"Das war schon eine bittere Pille"

Matti Steinmann spielte 2015 bei der U20-WM in Neuseeland für das DFB-Team.
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In der Regionalliga heißt sein Alltag Meppen und Norderstedt, für die U20 zieht HSV-Talent Matti Steinmann bei der WM in Neuseeland die Fäden im Mittelfeld des DFB-Teams. Der Youngster vor dem Achtelfinale gegen Nigeria (Do., 9.30 Uhr im LIVE-TICKER) über eine Gruppenphase voller Rekorde, den Torrausch dank fehlender Stürmer und sein eigenes Scouting des kommenden Gegners.

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SPOX: Herr Steinmann, Sie haben bei der WM in Neuseeland nach drei Spielen schon Rekorde gebrochen. Wissen Sie, welche?

Matti Steinmann: Ich glaube gelesen zu haben, dass wir mit 16 Treffern die meisten Tore in einer WM-Vorrunde geschossen haben. Den alten Rekord hatte Brasilien mit 15. Aber sonst...

SPOX: ...haben Sie auch den DFB-internen Rekord mit 14 Toren eingestellt. Hand aufs Herz: Hat sie der sensationelle Turnierstart überrascht oder haben Sie sich ob der leichten Gruppe schon auf einen Durchmarsch eingestellt?

Steinmann: Ich würde nicht sagen, dass wir uns darauf eingestellt haben, aber überrascht hat mich dieser gute Start ins Turnier auch nicht. Wir haben ein starkes Team, da hatte ich von Anfang an vollstes Vertrauen. Dass es so losgeht, mit so vielen Toren, das war natürlich nicht abzusehen. Das zeigt aber auch, dass wir eine gute Mannschaft haben.

SPOX: Ihr Coach Frank Wormuth zog nach dem letzten Gruppenspiel dennoch das Fazit, dass es noch jede Menge Verbesserungspotenzial gäbe. Eine gewagte These nach diesen Auftritten, oder?

Steinmann: Ich glaube, der Trainer hat immer etwas zu verbessern, egal, wie das Spiel ausgeht. Es ist auch klar, dass die Gegner in der K.o.-Phase stärker werden. Das war auch ein Stück weit eine Warnung, dass nicht so weitergehen wird, wie in den Gruppenspielen.

SPOX: Ihr Coach sprach vor dem Turnier lediglich von einer guten Rolle, die man spielen wolle. Ein Understatement, das man nach der Vorrunde nach oben korrigieren muss?

Steinmann: Nein. Wir haben bei wirklich allem Respekt für die Gegner keine Top-Gruppe erwischt und unsere Aufgaben souverän gelöst. Warten wir ab, wie es gegen Nigeria läuft, danach können wir weiterschauen.

SPOX: Mit Davie Selke und Tim Kleindienst meldeten sich die zwei Top-Stürmer ab. Wie hat die Mannschaft die Absagen der beiden aufgenommen? Vor allem Selkes Fernbleiben schlug hohe Wellen im Vorfeld.

Steinmann: Bei Selke war es recht früh klar, dass er nicht mitkommen wird. Deshalb konnten wir uns da schon drauf einstellen. Dass sich Kleindienst kurz vor dem Turnierstart im Training verletzt hat, war da umso bitterer. Das war eine bittere Pille, die wir da schlucken mussten. Aber wir hatten Glück, dass wir mit Pascal Köpke einen super Ersatz nachnominieren konnten.

SPOX: Ihr Coach hat auf den Ausfall der beiden mit einem sehr fluiden System mit falscher Neun reagiert. War das so kurzfristig nochmal eine schwere Umstellung?

Steinmann: Für mich persönlich im defensiven Mittelfeld ist das kein Unterschied. Am ehesten noch für die Offensiveren, die beispielsweise keinen Abnehmer für Flanken haben. An sich ist das System jedoch super zu spielen, vor allem im Mittelfeld sind wir dadurch viel variabler und extrem schwer auszurechnen. Wenn immer wieder ein anderer Spieler in die Spitze sticht, mal Hany Mukhtar, mal Marc Stendera. Die Angreifer tauschen permanent die Positionen, was nicht nur gut ist für unser Spiel, sondern es auch für die Gegner extrem schwer macht, sich auf unsere Spielweise einzustellen.

SPOX: Können die bisherigen Auftritte als Gradmesser herhalten für das, was noch kommt?

