"Das gibt es nur in Deutschland"

Von Kevin Bublitz/Mark Heinemann
Olivier Occean hat in 17 Spielen für Kanada zwei Tore geschossen
© Getty

Olivier Occean scheint bereits nach vier Spielen unverzichtbar für Kickers Offenbach geworden zu sein - vier Tore in vier Spielen sprechen für sich. In der 3. Liga traf nur Patrick Mayer (1. FC Heidenheim, 5 Tore) öfter. Im Interview mit SPOX spricht der Kanadier mit karibischen Wurzeln über die deftige Abreibung für den VfL Bochum im DFB Pokal, über seinen Manager Andreas Möller und erörtert die Unterschiede zwischen dem kanadischen, norwegischen und dem deutschen Fußball.

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SPOX: Herr Occean, noch verständigen wir uns auf Englisch, Sie lernen aber bereits fleißig Deutsch. Was haben Sie zuletzt gelernt?

Olivier Occean: Hallo, wie geht's? Alles klar? (lacht)

SPOX: Das funktioniert doch schon wunderbar...

Occean: ...mehr kann ich aber noch nicht. Insofern unterhalten wir uns besser erstmal auf Englisch.

SPOX: Gerne. Fällt es Ihnen schwer, die deutsche Sprache zu lernen?

Occean: Ach, es geht. Einige Wörter kann man sich gut herleiten. Ich übe jeden Tag und es macht mir Spaß. Es ist doch toll, dass ich eine neue Sprache lernen darf.

SPOX: Sie scheinen generell keine Eingewöhnungsphase zu brauchen, vier Tore in vier Spielen sprechen eine deutliche Sprache.

Occean: Das ist richtig. Auf dem Platz lief es von Beginn an. Wir spielen beim OFC auf eine Art und Weise Fußball, die mir sehr liegt. Wir haben wirklich ein gutes Team, das es versteht, Fußball zu spielen. Bei mir hat es zum Glück auf Anhieb gepasst.

SPOX: Der OFC hat mit vier Siegen einen super Start in die Saison hingelegt. Was ist diese Saison drin?

Occean: Ich denke, es ist viel zu früh, um über das Saisonende nachzudenken. Es ist klar, dass jeder von uns gerne aufsteigen würde. Das geht aber nur Schritt für Schritt. Wenn wir das schaffen wollen, dürfen wir den Fokus immer nur auf die nächste Aufgabe richten. Von Träumen kann sich im Endeffekt niemand etwas kaufen.

SPOX: Im Pokal haben sie Bochum rausgekickt. Am Wochenende empfangen Sie Jahn Regensburg am Bieberer Berg. Wieder ein Topspiel, denn beide Teams sind in der Liga bislang ungeschlagen. Was erwarten Sie?

Occean: (lacht) Die Bochumer konnten froh sein, dass wir denen nicht fünf Stück eingeschenkt haben. Aber das wird gegen den Jahn ohne Frage eine schwere Aufgabe. Wir haben in den ersten vier Spielen und im Pokal gegen Bochum jedoch gezeigt, wozu wir in der Lage sind. Gerade mit unseren Fans im Rücken können wir jeden schlagen.

SPOX: Wie erleben Sie die Fankultur in Offenbach?

Occean: Unsere Fans sind toll, sie sind unser zwölfter Mann. Sie lieben diesen Verein und seinen Mythos von ganzem Herzen und mit ungemeiner Leidenschaft und bringen das auch zum Ausdruck. Der OFC ist wie eine Passion für unsere Fans. Ich meine, in welchem anderen Land würden so viele Fans ein Spiel in der 3. Liga besuchen? Meiner Meinung nach gibt es das nur in Deutschland. Die ganze Atmosphäre und das ganze Drumherum sind wirklich faszinierend und es ist schön, das aktiv miterleben zu können.

SPOX: Haben Sie vor Ihrem Wechsel Kontakt zu anderen kanadischen Spielern wie Paul Stalteri, Rob Friend oder Adam Straith aufgenommen, die ihr Geld auch in Deutschland verdienen?

