"Plötzlich konnte ich Bus und Bahn benutzen"

Von Interview: Jochen Tittmar
Manfred Starke absolvierte bislang 5 Partien in der 2. und 6 Partien in der 3. Liga
© getty

Manfred Starke spielt beim FC Hansa Rostock in der 3. Liga - an sich nichts Außergewöhnliches. Doch obwohl sein Name sehr deutsch klingt, ist Starke in Namibia geboren und läuft für die dortige Nationalmannschaft auf. Im Interview spricht der 22-Jährige über seinen Einsatz bei der Faustball-Weltmeisterschaft, die Unterschiede zwischen seinem Heimatland und Deutschland und seine Sympathie für den VfB Stuttgart.

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SPOX: Herr Starke, Sie sind in Windhoek in Namibia geboren, spielen für die dortige Nationalmannschaft und in der 3. Liga bei Hansa Rostock. Mit sieben Jahren haben Sie angefangen, Fußball zu spielen. Wie kann man sich das in Namibia vorstellen?

Manfred Starke: Es ist ein großer Unterschied im Vergleich zu dem, was man aus Deutschland kennt. Die Jugendtrainer sind nicht ausgebildet, meistens machen das die Väter von irgendwelchen Spielern. Ich hatte das Glück, das bei mir mein Vater der Coach war und der hat einen B-Schein. Er hat also schon ein bisschen Ahnung (lacht). Wir trainierten zweimal die Woche. Damals ist man noch für seine Schule und nicht für eine Mannschaft aus einem bestimmten Ort aufgelaufen. Bus und Bahn hatten wir nicht, meine Eltern mussten mich daher zur Schule und zum Training bringen.

SPOX: Statt Verein gegen Verein bestand der Wettbewerb also aus Schule gegen Schule?

Starke: Ja. Einmal im Jahr musste jede Schule ein Turnier austragen. Dazu gab es auch eine Art Liga, da haben sich Schulen aus der Umgebung von Windhoek duelliert. So sind dann genügend Spiele zusammengekommen sind. Was die Plätze angeht, ist es eigentlich nicht so "schlimm", wie man es vielleicht vermutet. Es gab schon grüne Rasenflächen, aber auch mal Spiele auf Sand.

SPOX: Mit elf Jahren versuchten Sie sich auch im Faustball. Wie kam's dazu?

Starke: Der Vater eines Kumpels ist ein totaler Faustball-Freak. Er hat uns den Sport näher gebracht und ein paar Mal zu Spielen mitgenommen. Wir waren dann recht schnell eine Truppe von fünf Kumpels - man spielt das ja zu fünft - und sind dran geblieben und haben oft gezockt. Die spielen das noch bis heute, für die Deutschen ist die Sportart dort eine große Nummer. Die Einheimischen konzentrieren sich eher auf Fußball, Rugby und Cricket. Es ist typisch für Namibia, dass man nicht nur eine Sportart ausübt. Ich habe nebenher auch noch Tennis, Volley- und Faustball gespielt.

SPOX: Sie waren im Januar 2009 sogar für die namibische Faustballnationalmannschaft bei der U-18-WM in Ihrem Heimatland nominiert - obwohl Sie sich da schon längst auf den Fußball fixiert hatten.

Starke: Ich bin früher immer im Dezember nach Hause geflogen, von daher hat schon einmal der Zeitpunkt gut gepasst. Das Interesse vom Verband bestand deshalb, weil ich eben ein wenig talentiert war und man mich dann einfach mal testen wollte. Ich habe daraufhin ein paar Trainingseinheiten mitgemacht. Ich war zwar aus der Übung, da ich nur jedes halbe Jahr gespielt habe, bin aber wieder gut reingekommen und wurde letztlich nominiert. Hansa hat mir das auch erlaubt, die Verletzungsgefahr ist ja eher minimal.

SPOX: Wie ging's aus?

Starke: Wir wurden leider Letzter (lacht).

SPOX: In Rostock landeten Sie 2004. Mit 13 Jahren sind Sie übergesiedelt und zogen ins Internat von Hansa. Ex-Hansa-Coach Heinz Werner spielte dabei eine entscheidende Rolle.

Starke: Heinz Werner hat damals Trainerfortbildungen geleitet und war zu diesem Zeitpunkt in Namibia. Mein Vater hat daran teilgenommen. Eines Tages brauchten sie eine Gruppe von Jugendlichen, die etwas am Ball vorführen. Da war ich mit dabei. Herr Werner ist dann mit meinem Vater ins Gespräch gekommen und wollte wissen, ob ich nicht den Sprung nach Deutschland wagen möchte.

SPOX: Sie haben nicht verneint, sind aber erst bei Union Berlin gelandet.

Starke: Genau. Union wollte mich auch haben, aber es gab dort kein Internat. Hansa hatte sich dann auch gemeldet. Wegen des vorhandenen Internats wurde die Sache recht schnell konkret.

SPOX: Wie lange mussten Sie überlegen, das war damals ja ein einschneidender Schritt in Ihrem Leben?

