Kaka 2.0 und der kleine Bruder

Von Christian Bernhard
Kyle Ebecilio (r., gegen Deutschlands Emre Can) gehört zu den möglichen Stars der U-17-WM
© Imago

Cesc Fabregas, Anderson, Toni Kroos: Sie alle wurden bei der U-17-Weltmeisterschaft zum besten Spieler des Endturniers gewählt. Wessen Stern geht bei den am Samstag beginnenden Titelkämpfen in Mexiko auf? Fünf Youngster reisen mit besonders großen Vorschusslorbeeren nach Mittelamerika, darunter der neue Kaka und ein Multitalent aus Uruguay.

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Lucas Piazon (Brasilien): Der neue Kaka. Auf dem Papier das Toptalent dieser U-17-WM. Der technisch sehr versierte Spielmacher kam mit 14 Jahren zum FC Sao Paulo und bestritt bereits zwei Jugend-Südamerika-Meisterschaften mit Brasilien - kein Wunder, dass er da als "neuer Kaka" bezeichnet wird, schließlich spielte auch Kaka für Sao Paulo.

Bei der U-15-WM 2009 erzielte er stolze zehn Tore. Piazon liebt die brasilianische Fußballspielweise, wie er im Interview mit "fifa.com" bekräftigt: "Wir versuchen, ein körperbetontes Spiel zu vermeiden. Hohe Bälle in den Strafraum sind nicht unser Ding. Wir müssen den Ball am Boden halten, und über unser Kurzpassspiel Lücken auftun."

Ab Januar 2012 soll er so die Chelsea-Fans verzücken. Die Blues schlossen im März einen Vorvertrag mit Piazon ab, dabei war er schon mit eineinhalb Füßen in Turin. Juventus hatte den 6,5-Millionen-Euro-Transfer mit Sao Paulo so gut wie eingetütet, Piazon und seine Familie waren bereits in Turin. Doch der Deal scheiterte am Gehalt.

"Ich bin stolz darauf, Piazon nicht verpflichtet zu haben, denn im Fußball muss man auch über Moralität sprechen", sagte Juve-Sportdirektor Beppe Marotta nach dem geplatzten Wechsel im Winter. "Es geht nicht, dass ein 17-Jähriger eine Million Euro pro Saison verdient. Was hätte ich da denn unseren anderen Jugendspielern sagen sollen?" Chelsea nutzte die Chance, schlug zu und hofft jetzt, das ganz große Los gezogen zu haben.

Kyle Ebecilio (Niederlande): Der kleine Bruder. Der Mittelfeldspieler war mit drei Treffern einer der Hauptgaranten für den niederländischen EM-Triumph. Bereits im Sommer 2010 hatte sich Arsenal die Dienste des dynamischen und aggressiven Spielers gesichert und sich so gegen die Konkurrenz von Chelsea durchgesetzt.

"Wir haben alles versucht, doch er wollte zu Arsenal", sagte Feyernoords Technischer Direktor Leo Beenhakker damals. "Ich schätze ihn sehr hoch ein." Der Verein kassierte für den Youngster rund 600.000 Euro Ausbildungsentschädigung. Ebecilio, dessen 19-jähriger Bruder Lorenzo in dieser Saison drei Ligatore für Ajax Amsterdam erzielt hat, ist damit auf den Spuren von Jeffrey Bruma, der ebenfalls aus der Feyenoord-Jugend kommend auf die Insel wechselte (Chelsea), um dort richtig durchzustarten.

"Kyle ist sehr wichtig für uns, besonders für die Balance in der Mannschaft", sagt sein Nationalmannschafts-Kapitän Daan Disveld. Nicht auszuschließen, dass Ebecilio schon bald bei den Arsenal-Profis auftaucht - Arsene Wenger ist schließlich bekannt dafür, auch sehr jungen Spielern bei den Profis eine Chance zu geben.

Juan Cruz Mascia (Uruguay): Das Multitalent. Uruguays Sturm-Hoffnung machte im April bei der U-17-Südamerika-Meisterschaft mit sechs Treffern in sieben Spielen mit Nachdruck auf sich aufmerksam. Der Mittelstürmer, der ursprünglich als zentraler Mittelfeldspieler begonnen hatte, praktizierte bis zu seinem 14. Lebensjahr auch Tennis, Rugby und verschiedene Leichtathletik-Laufdisziplinen. "Ich bin sehr schnell und technisch versiert, dafür bin ich physisch nicht so stark", sagt Mascia über sich.

