Löw und Ballack: Der innere Abschied

Von Stefan Moser
Michael Ballack (l.) hat bislang 98 Länderspiele für Deutschland gemacht. Er traf dabei 42 Mal
© Getty

Nach der zweiten schweren Verletzung ist das Länderspieljahr für Michael Ballack gelaufen. Zieht nun Joachim Löw einen Schlussstrich unter die leidige Kapitänsfrage? Die jüngsten Aussagen des Bundestrainers klingen nach endgültigem Abschied.

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Auszeichnungen für das Lebenswerk sind eine zwiespältige Sache. Noch während der Redner die Leistungen des Preisträgers würdigt, entsteht beim Zuhörer der Verdacht: Das Leben geht weiter - aber vom Werk des Ehrengastes erwartet eigentlich niemand mehr Großes. Es gilt im Grunde als abgeschlossen.

Bei der Lektüre des jüngsten Interviews von Joachim Löw beschleicht die meisten Leser wohl ein ähnlich merkwürdiges Gefühl: In einer kurzen Laudatio würdigt der Bundestrainer in der "Badischen Zeitung" die Verdienste seines Kapitäns: "Michael Ballack war in den vergangenen zehn Jahren das Aushängeschild des deutschen Fußballs. Niemand wird ihm jemals absprechen, was er in seiner Karriere geleistet hat."

Ballacks Länderspieljahr ist beendet

Es klingt, als hätte sich Löw nun innerlich auf einen Abschied von Ballack eingestellt, nachdem der 33-Jährige sich am Samstag im Spiel mit Bayer Leverkusen gegen Hannover 96 einen Haarriss im linken Schienbeinkopf zugezogen hatte. Damit ist Ballacks Seuchenjahr sportlich wohl gelaufen, in der Nationalmannschaft wird er 2010 auf keinen Fall mehr auflaufen.

Selbst bei optimalem Heilungsverlauf könnte er frühestens Anfang November mit Reha-Training beginnen. Das letzte Länderspiel findet bereits am 17. November in Schweden statt.

"Er war auf dem Weg zu seiner Form. Diese Verletzung kommt für Michael zum schlimmsten Zeitpunkt", sagte sein Vereinstrainer Jupp Heynckes, nachdem er von der Diagnose erfahren hatte. Womöglich ist es für Löw aber der richtige Zeitpunkt, um einen Schlussstrich unter die leidige Kapitänsfrage zu ziehen, die überdies längst zu einer grundsätzlichen Frage nach dem sportlichen und persönlichen Stellenwert Ballacks in der Nationalmannschaft ausgeartet ist.

Löw: "Irgendwann muss jeder erkennen, dass die Zeit vorbei ist"

Zumindest klingen die jüngsten Aussagen so, als würde der Bundestrainer sich selbst, die Öffentlichkeit und vor allem Ballack auf einen Rücktritt vorbereiten: "Die Zeit läuft weiter. Die Entwicklung geht weiter. Neue, junge Spieler rücken nach. Generell gilt, nicht nur für Ballack: Irgendwann muss jeder erkennen, dass die Zeit vorbei ist, in der man Topleistungen bringen kann."

Grundsätzlich, sagt der Bundestrainer, traue er dem ehrgeizigen Ballack eine Rückkehr zu, aber: "Ich habe ihm deutlich gesagt, dass Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira vor ihm liegen."

Vor wenigen Wochen hatte Löw die B-Frage mit einem "Jein" beantwortet: Ballack sei der Kapitän - wenn er denn spiele. In der Quali gegen Belgien und Aserbaidschan spielte er nicht. Und Philipp Lahm trug die Binde.

Die Aussage gilt nach wie vor. Doch was damals noch als Kompromiss auf Zeit interpretiert werden konnte, klingt nun, nach der zweiten langwierigen Verletzung innerhalb von vier Monaten, eher nach einem grundsätzlichen Zweifel.

Zweifel an EM-Teilnahme

In Löws perspektivischem Denken ergibt eine Rückkehr des Mittelfeldspielers nur im Hinblick auf das nächste große Turnier Sinn. Und da häufen sich nun mittlerweile die "Obs" uns "Wenns" in den Sätzen des Bundestrainers: "Ob es Michael Ballack zur EM 2012 schafft, wenn er dann 35 Jahre alt ist, muss sich gerade nach dem jüngsten Verletzungspech erst zeigen." Dass Ballacks 99. Partie im DFB-Trikot sein Abschiedsspiel wird, scheint für Löw inzwischen ein plausibler Gedanke zu sein.

Und auch Ballacks optimistische Kampfansagen sind mittlerweile einer eher zynischen Betrachtungsweise gewichen: "Mich wundert nichts mehr, bei dem was in den letzten Wochen passiert ist. Im Fußball geht es manchmal komisch und schnell", sagte er nach seiner Auswechslung in Hannover. Und da ging er noch von einer Prellung aus.

Michael Ballack im Steckbrief