim Spiel ohne Ball, für Passgenauigkeit und -härte, Verschiebebewegungen im Zentrum, den konzentrierten Torabschluss.

Im Spiel gegen Portugal gilt es rund 7000 Quadratmeter Spielfläche so abzudecken, dass die elf flinken Portugiesen nicht zu oft zu ihrem Tempospiel finden können.

Klarer Nachteil: Die deutsche Mannschaft musste im Spiel gegen Österreich mit der ersten Elf an die Grenze gehen und hatte seit Montag nur drei Tage der Regeneration.

Die Portugiesen dagegen schonten als sicherer Gruppensieger gegen die Schweiz acht Stammspieler. Trainer Luiz Felipe Scolari fand in den letzten Tagen sogar Zeit, seinem Superstar Ronaldo ein persönlich zugeschnittenes Trainingsprogramm zu gönnen.

"Er hat einen eigenen Trainingsplan, der passt nicht zum Mannschaftstraining. Er ist jedoch topfit", heißt es aus dem Quartier der Portugiesen. Hoffnung macht das nicht.

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