Occean: Nein. Ich kannte zwar vorher schon Leute, die in der Umgebung von Offenbach wohnen und die haben großartige Dinge über die Region und den Klub erzählt. Die Entscheidung habe ich aber nach den tollen Gesprächen mit dem Trainer, der sportlichen Leitung und meinem Berater ganz alleine getroffen.

SPOX: War Ihnen der Name Möller denn schon vorher ein Begriff, oder ist er in Ihrer Heimat eher unbekannt?

Occean: (lacht) Natürlich kannte ich Andreas Möller schon vorher. Ich erinnere mich an seine großen Turniere noch sehr gut. Es ist eine große Ehre für mich, mit einem so großen Fußballer zusammen zu arbeiten. Er kümmert sich wirklich um alles und sorgt dafür, dass es uns Spielern gut geht.

SPOX: Sie standen vor Ihrer Unterschrift bei den Kickers bei Lilleström SK unter Vertrag. Was unterscheidet den norwegischen vom deutschen Fußball?

Occean: Bei Lilleström haben wir meistens einen extrem laufintensiven Fußball gespielt. Das war für die Stürmer extrem anstrengend und oft fehlte dann vor dem Tor die nötige Frische. In Deutschland müssen sich natürlich auch alle bewegen, aber jeder hat seine Position und somit auch klare Aufgaben. Hier gibt es nicht so ein wildes Durcheinander, weil jeder weiß, was er zu tun hat und man hat auch mal die Zeit zum atmen. (lacht)

SPOX: Haben Sie Qualitätsunterschiede ausgemacht?

Occean: Nein, das nicht unbedingt. In der norwegischen Liga gibt es extrem talentierte Spieler. Die Liga hat ein gutes Niveau. Der markante Unterschied liegt in der Mentalität.

SPOX: Und der Mentalitätsunterschied macht sich wie bemerkbar?

Occean: Beispiel Spielphilosophie. Mein Trainer in Lilleström wollte körperbetonten Fußball sehen und hat das auch so gelehrt. Wolfgang Wolf ist da anders, vielleicht moderner. Er fordert schnelles Umschalten und liebt schnelle Ballstafetten mit einem, höchstens zwei Ballkontakten. Kurz gesagt: Das Spiel in Deutschland ist in der 3. Liga schon deutlich schneller als in Norwegen.

SPOX: Wie muss man sich Fußball in Kanada vorstellen?

Occean: Ich habe nie Profifußball in Kanada gespielt, da ich vor 13 Jahren das Land verlassen habe, um in Europa Fußball zu spielen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass der Stellenwert in Kanada leider noch sehr gering ist. Das ist sehr schade, weil wir sehr gute Spieler haben. Ich hoffe, dass die Entwicklung weiter voranschreitet. Aber es gibt erste positive Signale, die hoffen lassen.

SPOX: Welche sind das?

Occean: Nach Toronto FC werden bis 2012 zwei weitere kanadische Teams in die Major League Soccer eingegliedert - Vancouver und Montreal. Die MLS wird in naher Zukunft sehr stark sein und auch die Entwicklung des kanadischen Fußballs spürbar vorantreiben.

SPOX: Gut, aber wie kommt man als Kanadier darauf, Fußball zu spielen? Die anderen Jungs in Ihrem Alter sind doch damals sicher eher zum Eishockey gegangen, oder?

Occean: (lacht) Ja, das ist schon außergewöhnlich. Aber meine Eltern stammen aus der Karibik und sind dementsprechend positiv fußballverrückt. Also haben sie sich damals entschieden, diese Leidenschaft an mich weiter zu geben. Mein älterer Bruder hat mir immer erzählt, wie toll es ist, Fußball zu spielen. Wir haben gemeinsam oft in Hinterhöfen und Gärten gespielt. Unsere ganze Familie liebt diesen Sport.

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