EM

Spanien entgeht dem Donnerhall

SID
Joachim Löw und Hansi Flick scouteten schon mal die Konkurrenz
© Getty

Jesus Navas rettete sich auf den allerletzten Drücker. Keine Sekunde, nachdem der spanische Siegtorschütze um exakt 23.35 Uhr am Montagabend in den Mannschaftsbus gesprungen war, tat es vor dem Stadion in Danzig einen Donner, als gehe die Welt unter. Der Blitz schlug in den nahe gelegenen Übertragungsmasten ein, die Feuerwehr kam, aber der Welt- und Europameister war in Sicherheit.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Gerade so hatten sie es geschafft - wie zuvor schon auf dem Feld, beim wenig überzeugenden 1:0 (0:0) gegen die ausgeschiedenen Kroaten.

"Das war noch nicht das Finale", stellte Spaniens Kapitän Iker Casillas treffend fest. Trainer Vicente del Bosque sprach mit ernster Miene vom "erreichten Ziel. Aber wenn wir das Turnier gewinnen wollen, brauchen wir auch etwas Glück." Den insgesamt sechsten Einzug in ein EM-Viertelfinale hatte die Seleccion nicht im Stile eines Titelverteidigers erspielt, sondern in einer Zitterpartie erkämpft.

So wagte Torschütze Navas im Regen von Danzig als einer der Wenigen den Blick in die Ferne. "Wir haben gewonnen, wir haben drei Punkte und sind Erster der Gruppe", sagte der 26-Jährige: "Jetzt wollen wir auch ins Finale."

Löw muss keine Angst haben

Bundestrainer Joachim Löw dürfte nicht sonderlich beeindruckt haben, was er und 39.076 Zuschauer in der stickigen Arena von Danzig geboten bekamen. Dominanz? Ja. Gefahr? Nein.

"Wir hatten nicht die Genauigkeit und die Intensität, die wir sonst gewöhnt waren", sagte auch del Bosque. Ein Tor der stark verteidigenden Kroaten - und nach dem Vize-Weltmeister Holland hätte auch der Weltmeister die Heimreise antreten können.

"Wer Deutschland gegen Dänemark gesehen hat - das war auch nicht perfekt", stichelte Casillas. Trotzdem hat Löws Team, das einzige mit drei Siegen in der Vorrunde, den Spaniern vorerst die Favoritenrolle abgenommen.

"Es ist ein Kampf"

"Ich sehe Spanien nicht als zu großen Favoriten, vielleicht haben andere Teams mehr Tempo und Hunger", sagte Kroatiens Trainer Slaven Bilic. Zum Showdown zwischen den beiden Gruppenersten Spanien und Deutschland kann es nun allerdings frühestens am 1. Juli in Kiew kommen - im Finale.

"Deutschland hat neun Punkte, wir sieben. Es ist ein Kampf", sagte del Bosque. Spanien droht im Viertelfinale am Samstag in Donezk aber schon ein anderes Kaliber als den Deutschen am Freitag mit Griechenland. Und die kroatische Mannschaft hat den kommenden Gegnern eine Demonstration gegeben, wie "Tiki-Taka" zu stoppen ist.

Schnell attackieren, wenig Räume im Mittelfeld - dann kann das spanische Kombinationsspiel sich nicht wirklich entfalten. Der entscheidende Stich gelang Cesc Fabregas zwei Minuten vor Schluss mit einem Lupfer auf "Man of the match" Andres Iniesta, der quer legte zum Torschützen Navas - nach einem Konter.

Casillas sei Dank: "Dankbar, dass wir ihn haben"

Zuvor hätte ein Kopfball des ehemaligen Schalkers Ivan Rakitic den Spaniern schon fast den K.o. versetzt. Ein grandioser Reflex von Casillas verhinderte das Desaster. "Wir sind sehr dankbar, dass wir ihn haben", sagte del Bosque über den starken Rückhalt der anfälligen spanischen Hintermannschaft.

"Ich hätte Casillas in den Hintern treten und mich selbst ohrfeigen können", sagte Pechvogel Rakitic, da allerdings schon wieder lachend.

Überhaupt verließen die Kroaten die EM-Bühne am Dienstag erhobenen Hauptes. "Meine Spieler waren großartig, sie haben jedes Spiel stark gespielt", sagte Bilic auf seiner letzten Pressekonferenz als kroatischer Nationaltrainer. "Spanien ist eben Spanien", fügte der ehemalige Bayern-Spieler Daniel Pranjic hinzu. Auch wenn Spanien noch lange nicht das Spanien ist, das es sein will.

Nicht immer Spektakel

"Wir waren nicht schlecht, aber auch noch nicht richtig gut", sagte Casillas und gab zu: "Die Leute vergessen, dass auch wir in so einer Situation mal nervös werden." Auch der glücklose Stürmer Fernando Torres appellierte: "Alle erwarten immer ein Spektakel. Das geht eben nicht."

Spaniens steiniger Weg in Richtung Finale führte am Montag durch ein Gewitter von Danzig. "Mamma mia, wie es regnet. Es scheint, als geht die Welt unter", twitterte Mittelfeldspieler Javi Martinez noch von der Rückfahrt nach Gnewin. Er war aber wohl froh, nichts über den eigenen Untergang schreiben zu müssen.

Das Viertelfinale im Überblick

Artikel und Videos zum Thema