Großer Verlierer bei Deutschlands Sieg gegen Frankreich: Blüht Leroy Sané beim DFB-Team auch unter Julian Nagelsmann das Schicksal der WM 2018?

Von Tim Ursinus
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Dank eines überzeugenden Sieges gegen Frankreich sind die Hoffnung auf eine erfolgreiche Heim-EM zurück. Kein Teil von Deutschlands Achtungserfolg war Leroy Sané vom FC Bayern München. Bekommt er dafür jetzt die Quittung beim DFB-Team?

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"Es war eine wahnsinnig knappe Entscheidung", sagte der damalige Bundestrainer Joachim Löw über die Ausbootung des damals besten Nachwuchsspielers der Premier League kurz vor der WM 2018. Die Folge waren ein freilich enttäuschter Leroy Sané, große Aufregung in der Medienlandschaft und das erste unterirdische Abschneiden von bislang insgesamt drei Turnieren in Serie.

Der zu diesem Zeitpunkt 22-jährige Sané hatte zuvor bei Manchester City unter Pep Guardiola einen riesigen Sprung gemacht, überzeugte mit Tempodribblings und herausragenden Statistiken (33 Scorerpunkte in 49 Spielen). Doch in der Nationalmannschaft wollte es noch nicht so richtig klappen. Der größte Kritikpunkt: Mangelnde Körpersprache.

Knapp sechs Jahre später muss sich Sané diesen Vorwurf teilweise noch immer gefallen lassen. Seine Tätlichkeit im letzten Testspiel des vergangenen Jahres bei der erschreckenden 0:2-Pleite gegen Österreich brachte ihm nicht nur drei Spiele Sperre ein. Die Rote Karte ließ auch die Debatte über seine Einstellung wieder aufkochen.

Ein denkbar schlechter Zeitpunkt, wie sich schon im ersten Spiel des EM-Jahres zu seinem Leidwesen herausstellte. Während Florian Wirtz und Jamal Musiala beim 2:0-Sieg über Frankreich auf den offensiven Halbpositionen zauberten und auch Kai Havertz traf, blieb Sané nichts anderes übrig, als das Daumendrücken auf der heimischen Couch.

Klar ist: Schon jetzt gehört Sané zu den großen Verlierern der Länderspielpause. Ein Platz in der deutschen Startelf ist vorerst in weite Ferne gerückt.

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Leroy Sané für Deutschland bei der EM nicht zu gebrauchen?

Felix Kroos, Bruder von Heilsbringer und Rückkehrer Toni, ging am Sonntag mit seiner Annahme sogar noch einen Schritt weiter. Er zweifelte gar an einer Nominierung Sanés für das finale EM-Aufgebot Julian Nagelsmanns.

"Das ist für mich ein Fall: Entweder Startelf oder nicht im Kader. Ich glaube nicht, dass man den auf der Bank gebrauchen kann", sagte Kroos und äußerte Sorgen über den Teamspirit mit einem divahaften Sané auf der Ersatzbank.

Dass Nagelsmann seine Offensiv-Idee mit den Ausnahmekönnern Wirtz und Musiala, die über weite Strecken in Lyon wunderbar aufging, keine drei Monate vor der EM nochmal grundlegend ändern wird, ist in der Tat nicht zu erwarten. Auch Ilkay Gündogan, der als nomineller Zehner (mal wieder) nicht den besten Tag im DFB-Trikot erwischte, dürfte seinen Platz als Kapitän sicher haben.

So bliebe Sané vorerst "nur" die Rolle des Joker. Eine, die ihm auch Kritiker Kroos zutraut, "wenn er sich unterordnen kann". Ohnehin räumte er ein, dass er den Münchner nur aus der Ferne bewerten könne: "Wenn der Bundestrainer das besser einschätzen kann, so sollte es auch sein, dann wird er es auch anders entscheiden."

Leroy Sané droht Jokerrolle bei der EM 2024

Und das kann Nagelsmann nach knapp zwei gemeinsamen Jahren beim deutschen Rekordmeister mit Sicherheit. Zwar wusste Sané nicht immer zu überzeugen, kam aber regelmäßig - sei es auf dem Flügel oder im Zehnerraum - zum Einsatz. Wie Sky berichtet, soll er auch deshalb fest für den Kader bei der Heim-EM eingeplant sein.

