Freiburgs Co-Trainer Lars Voßler im Porträt: Im Schatten des Bruddlers

Lars Voßler (l.) arbeitet seit acht Jahren an der Seite von Christian Streich
© imago

Seine Standard-Varianten machten Lars Voßler so bekannt, dass vor der WM sogar der DFB um Rat bat. Bereits seit acht Jahren gilt der 38-Jährige beim SC Freiburg an der Seite von Christian Streich als ruhender Pol im Team. Dabei kam Voßler zunächst zum Sport-Club, um in der EDV-Abteilung seine Doktorarbeit zu schreiben.

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Gemächlich lief Mats Hummels am 4. Juli im Estadio do Maracana wieder in die eigene Hälfte. Er grinste verschmitzt und deutete mit ausgestrecktem und wippendem Zeigefinger auf die deutsche Auswechselbank.

Ganz so, als wollte er sagen: Genau so haben wir das doch geplant, das minutiöse Einstudieren hat sich ausgezahlt. Nur knapp 20 Sekunden zuvor erzielte der Dortmunder Innenverteidiger per Kopf das spielentscheidende 1:0 gegen Frankreich im WM-Viertelfinale in Brasilien.

Joachim Löw war auf der Trainerbank die Erleichterung anzumerken. Wild klatschte er in die Hände und schrie die Freude heraus. Auch Lars Voßler wird nach dem Tor im weit entfernten Freiburg etwas Bestätigung für seine Arbeit gespürt haben. Denn das Tor von Hummels fiel nach einem ruhenden Ball. Und genau dabei unterstützte Voßler den DFB vor der Weltmeisterschaft mit seinem Wissen.

Flick wird aufmerksam

"In Freiburg gibt es einen Co-Trainer beim SC, Lars Voßler, der sich mit Standards hervorragend auskennt. Ich habe seine Ideen aufgenommen und mir davon ausgehend weitere Gedanken gemacht, was das für unsere Mannschaft bedeuten könnte", erklärte Hansi Flick, Co-Trainer der Weltmeisterelf in der Süddeutschen Zeitung nach der WM.

Im Frühjahr 2014 habe der heutige Sportdirektor des DFB beim Co-Trainer des SC angerufen und ihn zu einem Workshop mit den DFB-Jugendtrainern eingeladen. Gemeinsam mit Flick schaffte es der 38-Jährige somit, ein Umdenken bei Joachim Löw herzustellen.

Denn bis vor wenigen Jahren wurden die Standards in der Nationalelf stiefmütterlich behandelt. Der Bundestrainer legte wenig Wert auf den ruhenden Ball und verwies stets auf die knappe Zeit, die im Training zur Verfügung stehe. Andere Spielformen seien wichtiger. Dies änderte sich vor der WM. "Wir wollten den Wert der Standards wieder mehr betonen, gerade bei so einem extremen Turnier. Und es gehört auch zu unserem Job, sich umzuhören, wer wo etwas besonders gut kann", so Flick.

Hoheitsgebiet Standards

Der damalige DFB-Co-Trainer stoß schnell auf den "Experten" Voßler, der den Sportdirektor vor allem aufgrund seiner Akribie überzeugte. Zusammen mit seinem Team widmet sich der 38-Jährige im Schnitt rund eine Stunde dem Thema Standards - sei es auf dem Platz, in einer Video-Analyse der eigenen oder der gegnerischen Standards.

Die Zeit scheint gut investiert. 54 Prozent der Freiburger Tore (13 von 24) fallen nach einem ruhenden Ball. Einen besseren Wert hat in dieser Statistik kein anderes Bundesliga-Team. In der Defensive muss man sich mit 25 Prozent der Gegentore nach ruhenden Bällen lediglich dem FC Schalke geschlagen geben.

