Ein Mann für die engen Spiele

Von SPOX
Roberto Di Matteo hat seine ersten beiden Spiele auf Schalke gewonnen
© getty

War der Sieg in der Bundesliga über Hertha BSC noch ganz nüchtern, zeigte der FC Schalke 04 gegen Sporting Lissabon ein anderes Gesicht. Den Fans macht es Spaß, Roberto Di Matteo dagegen weniger.

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Kaugummikauend steht er an der Seitenlinie, etwas ungläubig schaut er drein und hebt fragend die Hände. Schalke 04 hat gerade den Ausgleich durch einen Kopfball von Adrien Silva hinnehmen müssen. In Überzahl, nach einer 3:1-Führung. Seine Mannschaft verschenkt gerade einen Sieg. Drei einfache Fehler haben ausgereicht, Sporting ist zurück.

Eine einstudierte Ecke brachte Nani frei zum Abschluss - 1:0. Ein kleiner Fehler von Atsuto Uchida und ungestümes Abwehrverhalten von Kaan Ayhan lassen Adrien Silva aus elf Metern antreten - 3:2. Fünf Meter, die Julian Draxler verweigert lassen Cedric flanken - 3:3. Roberto Di Matteo ist natürlich unzufrieden, bis dahin hat Schalke gut gespielt.

Viel Ballbesitz - wenig Chancen

Denn die Knappen waren weit entfernt vom prognostizierten Defensivfußball, den manche Fans und Medien prophezeit hatten. Bemüht um einen kurzen Aufbau gingen sie ein Risiko ein, bezogen Ralf Fährmann mit ein ins das kurze Passspiel, um die erste Linie Sportings zu überspielen. Wahlweise kamen Marco Höger und Roman Neustädter dazu, die Gäste fanden keinen rechten Zugriff.

Gegen den Ball war es diszipliniert, zwei enge Viererketten in der eigenen Hälfte, aber bei weitem nicht defensiv. Vielmehr war es kompakt, sicher und in einem Champions-League-Spiel absolut angebracht. Nicht weit entfernt von dem, was Jens Keller auch gern sah. Hier eine kleine Stellschraube, dort ein Meter mehr oder weniger.

Darum weiß Di Matteo auch selbst: Die Zeit war noch nicht gegeben, um Änderungen in großem Stil durchzuführen. "Das müssen wir verbessern, daran müssen wir arbeiten", kündigte er nach dem Spiel an. Schritt für Schritt machen und sich langsam in die Richtung entwickeln, die er sich ausgesucht hat - das ist jetzt das Ziel.

Glück und Wille bringen drei Punkte

Auch weil er noch nicht so befreit teilhaben konnte, wie die Fans, die die Mannschaft über 90 Minuten nach vorne peitschten. "Heute haben die Zuschauer sicher mehr Spaß gehabt als ich als Trainer", so Di Matteo, der bei "Sky" gleich ergänzte: "Aber wir haben gewonnen. Das war unser Ziel." Hauptsache gewonnen.

Mit ein bisschen Glück. Der Elfmeter in der letzten Sekunde, der manchen Spieler tief durchatmen ließ, war kein Handspiel. Nicht die erste Fehlentscheidung des Tages, wie auch Di Matteo zugeben musste: "Da hatten wir schon Glück, ja."

Das Glück des Tüchtigen könnte man meinen. Denn Schalke zeigte das, was man sich zuletzt oft vorhalten lassen musste: Einsatz, Wille und eine geschlossene Teamleistung.

Chinedu Obasi, vom Trainer aufgrund guter Trainingsleistungen aufgestellt, machte das wohl beste Spiel seiner Karriere bei S04. Kevin-Prince Boateng leitete die Mannschaft - so lange er konnte - an, Marco Höger und Benedikt Höwedes hielten mehr als nur einmal die blanken Knochen hin.

Ballbesitz ohne Kontrolle

Eine Einstellung, die so manchen kleinen individuellen oder vielleicht auch gruppentaktischen Fehler zu korrigieren vermochte. "Wenn man 3:1 in Führung liegt, muss man das Spiel besser kontrollieren", fiel das erste Fazit des Trainers aus.

Tatsächlich hatte Schalke zuvor viel Ballbesitz, bemühte sich, aus der Abwehr heraus Lösungen zu finden und schnell zwischen die Linien zu spielen.

Wirklich ohne Fehler funktioniert das noch nicht. Viele Pässe gingen quer, abwartend möchte man das Spiel beschreiben. Etwas zögerlich rückten die Knappen nach der roten Karte auf. Bloß keine Fehler machen, so schien die Devise zu sein. In Überzahl gilt es jedoch, dies auch auszuspielen.

Stets ein Mann mehr zu sein, den Gegner laufen und ermüden zu lassen. Nach der Pause wurde es besser, der Schweizer hatte sein Team ermutigt, mehr Risiko zu gehen. Sie sammelten Sicherheit und Selbstbewusstsein.

Anschlusstreffer bringt Unruhe

Faktoren, die durch den Elfmeter und den Anschlusstreffer wieder pulverisiert wurden. Sporting war wieder dran, die alte Unsicherheit blitze kurz wieder auf. Hier ein Schritt zu wenig, hier ein Schritt zu schnell oder zu langsam. Uchida ließ Adrien Silva im Rücken verschwinden und ging selbst auf die Torlinie. Dinge, die in der Königsklasse bestraft werden.

Auch hier mahnt Di Matteo zur Ruhe. "Ein Sieg gibt immer Moral, wir werden einfach weiterarbeiten und uns verbessern", weiß er um die Verunsicherung, die in der Mannschaft schnell wieder aufkeimen kann.

Die kühle Routine, die man gegen die Hertha sah, strahlte er selbst von der Seitenlinie aus. Eine Mannschaft ist immer ein Ebenbild des Trainers und Di Matteo ist ein Mann für die großen Spiele, für die hektischen Spiele.

Das hat er mit dem FC Chelsea in der Champions League zu Genüge bewiesen, seine Arbeit auf Schalke hat allerdings gerade eben erst begonnen. In London coachte er eine erfahrene Truppe, in Gelsenkirchen das genaue Gegenteil. Bis er dorthin kommt, wird noch eine Menge Zeit vergehen. Bis dahin gilt weiter das Prinzip aus dem Sporting-Spiel: Hauptsache gewonnen.

Schalke 04 - Sporting Lissabon: Die Statistik zum Spiel

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