EM

Rendezvous ohne Schmerzen

SID
Samir Nasris (r.) Torjubel beinhaltete eine unmissverständliche Aufforderung
© spox

Die beiden Trainer waren sich hinterher verdächtig einig. Diese unmenschliche Hitze, ja, die sei zu großen Teilen dafür verantwortlich gewesen, dass die knapp 49.000 Zuschauer in der Donbass Arena kein besseres Spiel zu sehen bekommen hätten. Nicht zu vergessen der gegenseitige Respekt.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Roy Hodgson, England, und Laurent Blanc, Frankreich, erhoben schließlich noch jeweils das Team des anderen zum Topfavoriten in der Gruppe D. Und dann schieden die alten Feinde nach diesem seltsam harmonischen Abend voneinander. Je ein Tor hatte jeder dem anderen zugestanden.

Ein unter dem Strich enttäuschendes Spiel zwischen diesen beiden großen Fußballnationen hatte wenig Aufschluss über deren wahre Stärke gegeben.

Zwar bestätigte sich einiges von dem, was man vorher befürchten musste: Dass Frankreichs Innenverteidiger nicht sonderlich belastbar und die Franzosen ihre Schwäche bei Standards noch immer nicht losgeworden sind.

Oder dass England tatsächlich spielt wie Chelsea. Nur weniger erfolgreich, bislang. Aber noch mehr Fragen blieben offen.

Hodgson: Kein Ärger

"Die Herangehensweise beider Mannschaften war durchweg gut. Es gab keinen Ärger", sagte Hodgson. Und genau darin lag eines der Hauptprobleme. Auch für die Zuschauer. Keiner wollte dem anderen wehtun in diesem nur äußerlich hitzigen Auftaktspiel, das ein Rendezvous ohne Schmerzen war.

Es wurde kaum ernsthaft Foul gespielt. Eine noble Einstellung, sicherlich, aber auch eine, die eine Annahme verriet, die sich rächen könnte: Nämlich dass der Gegner vom Montag der stärkste Konkurrent in der Gruppe ist, und daher ein Remis nicht schaden konnte.

"Das erste Spiel nicht zu verlieren, ist sehr wichtig", sagte Hodgson entsprechend. Gastgeber Ukraine aber hat nach dem anschließenden 2:1-Sieg gegen Schweden nun schon mal zwei Punkte mehr als England - und als Frankreich, das am Freitag dann doch besser gewinnen sollte gegen Schewtschenko und Co., wenn es was werden soll mit dem angestrebten Viertelfinaleinzug.

"Das gewisse Extra finden"

"Es ist leichter zu verteidigen als anzugreifen, wenn es heiß ist", moserte Blanc dann auch noch ein bisschen in Richtung England, das sich speziell in der zweiten Hälfte mit einer doppelten Viererkette am Strafraum verschanzte.

"In der Offensive muss man das gewisse Extra finden." Das gelang den Franzosen in der ostukrainischen Schwüle nicht. Hodgson sagte diplomatisch: "Die Bedingungen waren für beide schwierig."

Doch auch positive Geschichten schrieb dieses Spiel. Joleon Lescott köpfte sein erstes Länderspieltor, wozu ihm sein ehemaliger Klubkamerad bei Manchester City, Jerome Boateng, alsbald per Twitter gratulierte: "Großartiger Kopfball, mein Freund."

Ebenfalls beachtlich: Der EM-Einstand von Alex Oxlade-Chamberlain, 18 Jahre alt, auf der linken Außenbahn. "Ich habe ihm einfach gesagt, er solle sich nicht zu viele Sorgen um den heutigen Abend machen, denn er wird noch viele Gelegenheiten haben, im englischen Trikot zu glänzen", sagte Hodgson väterlich.

Torschütze Nasri grüßt Journalisten: "Mund halten"

Und Samir Nasri löste sein Problem mit einem Teil der französischen Presselandschaft auf denkbar beste Art - mit einem ebenso trockenen wie erfolgreichen Schuss ins kurze Toreck. Die "Mund-halten"-Geste, die er danach vorführte, war an einen besonders kritischen Journalisten von "L'Equipe" gerichtet, wie Nasri hinterher freimütig aufklärte. Blanc wollte sich dazu lieber nicht äußern.

Das Fazit des Tages, für das es, anders als für den "Man of the Match" (Nasri), leider keine Trophäe gibt, kam auch vom französischen Chefcoach: "Wir waren gut genug, dieses Spiel nicht zu verlieren, aber nicht gut genug, es zu gewinnen." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Frankreich - England: Daten zum Spiel