EM

Eine Tracht Prügel und ihre Folgen...

Von Bastian Strobl
Alexander Kerschakow (M.) erzielte beim 3:0-Erfolg über Italien einen Treffer
© Getty

Vom 8. Juni bis zum 1. Juli steigt in Polen und der Ukraine die 14. Fußball-Europameisterschaft. Zum letzten Mal vor der Aufstockung auf 24 Mannschaften spielen die besten 16 Mannschaften Europas in 4 Gruppen um den Titel. SPOX stellt die EM-Teilnehmer vor. Heute: Russland.

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Land: Russland

Einwohner: 142,9 Millionen

Aktive Spieler: 5,9 Millionen

EM-Teilnahmen (Russland): 4

EM-Teilnahmen (UdSSR): 6

Größter EM-Erfolg (Russland): Halbfinale 2008 (Niederlage gegen Spanien)

Größter EM-Erfolg (UdSSR): Europameister 1960 (Finalsieg gegen Jugoslawien)

Hier geht's zu Russlands EM-Gruppe A

Der Star: Roman Schirokow. Den Fußball-Fans im Westen Europas mag ein Arschawin, ein Pawljutschenko oder ein Pogrebnjak bekannter sein. Doch es ist Schirokow, der aus russischer Sicht dem Tunier den Stempel aufdrücken kann. Bereits 2008 bescheinigte Advocaat, der damals mit Zenit St. Petersburg Meister und UEFA-Cup-Sieger wurde, seinem einstigen Schützling eine große Zukunft: "Eines Tages kann Roman Schirokow der beste Verteidiger Russlands werden." Doch Schirokow wollte vielmehr der beste Mittelfeldspieler werden. Mittlerweile kann man sagen: Er hat Wort gehalten. Zusammen mit Syrjanow und Denissow bildet er eine interessante Dreifach-Sechs bei der EM. Doch er ist nicht nur Organisator und Taktgeber, sondern auch Torschütze: Mit fünf Treffern in einer Champions-League-Saison stellte er in diesem Jahr den russischen Rekord ein. Auch Italien bekam bei der 0:3-Niederlage seine Durchschlagskraft (zwei Tore) zu spüren. Die wilden Zeiten, als er einen Beinbruch vortäuschte und Alkoholexzesse an der Tagesordnung waren, scheinen endgültig der Vergangenheit anzugehören.

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Der Trainer: Dick Advocaat. Ganz egal, wie die EM für Russland ausgeht - die Zukunft von Advocaat ist bereits beschlossene Sache. Er verlässt die Sbornaja nach dem Turnier und geht zurück nach Eindhoven. Der Grund sind Unstimmigkeiten mit dem Verband. Von "Lame Duck"-Vorwürfen hält der kleine General aber gar nichts. "Ich bin mir sicher, dass diese Neuigkeiten die Vorbereitungen nicht beeinflussen werden. Wir werden alles geben, um eine gute Leistung abzuliefern", so Advocaat Anfang Mai. Übrigens: In den 80er Jahren führte er mal einen kleinen Amateurverein in der Nähe von Rotterdam zu 67 Siegen in Folge. Zum EM-Titel wären es "nur" sechs.

Der Kapitän: Andrej Arschawin. Der modische Faulpelz, wie die "FAZ" zuletzt titelte. Was kaum jemand weiß: Der Russe besitzt tatsächlich ein Diplom in Modedesign. Er wollte als einziger Mann in den Kursen viele Studentinnen kennenlernen, gab er einmal schmunzelnd zu. Doch damit nicht genug: In seinem Buch "555 Fragen und Antworten über Frauen, Geld, Politik und Fußball" befürwortete er, allen Frauen den Führerschein zu entziehen. Das ist die eine Seite des Andrej Sergejewitsch Arschawin. Die andere Seite zeigte er einst beim 4:4 des FC Arsenal gegen Liverpool, als er alle Tore für die Gunners erzielte. So gut sollte der Russe in London nie mehr sein. Mitte Februar brach er seine Zelte an der Themse ab und kehrte zurück nach St. Petersburg. Dort blüht er wieder auf. In der Nationalmannschaft wartet man aber bislang vergeblich auf den alten Arschawin. In den letzten dreieinhalb Jahren schoss er für die Sbornaja nur zwei mickrige Tore.

Der Spieler im Fokus: Alan Dsagojew. Geschichten wie die des mittlerweile 21-Jährigen wurden schon dutzendfach erzählt. Ein Wunderkind, mit Lob überschüttet, zu jung verehrt. Nachdem er 2008 auch international erstmals für Aufsehen sorgte, sollte Dsagojew den Russen eine goldene Zukunft bescheren. Schon bald gab es Gerüchte über Real Madrid, Milan und Juve. In den Jahren darauf konnte er aber die Erwartungen nur selten erfüllen. Bei ZSKA musste Dsagojew um seinen Stammplatz zittern und sollte nach einem Konflikt mit dem Trainer sogar abgeschoben werden. Auch in der Nationalmannschaft wuchs die Kritik, vor allem an seinem Defensivverhalten. Sein Talent bleibt jedoch unbestritten. Vielleicht geht sein Stern in Polen und der Ukraine endgültig auf.

Die Wunschelf (4-3-3): Akinfeew (Malafeew) - Anjukow, Ignaschewitsch, Scharonow, Schirkow - Syrjanow, Schirokow, Denissow - Dsagojew, Arschawin, Kerschakow

Die Prognose: Russland hat ein Problem. Denn mit dem klaren Erfolg über Italien sind die Erwartungen der Anhänger in ungeahnte Höhen geschossen. Gar vom Geheimfavoriten ist die Rede. Sehr zum Missfallen von Advocaat: "Wir sollten realistisch bleiben, es war nur ein Testspiel. Auch wenn es eine Tracht Prügel für Italien war, macht uns das nicht zum EM-Favoriten." Understatement oder Realität? Es wird wohl eine Mischung von beidem sein. Zumindest die Vorrunde sollte für seine Truppe keine allzu große Hürde darstellen. Einzig Gastgeber Polen könnte in den Gruppenspielen zum Stolperstein werden. Im Viertelfinale würde dann allerdings ein Kracher warten. Der vermeintliche Gegner: Deutschland oder die Niederlande.

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