Uruguay, spielstarker Mittelstürmer - da ist der Weg zu Vergleichen mit Diego Forlan nur ein sehr kurzer. "Das ehrt mich natürlich, denn ich kenne ihn - ich habe schon in seinem Haus gegessen und mich mit ihm über Fußball unterhalten, aber ich denke, dass meine Spielweise eher der von Luis Suarez entspricht", sagt Mascia.

Wieso er schon im Hause Forlan zu Gast war? Forlans Vater Pablo war Mascias Talent aufgefallen, daraufhin hatte er ihm 2009 zu einem Probetraining bei Atletico Madrid verholfen. Mascia überzeugte in Madrid, kehrte aber in seine Heimat zurück, denn "als ich den Vertrag unterzeichnen sollte, wurde mir bewusst, dass ich dann allein in einem Wohnheim leben würde - und das gefiel mir nicht." Europas Topklubs haben den Stürmer von Miramar Misiones, wo er im Februar sein Erstliga-Debüt feierte, aber weiter im Visier: Chelsea soll interessiert sein.

Raphael Calvet (Frankreich): Der Reife. Der Kapitän besticht laut seinem Nationaltrainer Patrick Gonfalone mit einer "für sein Alter überdurchschnittlichen menschlichen Reife". Fleiß, Ausdauer und Bescheidenheit machen aus dem kräftigen Innenverteidiger den großen Leader seines Teams. "In unserem Alter wäre es fatal zu glauben, dass man bereits oben angekommen sei. Schließlich stehen wir noch ganz am Anfang unserer Karriere", untermauert Calvet seine Bodenständigkeit.

Calvet ist eines der aktuellen Vorzeigeobjekte der Auxerre-Jugendschule. Der Abwehrspieler ist ein waschechtes Eigengewächs von AJ, dessen Talentschmiede bereits Eric Cantona, Djibril Cisse oder Bacary Sagna entsprungen sind. Calvet weiß um die große Bedeutung seines Heimatklubs: "Würden uns die Klubs nicht entsprechend auf die Aufgaben im Nationalteam vorbereiten, könnten wir solche Herausforderungen [...] wohl kaum meistern." Auxerre biete "einen idealen Rahmen."

Bei aller Bescheidenheit - an Selbstvertrauen mangelt es Calvet auch nicht. Auf Frankreichs Stärken und Schwächen angesprochen antwortete er: "Unsere Stärke liegt darin, dass wir keine Schwachpunkte haben."

Viktor Fischer (Dänemark): Der Litauen-Schreck. Die Karriere des Midtjylland-Stürmers scheint vorgezeichnet. Der Däne wird bereits von Topberater Sören Lerby betreut und hat unlängst bei Ajax Amsterdam unterschrieben. Dort spielt mit Christian Eriksen bereits der momentan begehrteste Dänemark-Youngster.

Für seinen Nationalcoach Thomas Frank ist Fischer zusammen mit Kenneth Zohore der "Schlüsselspieler bei diesem Turnier" im Sturm. In elf Spielen für das dänische U-17-Team hat Fischer 13 Tore erzielt, sechs davon in der EM-Qualifikation. Besonders in Litauen dürfte man sich nach seinen fünf Treffern noch sehr genau an ihn erinnern.

Fischer ist in der Offensive variabel einsetzbar, er kann auch als Spielmacher und als Außenstürmer agieren. In der Saison 2009/2010 sicherte er sich mit 25 Toren in 22 Spielen die Torjägerkrone in der dänischen U-17-Meisterschaft.

Zusammen mit seinen Teamkollegen möchte Fischer die WM aufmischen - und die Chancen scheinen nicht schlecht zu stehen. "Die erste Runde wird schwer für uns werden, denn wir haben es mit Dänemark zu tun, und ich habe schon gehört, dass das ein sehr starker Gegner ist", sagte Brasiliens Toptalent Lucas Piazon anerkennend über die Skandinavier.

Der Spielplan der U-17-WM in Mexiko