Madrider Liebesnacht für überwältigte Bayern

Von Für SPOX in Madrid: Thomas Gaber
Mario Gomez tickt komplett aus, Luiz Gustavo stürzt sich gleich auf ihn
© Getty

Ein episches Drama, eine magische Nacht, das Spiel der Spiele oder einfach nur geil. Dem FC Bayern gelingt Historisches mit dem Einzug ins Champions-League-Finale gegen Real Madrid nach Elfmeterschießen. Die Spieler und Trainer Jupp Heynckes zeigten sich überwältigt, Jose Mourinho demonstrierte Klasse in der Niederlage. Uli Hoeneß fürchtete um sein Leben.

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Uli Hoeneß hatte kurzzeitig mit seinem Leben abgeschlossen. "Ich dachte, ich sterbe", berichtete der Bayern-Präsident über seinen seelischen und physischen Zustand während des Elfmeterschießens. Besonders gefährdet war Hoeneß, nachdem Toni Kroos und Philipp Lahm an Real-Keeper Iker Casillas gescheitert waren und die so hübsche 2:0-Führung verspielt hatten.

Weil aber Sergio Ramos die Kugel mit Schmackes drei Meter übers Tor jagte und Bastian Schweinsteiger anschließend die Nerven behielt, haben es die Bayern geschafft - sie haben ihr Finale dahoam. Dabei hätte es zu diesem epischen Drama, zu dieser "magischen Nacht" (Bayern-Trainer Jupp Heynckes) gepasst, wenn die Bayern trotz der Elferparaden von Manuel Neuer doch noch ausgeschieden wären.

80.000 Zuschauer im Estadio Santiago Bernabeu wurden Zeuge eines Spiels, das jegliche Gesetzmäßigkeiten des Fußballs jämmerlich erscheinen lässt. Taktische Vorgaben waren bereits nach fünf Minuten obsolet, weil David Alaba einen Schuss von Angel di Maria im Strafraum, quer über der Grasnarbe schwebend, mit dem rechten Ellbogen blockte und Cristiano Ronaldo den fälligen Elfmeter verwandelte.

Fortan ließen zwei verrückt offensiv spielende Teams die gegnerischen Abwehrreihen in Fetzen zurück; statt 2:1 hätte es zur Pause auch 4:4 stehen können. Dieses Spiel hatte sich ein legendäres Ende redlich verdient und mit den Bayern einen glücklichen, aber ebenso redlich verdienten Sieger hervorgebracht.

"Ich glaube, dass wir über weite Strecken überragenden Fußball gespielt haben - im Bernabeu. Ich glaube, es ist ein besonderer Sieg für den FC Bayern, für meine Mannschaft. Die Spieler wollten unbedingt ins Endspiel. Das ist ja auch historisch, das hat noch kein Klub geschafft, in der Heimstätte das Endspiel zu bestreiten", sagte Heynckes.

"Das Spiel der Spiele"

Und Hoeneß schwärmte mit glühenden Augen: "In einem Halbfinale habe ich noch nie so viele hundertprozentige Torchancen erlebt. Unglaublich. Heute war das Spiel der Spiele." Der Präsident ist bekannt für seine leicht überschwängliche Sicht der Dinge, an diesem Abend konnte ihm aber niemand widersprechen.

"Wahnsinn." "Überwältigend." "Einfach nur geil." Die Bayern konnten ihr Glück am Ende kaum fassen und redeten mitunter wie in Trance über das Erlebte. "Ich hatte in der regulären Spielzeit die riesen Chance zum 2:2. Scheißegal, dass der nicht drin war. In der Kabine haben wir geschmust", sagte etwa Mario Gomez.

Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge interessierte sich plötzlich für eine Liaison mit Elferkiller Neuer: "Ich liebe ihn. Ich liebe ihn nicht nur wegen dieser zwei Elfmeter, sondern auch weil er so überragend ist. Der Präsident von Real hat mir gerade gesagt: Das ist der beste Torhüter der Welt."

