Inter Mailands Achraf Hakimi vor dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach: Der Ex-BVB-Star muss den Spaß am Spielen verlernen

Achraf Hakimi ist noch nicht richtig angekommen bei Inter Mailand.
© Getty Images

Achraf Hakimi fremdelt noch immer mit den Anforderungen und dem Spielsystem von Trainer Antonio Conte bei Inter Mailand. Die Fähigkeiten, die Hakimi beim BVB ausgezichnet haben, genügen Conte nicht. Der erklärt: "In Italien ist mehr Druck. Er muss an seinem defensiven Verhalten arbeiten."

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Wäre Antonio Conte abergläubisch und würde er an Glücksbringer glauben, der Trainer von Inter Mailand müsste im Do-or-Die-Spiel in der Champions League bei Borussia Mönchengladbach heute (21 Uhr, DAZN und im Liveticker) Achraf Hakimi in seine Startelf beordern.

In seinen zwei Jahren beim BVB spielte Hakimi viermal gegen Gladbach, dreimal in der Bundesliga, einmal im DFB-Pokal. Alle vier Spiele gewann der bei Real Madrid ausgebildete und beim BVB zum Spitzenspieler geformte Marokkaner. Bei seiner letzten Begegnung mit Gladbach am 7. März 2020 erzielte Hakimi beim 2:1 sogar den Siegtreffer.

Doch so legendär Contes Besessenheit von Siegen ist, an Talismänner glaubt er nicht. Das einzige Mal, dass er sich einen Bart wachsen ließ, war etwa seiner Frau zuliebe - und nicht, wie die britischen Journalisten gleich vermutet hatten, aufgrund einer zwischenzeitlichen Siegesserie seiner damaligen Chelsea-Jungs.

Für Hakimi bedeutet Contes Realismus aber auch, dass seine Situation bei Inter vor dem Aufeinandertreffen mit seinem Lieblingsgegner nicht weniger kompliziert geworden ist. Das 2:2 im Hinspiel verpasste Hakimi. Heute dürfte dem rechten Flügelverteidiger, für den Inter im Sommer 40 Millionen Euro an seinen Stammverein Real Madrid überwies, wie zuletzt zunächst ein Platz auf der Bank winken.

Hakimi bei Inter Mailand: Fataler Ballverlust gegen Real Madrid

Spätestens seit einem fatalen Ballverlust an Karim Benzema, der zum 0:1 bei der 2:3-Niederlage bei Real Madrid am 3. November führte, steht auch Hakimi in Italien in der Kritik. Vergangenen Mittwoch unterlief ihm beim 0:2 im Rückspiel gegen Real zudem ein Eigentor. Nur zwei Punkte aus vier Spielen hat Inter bisher in der Champions League gesammelt. Selbst ein Sieg heute gegen Gladbach würde nicht automatisch zum Überwintern in Europa reichen.

In der Serie A beträgt der Rückstand auf den AC Milan zwar schon fünf Punkte, aber immerhin ist Inter da wieder auf Platz zwei angelangt. Doch Hakimi spielte bei Inters überzeugendem 3:0-Sieg gegen Sassuolo am Wochenende nur eine Minute. Beim 1:1 gegen Atalanta Bergamo waren es auch nur sieben. An seiner statt spielte der reichlich unspektakuläre frühere ManUnited-Spieler Matteo Darmian (30), den Inter auf den letzten Drücker aus Parma ausgeliehen hatte, um dem Kader mehr Tiefe zu verleihen.

"Ich spreche nicht gerne über einzelne Spieler. Bei Hakimi kann ich nur wiederholen, was ich schon vor der Saison über ihn gesagt habe: Er hat sehr großes Potenzial, muss aber an seinem defensiven Verhalten arbeiten", sagte Conte am Montag in seiner Medienrunde.

Hakimi fremdelte in der Tat von Anfang an mit seiner Position im rechten Mittelfeld in Contes 3-5-2-Grundordnung. Zwar spielte er in der vergangenen Saison bei Borussia Dortmund nominell auf der gleichen Position. Doch es ist eine Sache, wenn der Trainer Lucien Favre das Positionsspiel eines Flügelverteidigers in einer Dreier-/Fünferkette bestimmt.

Hakimi muss bei Inter lernen, permanent zu leiden

Beim BVB schätzten sie Hakimi vor allem für seinen Offensivdrang, seinem Anteil am Aufbauspiel und seinen Zug zum Tor (allein in der Bundesliga kam Hakimi in der vergangenen Spielzeit auf 15 Scorerpunkte); dass sein Nachfolger Thomas Meunier noch immer mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hat, liegt auch daran, dass ihm genau die Eigenschaften fehlen, die Hakimi in der Bundesliga zum Durchbruch verhalfen.

Conte aber verlangt von einem Flügelverteidiger mehr als Favre, für den Italiener gibt es eigentlich keine wichtigere Position in seinem Spiel. Unter Conte stehen die Flügelverteidiger nominell noch höher als letzte Saison beim BVB, sie sollen das Sturmpaar Lautaro Martinez und vor allem Romelu Lukaku mit Flanken füttern, selbst in den Strafraum ziehen und am Kombinationsspiel teilnehmen. Sie müssen aber eben auch jederzeit in der Lage sein, die Defensive zu verstärken - hinten wie vorne auf dem Platz.

Conte mutet seinen Flügelverteidigern ein enormes Lauf- und Arbeitspensum zu. Hakimi und Ashley Young, der meist links spielt, müssen laufen, pressen, grätschen, kombinieren und dann am besten auch noch flanken. Kurz: Sie müssen leiden. Und das permanent.

Hakimi: Zu viele Ballverluste für Contes Geschmack

"In der Bundesliga oder in England ist mehr enjoy", sagte Conte gestern während seiner italienischen Medienrunde. Er sagte das wirklich so, enjoy, als ob er das Wort im Italienischen gar nicht kennen würde. Hakimi muss sich also an eine gewisse Freudlosigkeit während seiner Arbeit gewöhnen.

Und er muss seine Ballverluste minimieren. 85 Ballverluste seines Flügelverteidigers in 504 gespielten Minuten (alle 5,92 Minuten ein Ballverlust) in der Serie A wären für einen Trainer wie Conte auch dann nur schwer zu verdauen, wenn im Gegenzug mehr als ein Tor, zwei Assists, neun kreierte Chancen und 33 Flanken herausgesprungen wären. In der Champions League waren es 38 Ballverluste in 243 Minuten (alle 6,39 Minuten) und auf der Habenseite drei kreierte Chancen und zwölf Flanken.

Weniger enjoy, dafür mehr "pressione", mehr Druck, gäbe es in Italien, präzisierte der Coach. "Die Drucksituationen sind andere in Italien, die Erwartungen und Anforderungen an einen Spieler sind höher, speziell bei Teams wie Inter", sagte Conte. Das müssten Spieler wie Hakimi lernen und verstehen.

Wer es offenbar nicht so verstanden hat, könnte Christian Eriksen sein. Der Mittelfeldspieler ist bei Conte unten durch, steht nach nicht einmal einem Jahr schon wieder zum Verkauf. Es könnte sich ein Tausch mit Real Madrids Isco anbahnen.

Hakimi und Inter in der Champions League: Die Tabelle

SpieleTorePunkte
1414:68
249:77
343:124
444:72