EM

So will England Europameister werden

Von Daniel Börlein
Drei Köpfe der englischen Nationalmannschaft: Steven Gerrard, Wayne Rooney und John Terry (v.l.)
© Getty
Cookie-Einstellungen

Das Spiel gegen den Ball

Im Spiel gegen den Ball gibt es längst verschiedene Ansätze, die erfolgreiche Top-Mannschaften praktizieren. Während beispielsweise Spanien bei den Nationalmannschaften oder Borussia Dortmund in der Bundesliga auf aggressives Pressing und sofortiges Gegenpressing nach Ballverlust setzen, bevorzugt England ein anderes Defensivkonzept.

Auf das klassische Pressing wird dabei in der Regel verzichtet, Gegenpressing findet nur in ganz seltenen Fällen statt. Für die Three Lions gilt stattdessen: Nur dort, wo eine vielversprechend hohe Wahrscheinlichkeit eines Ballgewinns vorhanden scheint, wird intensiv gegen den Ball gearbeitet und Kraft in die Balleroberung investiert.

Ist das nicht der Fall, lässt man den Gegner zunächst agieren und beschränkt sich aufs Verschieben. Allerdings nur auf den ersten Blick. Das Ziel der Engländer: Durch gezieltes Anlaufverhalten, geschicktes Positionsspiel und geordnetes Raumverhalten soll der Ball dorthin "gelockt" werden, wo die Aussicht auf Ballgewinn und ein anschließend möglichst erfolgreiches Umschaltspiel am höchsten ist. Im Normfall ist das der Bereich im Zentrum, einige Meter vor oder hinter (abhängig von der Qualität des Gegners) der Mittellinie.

Bei gegnerischen Ballbesitz in der Abwehr sieht dies dann wie folgt aus: Der englische Mittelstürmer betreibt leichtes Forechecking und läuft den ballführenden Innenverteidiger möglichst so an, dass der Passweg zum anderen Innenverteidiger sowie zum ballferneren Außenverteidiger zugestellt ist.

Der zentral-offensive Mittelfeldspieler oder der Flügelspieler übt gleichzeitig leichten Druck auf den ballnahen Außenverteidiger aus. Bekommt dieser den Ball, wird der Druck etwas erhöht, während gleichzeitig der englische Mittelstürmer den Rückpassweg zur Innenverteidigung zuläuft.

Für den gegnerischen Abwehrspieler (ob nun AV oder IV) bleiben so nur die Möglichkeiten des langen Balles oder Rückpasses auf den Keeper (risikoloseste Lösung), eines Dribblings (keine Absicherung bei Ballverlust) oder des Passes ins Zentrum auf einen zentralen Mittelfeldspieler. Diese Option bietet England seinem Gegner durch das Anlaufen seiner Offensivkräfte immer wieder an und versucht ihn so, in eine vermeintliche Falle zu locken.

Denn: Wird ein gegnerischer Spieler in der Zentrale angespielt, bekommt er sofort Druck von einem Engländer und nach Möglichkeit aus einer zweiten Richtung durch einen weiteren englischen Spieler. Gleichzeitig blockiert der Mittelstürmer den Passweg zur Innenverteidigung.

Erobert England nun den Ball, hat man alle Möglichkeiten fürs Umschaltspiel. In der Regel geht zumindest einer der Außenbahnspieler nach Ballgewinn sofort in die Tiefe und ist damit die erste Option für den schnellen Gegenstoß. Ist der nicht möglich, wird häufig der eigene Zehner gesucht, der in den Ball gehen und ihn festmachen soll, um den Außenbahnspieler so die nötige Zeit zu verschaffen, das Spielfeld möglichst groß zu machen und Raumgewinn zu erzielen.

Was auffällt: Kombiniert sich der Gegner etwas tiefer in die englische Hälfte, verlässt der ballnahe Außenverteidiger Englands gerne seinen Platz in der Viererkette und setzt einen gegnerischen, im Halbfeld postierten, Mittelfeldspieler unter Druck, allerdings nur, wenn der mit dem Rücken zum englischen Tor steht.

Der Rest der Viererkette hält dagegen seine (tiefe) Position und wartet darauf, dass der Außenverteidiger an seinen Platz zurückkehrt (siehe Bild 5 bis 8).

Teil 1: Die Grundordnung

Teil 2: Die Spieleröffnung

Teil 3: Die Offensiv-Idee

Teil 5: Die Besonderheiten