EM

Blanc: Masterplan mit wahren Franzosen

SID
Laurent Blanc ist seit 2010 französischer Nationaltrainer. Vorher trainierte er Girondins Bordeaux
© Getty

Laurent Blanc ist in einem Interview mit dem "Spiegel" hart mit dem französischen Fußball-Nachwuchs ins Gericht gegangen. Der Nationaltrainer will außerdem die Ausbildungsstrategie neu ausrichten.

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"Wir haben mit unserer nationalen Identität im Augenblick gravierende Probleme", sagte Laurent Blanc. Man bilde junge Spieler aus, die sich dann plötzlich entscheiden, für Tunesien oder Algerien zu spielen: "Ich will unseren jungen Spielern vermitteln, dass Frankreich ihr Land ist und der französische Nationalkader ihr Platz."

Zumindest mit seinem aktuellen Kader ist Blanc auf einem guten Weg. Nach dem überzeugenden Sieg gegen Rumänien führen die Blauen die Gruppe D an und stehen gegen Luxemburg am Dienstag in Metz vor einer leichten Aufgabe.

An der Qualifikation für die EM in Polen und der Ukraine zweifelt Blanc deshalb nicht. "Es ist unsere Pflicht. Und wir werden es schaffen", sagte der Weltmeister von 1998.

Blanc: "System von Grund auf überdenken"

Geht es allerdings um das Ausbildungskonzept des Verbandes, stehen tiefe Sorgenfalten auf Blancs Stirn. Das nach dem WM-Titel 1998 weltweit bewunderte Fördermodell mit Fußballschulen im ganzen Land und dem Leistungszentrum in Clairefontaine sieht Blanc nicht mehr auf der Höhe der Zeit. "Nun haben wir allen Anlass, unser System von Grund auf neu zu überdenken", sagte der einstige Abwehrchef der Nationalmannschaft.

Dabei gehe es auch um politische Dinge, um die nationale Kultur und infolge dessen um den Bedeutungsverlust der Nationalmannschaft.

"Es ist unter jungen Spielern heute schick, allgemeines Desinteresse an allem zur Schau zu stellen. Es gilt als cool, alles irgendwie egal zu finden, selbst die Nationalelf", sagte Blanc. Er wolle den Spielern vermitteln, dass der Fußball vielleicht die einzige Chance ist, es im Leben zu etwas zu bringen.

Neuer Teamgeist soll Unterschied machen

Blanc will einen Teamgeist entfachen, wie er ihn beim WM-Triumph als Spieler selbst erlebt hat. Die damalige Mannschaft galt als Prototyp eines multikulturellen Teams.

"Der entscheidende Unterschied ist, dass wir damals alle Franzosen waren und uns auch so fühlten", sagte Blanc. Das habe sich in den vergangenen zehn Jahren geändert.

Er brauche Spieler, die sich mit dem Land und der Mannschaft identifizieren, die wissen, wo sie hingehören: "Ich akzeptiere, wenn sich jemand anders entscheidet. Aber Klarheit muss sein."

Keine Persönlichkeiten mehr im Team

Die französische Mannschaft sieht Blanc gerade in der Lücke zwischen zwei Generationen. Ihm fehlen vor allem die Führungsspieler. "Wir hatten in unseren Reihen mehr echte Persönlichkeiten. Große Sportler sind in der Regel auch große Persönlichkeiten", meinte Blanc. Ein Sportler, der im Herzen klein bleibe, könne es zu nichts bringen.

Die fehlende Reife vieler Spieler macht Blanc auch für den WM-Skandal in Südafrika verantwortlich, in dessen Verlauf Stürmer Nicolas Anelka wegen übler Beleidigungen gegen den damaligen Trainer Raymond Domenech ausgeschlossen wurde: "Sie haben gemeint, sich mit einem Spieler solidarisch erklären zu müssen, und darüber haben sie die Interessen der Mannschaft vergessen. Ein desaströser Irrtum."

Nur Platz 27 in der Weltrangliste

Blanc verfolgte die Ereignisse am Kap der guten Hoffnung in der Heimat vor dem Fernseher: "Ich habe mich gefragt, ob ich wache oder träume. Es war ein Albtraum. Je länger ich zugeschaut habe, desto wütender wurde ich."

Seinen Vertrag hatte Blanc da schon unterschrieben, er musste den Scherbenhaufen wohl oder übel zusammenkehren. Mit seinem Team, das in der Weltrangliste nur auf Platz 27 steht, geht er dabei knallhart ins Gericht: "Wir müssen das zur Kenntnis nehmen, auch wenn es schmerzt. Die Platzierung spiegelt die Wirklichkeit."

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