Die Tatsache, dass Sané trotz seiner Sperre am Dienstag gegen die Niederlande in Frankfurt bei der Mannschaft sein wird, kann dahingehend in zwei Richtungen interpretiert werden. Der Besuch suggeriert einerseits, dass er fester Bestandteil des Teams ist. Andererseits aber auch, dass der 28-Jährige sich ernsthafte Gedanken über seinen Platz in der Mannschaft macht und jetzt Imagepflege betreiben will.

Schließlich steht Sané durchaus in der Bringschuld. Nach einer hervorragenden Hinrunde mit dem FC Bayern München (18 Scorerpunkte), die seine Leistungen unter Nagelsmann nochmal deutlich in den Schatten stellten, befindet er sich seit mehreren Wochen in einem Formtief.

Es gelte für Sané, "sich einzugliedern", sagte der Bundestrainer am Montag: "Er hat eine Qualität, auf die wir nicht verzichten wollen oder verzichten können."

Die Leistungsdaten von Leroy Sané seit der Saison 2017/18

  • Die Zahlen stammen von transfermarkt.de.
SaisonVereinSpiele (Minuten)ToreAssists
2023/24FC Bayern München36 (2.825)912
2022/23FC Bayern München44 (2.765)1410
2021/22FC Bayern München45 (2.977)1415
2020/21FC Bayern München44 (2.627)1012
2019/20*Manchester City3 (81)--
2018/19Manchester City47 (2.694)1619
2017/18Manchester City49 (3.618)1419

*Sané erlitt kurz vor Saisonstart einen Kreuzbandriss.

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Leroy Sané beim FC Bayern München seit Wochen mit Formtief

Lediglich drei Tore steuerte Sané in diesem Jahr bei, ein weiterer Assist kam nicht hinzu. Umso entscheidender wird deshalb sein Auftreten im letzten Testspiel vor der EM gegen Griechenland am 7. Juni sein. Für die Partie drei Tage zuvor gegen die Ukraine wird er ein weiteres Mal gesperrt ausfallen.

Sané bleiben also maximal 90 Minuten Zeit, um Nagelsmann aus nächster Nähe von sich zu überzeugen. Die kommenden Auftritte mit dem FC Bayern, vor allem in der Champions League, werden ebenso ausschlaggebend sein.

Andernfalls hat Nagelsmann nur wenig gute Argumente - ähnlich wie Löw 2018 bei seiner Entscheidung gegen ihn -, für eine Nominierung Sanés, der sich wohl auf einen Dreikampf mit Neuling Maximilian Beier von der TSG Hoffenheim und Chris Führich vom VfB Stuttgart einstellen muss. Aus dem Trio, das insbesondere Tempo und Dribbelstärke vereint, werden es vermutlich nur zwei zur EM schaffen.

Findet Sané jedoch schnell wieder zu alter Stärke und körperlicher Verfassung zurück, stehen die Chancen alles andere als schlecht, ein erneut bitteres Schicksal abzuwenden.

DFB-Team: Der aktuelle Kader von Deutschland

Position

Spieler

Tor

Oliver Baumann (TSG Hoffenheim), Bernd Leno (FC Fulham) Marc-André ter Stegen (FC Barcelona)

Abwehr

Waldemar Anton (VfB Stuttgart), Benjamin Henrichs (RB Leipzig), Joshua Kimmich (Bayern München), Robin Koch (Eintracht Frankfurt), Maximilian Mittelstädt (VfB Stuttgart), David Raum (RB Leipzig), Antonio Rüdiger (Real Madrid), Jonathan Tah (Bayer Leverkusen)

Mittelfeld

Robert Andrich (Bayer Leverkusen), Chris Führich (VfB Stuttgart), Pascal Groß (Brighton & Hove Albion), Ilkay Gündogan (FC Barcelona), Toni Kroos (Real Madrid), Jamal Musiala (Bayern München), Florian Wirtz (Bayer Leverkusen)

Angriff

Maximilian Beier (TSG Hoffenheim), Niclas Füllkrug (Borussia Dortmund), Kai Havertz (FC Arsenal), Thomas Müller (Bayern München), Deniz Undav (VfB Stuttgart)

Abgereist

Manuel Neuer (Tor, FC Bayern München), Jan-Niklas Beste (Abwehr, 1. FC Heidenheim), Aleksandar Pavlovic (Mittelfeld, FC Bayern München)