Steinmann: Ich würde nicht sagen, dass das bereits die Gradmesser waren. Wir müssen jetzt in den K.o.-Partien von Spiel zu Spiel schauen, da ist alles möglich. Wir müssen die Spiele gewinnen, wie hoch ist im Endeffekt egal.

SPOX: Dennoch ist die Erwartungshaltung nicht kleiner geworden. Spürt man im Team einen höheren Druck?

Steinmann: Gar nicht! Wir wussten alle im Vorhinein, um was es geht. Wenn man Deutschland vertritt, ist ein gewisser Erfolgsdruck da. Damit gehen wir aber innerhalb des Teams gut um. Die Stimmung in der Mannschaft ist gut, das war sie schon vor dem Turnier. Es passt einfach. Man merkt nicht nur im Training, dass alles stimmt.

SPOX: Und bei Ihnen persönlich? Eine U20-WM zu spielen dürfte einen doch anders motivieren, als der Regionalliga-Alltag gegen Norderstedt und Meppen.

Steinmann: Man fühlt nicht unbedingt mehr Druck. Ich spiele mein Spiel und versuche zu helfen, da ist es egal, ob's bei der WM gegen Usbekistan oder in der Regionalliga gegen Meppen ist.

SPOX: Wie sind Ihre generellen Eindrücke des bisherigen Aufenthalts? Hat es lange gedauert, sich zu akklimatisieren?

Steinmann: Klar, man braucht alleine zwei bis drei Tage, um vor allem den Jetlag richtig zu verarbeiten. Auch im Training hat man gespürt, dass man nicht so fit und auf der Höhe ist, wie jetzt. Da waren die paar Tage vor dem Turnierstart natürlich hilfreich, um reinzukommen.

SPOX: Von Ihrem Coach gab's dennoch im Vorfeld kritische Stimmen wegen der kurzen Vorbereitungsphase. Welches Gefühl hatten Sie da als Spieler?

Steinmann: Ich persönlich fand die Vorbereitung nicht zu kurz, sondern okay. Wir kommen alle aus einer langen und anstrengenden Saison, da ist man drin und fit. Ich bräuchte nicht unbedingt mehr als zwei Wochen Vorbereitung. Auch, was das Verständnis mit den Mitspielern oder die Taktik angeht, gibt's da keine großen Probleme. Natürlich nimmt man sich zwischen den Spielen die Zeit, um noch kleine Dinge machen und verbessern zu können, aber das reicht.

SPOX: In der U20 treffen die verschiedensten Charaktere aufeinander. Regionalliga-Kicker spielen mit Champions-League-Teilnehmern. Wie macht sich das in Sachen Erfahrung, Auftreten oder Führungsqualitäten bemerkbar?

Steinmann: Das merkt man eigentlich gar nicht. Klar, auf dem Platz sieht man, wie viel Qualität der eine oder andere schon hat, aber außerhalb des Platzes spielt sich niemand auf und will den Chef geben. Das ist alles auf mehrere Schultern verteilt. Auch als Regionalliga-Kicker wird man nicht als Neuling behandelt. Hauptsache es stimmt auf dem Platz, das ist das Wichtigste.

SPOX: Am Donnerstag geht's im Achtelfinale gegen Nigeria. Was wissen Sie über den Gegner und wie schätzen Sie ihn ein?

Steinmann: Es gab noch keine große Video-Analyse, aber ich habe mir persönlich einige Spiele im Fernsehen angeschaut. Ich weiß, dass sie körperlich sehr robust und vor allem konditionell unglaublich stark sind. Wir werden in viele Zweikämpfe verstrickt werden, ich bin aber davon überzeugt, dass wir das mit unserer spielerischen Qualität lösen und uns durchsetzen können.

SPOX: Auch Nigeria hat eine starke Gruppenphase hinter sich und achtmal getroffen. Ihr Trainer warnte davor bereits. Wird's für die Defensive nochmal eine Extra Schulung geben oder brauchen?

Steinmann: Nigeria wird ein anderes Kaliber, als die Gegner in der Gruppe, das wissen wir aber auch. Wir versuchen aber ohnehin, unser eigenes Spiel durchzusetzen, deswegen wird die Vorbereitung nicht anders ablaufen, als vor den bisherigen Partien.

Matti Steinmann im Steckbrief