Für diese Standards ist beim SC einzig der Co-Trainer zuständig. Die Zeit, in der sich Arbeitstier Christian Streich zurücklehnt und das Feld räumt. Das bedeutet nicht, dass Voßler den Spieler die auf dem Papier entwickelten Varianten aufs Auge drückt und scheuklappenartig durchboxt. Vielmehr ist dem langjährigen Sidekick von Streich der Dialog mit seinen Spielern und deren Meinung wichtig. Er bindet die Spieler in den Entwicklungsprozess ein und lässt sie die Standards mit entwickeln.

Die Opta-Statistiken des SC Freiburgs im Vergleich zur letzten Saison

Ruhepol an Streichs Seite

"Es gehört dazu, dass man sich ständig hinterfragt. Und auch versucht, sich weiterzuentwickeln", sagt Voßler über sich selbst: "Es müssen ja gar nicht immer nur Tricks sein. Manchmal geht es auch einfach darum, die Sachen nicht zu kompliziert zu machen."

Generell scheint Voßler an der Seite des stets impulsiven Streichs der Ruhepol für die Spieler zu sein. Eine Ansprechperson, die die Sorgen der Spieler einzuschätzen weiß und speziell auf sozialer Ebene noch tiefer in die Spieler hineinschaut als sein Chef. Immer wieder betont er in Interviews, dass für ihn der persönliche Kontakt mit seinen Spielern von zentraler Bedeutung ist.

"Man sollte sich für die Spieler interessieren. Nicht nur im fußballerischen Bereich, sondern auch für private Dinge. Diese Verbindung ist mir sehr wichtig", erklärt Voßler. Dazu nutzt er die Zeit zwischen den Trainingseinheiten oder sogar kleinere Pausen. Vor allem dort intensiviere er den Kontakt zu den Spielern.

Von der EDV auf die Trainerbank

Die klare Rollenverteilung zwischen Streich und Voßler hat sich nun bereits seit acht Jahren etabliert und bewährt. Dabei kam der 38-Jährige zunächst nur über Umwege auf die Trainerbank. 2005 heuerte Voßler in der EDV-Abteilung des Sport-Clubs an. Er wollte dort seine Doktorarbeit über die Talentförderung des Vereins schreiben.

Nach eigener Aussage kam er jedoch nie weiter als zum Deckblatt. Denn nachdem er an der Sport-Universität seine C-Lizenz bekam, wurde ihm vom damaligen SC-Manager Andreas Bornemann eine Co-Trainer-Stelle in der D-Jugend angeboten.

Nach einem Zwischenstopp in der C-Jugend holte A-Jugendtrainer Christian Streich Voßler in sein Trainerteam. Seitdem wich der ehemalige Oberliga-Kicker nicht von Streichs Seite und machte auch im Dezember 2012 den Sprung zu den Profis mit. "Wir sind eigentlich relativ verschieden. Vielleicht ist das gerade der Grund, dass wir uns so gut verstehen - ich bin der Rationale, er eher der Emotionale. Wir arbeiten uns gut zu und können uns offen und ehrlich ins Gesicht sagen, was wir denken."

Im Schatten des Chefs

Im Gegensatz zu Streich sei er eher einer, der schneller mal abschalten kann, erklärt Voßler und setzt ein breites Grinsen auf. Das spezielle Auftreten seines Chefs ist logischerweise auch an Voßler nicht vorbeigegangen. Allerdings scheint ihm der Hype um seinen Chef nicht ungelegen zu kommen. Denn Streich zieht mit seinen Gefühlsausbrüchen und seinen einzigartigen Auftritten bei den Pressekonferenzen sämtliches Medieninteresse auf sich.

"Ganz ehrlich, für mich ist das überhaupt nicht anstrengend. Dadurch sind wir ein wenig hintendran. Diese Ruhe gefällt uns eigentlich ganz gut", so Voßler. Auch das Medieninteresse nach der WM war dem 38-Jährigen eher unangenehm. Denn aktuell spricht er nicht mehr gern über sich als Teil im Weltmeisterpuzzle. Ganz abstreiten wird er seine Mithilfe allerdings nicht können. Denn selbst Flick sagte nach der triumphalen Rückkehr aus Brasilien: "Wir haben von seinem Wissen profitiert."

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