Ronaldos Elfer wehrte Neuer mit einer schier unmenschlichen Parade ab. "Ich wollte unbedingt diesen Elfmeter halten. Ich hatte im Spiel ja leider die falsche Ecke. Links ist Ronaldos Lieblingsecke. Ich hatte was gutzumachen. Dann spielt auch das Glück natürlich eine große Rolle", so Neuer.

Große Geste von Mourinho

Doch auch Iker Casillas kann Elfer halten und deshalb war Real Madrid urplötzlich doch wieder im Spiel. "Dass wir es dann doch nicht geschafft haben, ist sehr traurig. Die Bayern waren am Ende einfach die Glücklicheren", sagte der Real-Kapitän.

In einer "sehr bitteren Stunde" (Xabi Alonso) bewies vor allem einer menschliche Größe. Jose Mourinho ging nach dem Spiel in die Bayern-Kabine und schüttelte jedem einzelnen Bayern-Spieler und allen Trainern die Hand. "Das war eine tolle Geste, Hut ab", sagte Bayerns Sportdirektor Christian Nerlinger.

Nur wenige Minuten später machte Mourinho auf der Pressekonferenz aber einen sehr niedergeschlagenen Eindruck. "Ich habe in den letzten acht Jahren mit meinen Mannschaften sechs Mal das Champions-League-Halbfinale erreicht. Es hat zum vierten Mal nicht gereicht und es waren wieder extreme Umstände", sagte Mourinho.

Vorwürfe an Ronaldo, Kaka und Ramos - die ihre Elfer verschossen, gab es vom Chef nicht - im Gegenteil. "Die Spieler, die die Elfmeter überhaupt erst schießen, am Ende eines solchen Spiels, sind die besten. Sie sind zwei Stunden gerannt wie Tiere. Sollen sie rennen, bis sie sterben? Am Ende hat uns ein bisschen die Kraft gefehlt und dann eben Konzentration."

Kein Respekt in Spanien

Für die fehlende Frische machte Mourinho die Spielplaner der Primera Division verantwortlich.

"Im Finale stehen jetzt der Fünfte aus England und der Zweite aus Deutschland, der acht Punkte Rückstand auf den Ersten hat. In Spanien müssen die beiden Mannschaften, die im CL-Halbfinale stehen, drei Tage vorher das entscheidende Meisterschaftsspiel gegeneinander austragen. In Italien haben wir mit Inter einmal freitags gespielt vor einem CL-Spiel. Hier interessiert man sich nicht für meine Meinung. Die Leute in Spanien haben keinen Respekt vor den Mannschaften, die sie in der Champions League vertreten."

Im Finale wird kein spanisches Team vertreten sein. Schweinsteiger vermutet, dass vor allem in Madrid noch lange an den 25. April 2012 gedacht werden wird: "Von dem Spiel wird man noch Jahre sprechen. Speziell hier in Madrid. In München auch, aber in Madrid wird man es nicht vergessen."

Touché. Die Zeitung "Marca" titelte in ihrer Onlineausgabe Mittwochnacht: "Otra vez la bestia negra." Schon wieder diese verdammten Bayern. Die dürfen am 19. Mai gegen den FC Chelsea ihren Traum vollenden.

Emotionale Hölle des Uli Hoeneß

"Ich denke, wir sind leicht favorisiert", sagte Schweinsteiger. "Es ist ein Vorteil, dass wir zuhause spielen. Das ist einfach so. Aber wer die beste Mannschaft der Welt in zwei Spielen ausschaltet, egal wie, ist auch verdient im Finale. Es wird nicht einfach, aber ich bin sehr zuversichtlich."

Uli Hoeneß hat mit dieser teilweise holprigen Saison schon jetzt Frieden geschlossen: "Das Finale in der Allianz Arena ist die Krönung für die Spieler, die werden so was nie wieder erleben. Das ist jetzt doch noch eine tolle Saison geworden." Dafür sollte dann aber doch der Sieg im Champions-League-Finale her. Eine Niederlage bei der Chance des Lebens wäre auch nicht mit einem Sieg im DFB-Pokal-Finale gegen Borussia Dortmund am 12. Mai wettzumachen.

Gut möglich, dass Uli Hoeneß noch zweimal in dieser Saison durch die emotionale Hölle muss.

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