Starke: Das stimmt, aber es ging Schritt für Schritt und nicht total abrupt. Ich war drei Wochen in Berlin und bin dann wieder nach Hause geflogen. Dann wurde sich intensiv innerhalb der Familie beraten. Es war mein Traum, Fußballprofi zu werden. Ich wollte unbedingt nach Deutschland und meine Eltern wollte es mir nicht verbieten.

SPOX: Wie ungewohnt war für Sie die Anfangszeit im Internat?

Starke: Es war natürlich für beide Seiten sehr hart, mittlerweile ist es das nur noch für meine Eltern (lacht). Es war von Grund auf etwas völlig anderes, nicht nur deshalb, weil ich plötzlich Bus und Bahn benutzen konnte, um zur Schule zu gelangen. Ich habe aber schnell Gefallen daran gefunden und sofort Fuß gefasst, da ich viel mit den Kollegen aus dem Internat zusammen war. Das hat das Heimweh überspielt.

SPOX: Was haben Sie aus Namibia am meisten vermisst?

Starke: Dasselbe wie heute: das Wetter. Winter in Namibia bedeutet, dass es bis zu 20 Grad warm werden kann. Ich packe das daher bis heute nicht, wenn hier wochenlang Minustemperaturen herrschen.

SPOX: Im Sommer 2006 mussten Sie einen Umweg zum Vorortklub FSV Bentwisch gehen, da Sie Ihren Platz im Internat aufgrund mangelnder sportlicher Perspektive räumen mussten.

Starke: Mir wurde mitgeteilt, dass es von der Leistung her nicht reicht. Somit gab es keinen Internatsplatz mehr für mich. Ich musste mich umschauen und bin dann in der Umgebung in Bentwisch gelandet. Das frühe Training habe ich aber weiterhin bei Hansa absolviert, da ich auch auf derselben Schule blieb. Ich habe bei einer Gastfamilie in Rostock gewohnt und war somit nicht raus aus der Welt.

SPOX: Als Sie wieder zu Hansa zurückkehrten, durchliefen Sie die restlichen Jugendteams und gewannen mit der U 19 die deutsche Meisterschaft. In der ersten Mannschaft konnten Sie sich seitdem aber nicht fest etablieren, es bleibt bislang bei Kurzeinsätzen.

Starke: Momentan ist es schwer für mich. Mehr als mich im Training anbieten kann ich nicht. Ich warte auf meine Chance und die sollte ich dann tunlichst nutzen. Mein Vertrag läuft am Saisonende aus, aber ich gebe nicht auf.

SPOX: In die namibische Nationalmannschaft - nun im Fußball - haben Sie es aber schon geschafft: Im Oktober 2012 kamen Sie beim 0:0 gegen Ruanda zu Ihrem ersten Länderspieleinsatz. Das dürfte das Highlight Ihrer bisherigen Karriere gewesen sein, oder?

Starke: Klar, das war ein richtig geiles Erlebnis. Ich hatte schon zuvor eine Einladung bekommen, war damals aber an der Schulter verletzt und musste absagen. Der Kontakt blieb aber bestehen, der Verband sprach häufig meinen Vater an, wie es denn bei mir aussehe. Wir hätten das Spiel übrigens deutlich gewinnen müssen (lacht).

SPOX: Wie professionell war denn der Kick?

Starke: Es ist schon eine komplett andere Art des Fußballs. Weniger Taktik, mehr Physis und Kick and Rush. Dazu ein sehr holpriger Platz. Es gibt schon auch ein paar richtig gute Kicker, die meisten sind nur Halbprofis, die nebenher noch arbeiten.

SPOX: Wie ist es denn um die Organisation im namibischen Fußball bestellt?

Starke: Das ist ein Manko und das übliche afrikanische Problem. Da beginnt dann auch mal die Liga ein paar Wochen später als angekündigt. Infrastrukturell steckt das alles noch in den Kinderschuhen. Es gibt zwar ein, zwei ordentliche Stadien, der Großteil ist aber doch ziemlich marode. Steht mal ein Highlightspiel an, dann kommen so ungefähr 3000 Zuschauer.

SPOX: Sie sind Sympathisant des VfB Stuttgart, Ihre Heimat bleibt aber Namibia. Was müsste denn passieren, damit Sie Deutschland einmal als Ihre Heimat ansehen?

Starke: Das wird wohl nie passieren. Heimat ist dort, wo man geboren ist und die Eltern leben. So fühle ich das jedenfalls.

SPOX: Woher kommt denn die Leidenschaft für den VfB?

Starke: Mein Vater hat eine Lehre in der Nähe von Stuttgart absolviert und ist seitdem VfB-Anhänger. Das muss ich wohl irgendwie übernommen haben. Ich schaue die Spiele, aber leide jetzt nicht extrem mit. Ich bin wohl der einzige VfB-Sympathisant Namibias. Sonst gibt es da fast nur Bayern-Fans. Außerdem schlägt mein Herz für den FC Hansa Rostock.

Manfred Starke im Steckbrief