Was Flick besser macht als Löw: Drei Gründe für den starken Start in die neue DFB-Ära

Hansi Flick umarmt seinen damaligen Cheftrainer Joachim Löw.
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Mit dem 4:0 gegen Island rundet die deutsche Nationalelf einen Start nach Maß unter Hansi Flick ab, der Lust auf mehr macht. Drei Gründe dafür, warum es schon so früh so viel besser läuft als zuletzt unter Joachim Löw.

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1. Flick macht kaum noch Positionsexperimente

Rein von der taktischen Ausrichtung her macht Flick gar nicht so viel anders als sein Vorgänger. Die DFB-Elf setzte auch gegen Island wieder überwiegend auf einen Dreieraufbau mit zwei flexiblen Schienenspielern auf den Außen. Jonas Hofmann übernahm dabei den defensiveren Part und orientierte sich bei Gegner-Ballbesitz sofort nach hinten, wodurch sich die Dreier- zu einer Viererkette verwandelte. Kein neues Experiment, auch Löw hatte versucht, ähnliche Elemente ins deutsche Spiel einzubauen.

Ein großer und für den Erfolg entscheidender Unterschied neben der von vielen Spielern verinnerlichten Flick-Devise, deutlich früher in Pressing- und Abschlusspositionen zu gelangen: Er ließ die meisten Spieler im Gegensatz zu Löw auf ihren bestmöglichen, weil auf Vereinsebene gewohnten Positionen ran.

Joshua Kimmich etwa lieferte in allen drei Partien den Beweis dafür, warum er im Mittelfeld einen deutlich größeren Einfluss auf das deutsche Spiel hat als auf der rechten Abwehrseite. Serge Gnabry turnte nicht mehr irgendwo verloren im Sturmzentrum, sondern rechts vorne herum - und erzielte so gleich drei Tore. Leroy Sane agierte wie zu besten Manchester-City-Zeiten und jüngst auch in München konsequent und überzeugend auf dem linken Flügel. Und auch Ilkay Gündogan, bei der EM noch im defensiven Mittelfeld eingesetzt, durfte sich zumindest mal gegen Island auf seiner bevorzugten Position, der Zehn, beweisen.

2. Mehr Zug und neue Elemente im Training

Neuer Trainer bedeutet frischer Wind. Und der war nach 15 Jahren "Bundesjogi" auch bitter nötig. Wer die Einheiten im EM-Trainingslager in Tirol verfolgte, dem wurde schnell eine Mischung aus Gewohnheit und Lockerheit vermittelt. Locker, so wirkt zwar auch Flick als Trainertyp, in den ersten Einheiten um den Ex-Bayern-Coach war aber deutlich mehr Feuer und Intensität als in den letzten Wochen der Ära Löw. Flick ließ teilweise sogar zweimal am Tag trainieren - so etwas hatte es unter dem Ex bei normalen Länderspielperioden nur in sehr wenigen Fällen gegeben.

Außerdem sorgte das veränderte Trainerteam, allen voran Co-Trainer Danny Röhl, Standardtrainer Mads Buttgereit und Torwarttrainer Andreas Kronenberg, spürbar für neue Impulse. Beim zweiten Treffer gegen Island trug etwa die Arbeit von Buttgereit sofort erste Früchte, indem Antonio Rüdiger eine einstudierte Freistoßvariante mit Kimmich per Kopf vollendete.

"Er hatte großen Anteil daran", sagte Rüdiger hinterher über den 36 Jahre alten Dänen, der auf expliziten Wunsch von Flick zum DFB gekommen war. Und der Bundestrainer selbst meinte schmunzelnd: "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass dieses Tor nicht so gewollt war."

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3. Jugendliche Unbekümmertheit und Konkurrenzkampf

Am Tag nach dem ersten Spiel, dem 2:0 gegen Liechtenstein, organisierten die Verantwortlichen einen Teamabend. Die Spieler gingen ins Kino und schauten sich nach gemeinsamer Abstimmung den Horrorfilm "The Forever Purge" an. Von Grüppchenbildung war dabei keine Spur. Ebenso wenig wie auf dem Platz. "Wir kommen alle auf einen Nenner", sagte Leon Goretzka.

Gerade die jugendliche Unbekümmertheit, die Spieler wie Jamal Musiala, Florian Wirtz und Karim Adeyemi ausstrahlen, tut der Mannschaft in jeder Hinsicht gut.

Flick traut sich im Gegensatz zu Löw nämlich, die Teenager nicht nur einzuladen, sondern auch sie einzusetzen. Der vom Ex-Bundestrainer noch mehr oder weniger ignorierte Musiala etwa kam in allen drei Partien zum Einsatz, durfte gegen Liechtenstein sogar starten und zahlte das Vertrauen des Bundestrainers mit einer tollen Vorlage für Timo Werner zurück. Wirtz deutete in 47 Joker-Minuten mehrfach sein Potenzial im Passspiel und Eins-gegen-Eins an. Und Adeyemi markierte bei der Tor-Gala gegen Armenien mit einer starken Aktion den 6:1-Endstand.

"Alle Spieler, die hier dabei sind, haben absolut das Potenzial, auch von Anfang zu spielen", sagte Flick in den knapp eineinhalb Wochen häufiger. Ein Signal an die Arrivierten: Ihr seid nicht unantastbar. Und was, wenn nicht gesunder, von jeglichem Sympathiebonus befreiter Konkurrenzkampf, ist besser für eine Mannschaft? Flick und seine Assistenten können jedenfalls sehr zufrieden in die Pause nach der Länderspielpause gehen, ehe in einem Monat Rumänien, Nordmazedonien und wieder Liechtenstein warten.

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