Das Genie, das endlich eins sein darf

Von Mario Krischel
Der Moment, in dem Isco Real Madrid ins Champions-League-Finale beförderte
© getty

Isco hat sich in den vergangenen Monaten bei Real Madrid unverzichtbar gemacht. Dass er dabei von einer Verletzung profitierte, ist längst vergessen. Denn mit Isco hat sich auch das gesamte Spiel der Königlichen verändert. Vor dem Champions-League-Finale gegen Juventus (Sa., 20.45 Uhr im LIVETICKER) ist sein Einsatz dennoch nicht garantiert.

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Vielleicht muss man sich die Frage stellen, ob es ohne den Clasico je soweit gekommen wäre.

Doch irgendwann kam auch Zinedine Zidane nicht drum herum, das Offensichtliche zu akzeptieren.

Der Franzose hatte stets betont, sich auf keine wirkliche erste Elf festlegen zu wollen. Wie auch, wenn man sich alle drei Tage zwischen Cristiano Ronaldo, Karim Benzema und Gareth Bale oder James Rordiguez, Alvaro Morata und Isco entscheiden muss.

Inoffiziell war allen klar, dass in den großen Spielen auch seine besten Leute auflaufen. Und bei Real Madrid sind die Besten in der Regel die Teuersten. Egal, was kommt.

Deswegen durften Isco und Co. trotz stets überzeugender Auftritte wieder auf der Bank Platz nehmen.

Ende April dann passierte es erneut, dass Gareth Bale sich gegen Barcelona folgenschwer verletzte. Diesmal allerdings im entscheidenden Schlussspurt der Saison.

Probelauf gegen die Bayern

Zidane war schon einmal auf den Geschmack gekommen, wie es aussehen könnte, wenn der Waliser nicht dabei sein würde. Das war nur fünf Tage vor jenem Clasico, als Real im Viertelfinal-Rückspiel die Champions-League-Träume der Bayern begraben hatte.

Statt im über die Jahre vertrauten 4-3-3 mit CR7 über links, Karim Benzema im Zentrum und Bale auf rechts, versuchte es Zidane mit einem 4-4-2, in dem Ronaldo und Benzema den Doppelsturm bildeten und Isco für den verletzten Bale hinter die Spitzen rückte.

Wenn auch von Anlaufschwierigkeiten begleitet war es bekanntlich von Erfolg gekrönt.

Gegen die Granadas und Osasunas der Liga ließ Zidane weiterhin nicht von seiner Komplett-Rotation ab. Diese beinhaltete nun auch Isco, der sich für die Champions League schonen durfte. Oder musste.

Gegen Atletico rückte der Spanier für das Halbfinale in der Königsklasse wieder rein. Zusammen mit Ronaldo und Benzema.

Die Rückkehr zum klassischen Zehner

68 Minuten später erhoben sich abermals 80.000 Zuschauer im Bernabeu für eine abermals überragende Leistung des 25-Jährigen. Dass "Iiiiisco" inzwischen beinahe genauso häufig wie "Cristiano" durch die Runden der königlichen Kathedrale hallt, kommt nicht von ungefähr.

Es ist nicht nur die Art und Weise, wie Isco dem Spiel seinen Stempel aufdrückt, elf Tore und neun Assists mal außen vor gelassen. Mit seiner Technik, Ästhetik und Ruhe am Ball stach "El Malagueño" schon immer heraus. Inzwischen jedoch verändert er das gesamte Spiel Reals.

Dadurch, dass Isco im Gegensatz zu Bale das Eins-gegen-eins im Zentrum sucht und damit zumeist drei oder vier Gegenspieler auf sich zieht, ergeben sich lange nicht existente Räume für Ronaldo und Benzema. Isco trägt keinen geringen Anteil an der jüngsten Wiederbelebung der Tormaschine Ronaldo.

Es ist fast eine Art Rückkehr zum klassischen Zehner, den man so im Nordosten der spanischen Hauptstadt lange nicht mehr gesehen hat. Weg vom schnellen Umschaltspiel über Ronaldo und Bale auf außen, zurück zum Kurzpassspiel durchs Zentrum über Isco.

"Er hat den Madridismo im letzten Monat erobert", findet nicht nur die Marca. Er hat es auch geschafft, dass der teuerste Neuzugang der Klubgeschichte nicht unbedingt vermisst wird.

Debatte eröffnet: Wer spielt in Cardiff?

Seien es seine zwei Geniestreiche und der Last-Minute-Siegtreffer in Gijon, sein entscheidendes Tor zum 1:2 im Rückspiel bei Atletico oder seine zwei herausragenden Vorlagen auf CR7 beim vorletzten Schritt Richtung Meisterschaft in Vigo.

"Es ist Fantasie pur, wenn er den Ball hat", geriet Mitspieler Dani Carvajal ins Schwärmen. "Isco ist ein anderer Spieler. Er bringt uns so viele Dinge."

Zidane hingegen hielt sich zumeist bedeckt, wenn es um seine Nummer 22 ging. Generell, wenn es nicht gerade um Cristiano Ronaldo geht, ist der einstige Weltmeister nicht unbedingt dafür bekannt, in Euphorie zu verfallen. Isco sei ein wichtiger Spieler, hieß es dann ab und zu. "Er war stark zwischen den Linien, er hat viel Schaden angerichtet."

Vor dem Champions-League-Finale gegen Juventus Turin hat Isco nun unfreiwillig eine Diskussion eröffnet, die vor einem halben Jahr noch undenkbar erschien: Wer läuft im Endspiel auf, er oder Gareth Bale?

"Ich wünsche mir mehr als alles andere, dass er dabei sein kann", zeigte sich Zidane schon etwas offener bezüglich einer möglichen Rückkehr Bales. "Wir sind ein besseres Team, wenn er spielt."

Die Argumente für Isco

Eine Meinung, die der Großteil der Madridistas und auch der Experten nach den jüngsten Monaten nicht mehr teilt. Man stellt sich die Frage, ob Bale noch in das Konzept des halbwegs neuen Madrid passt.

Bales Power ist unbestritten, doch "wirkt Real mit ihm mehr wie das, was ihm oft nachgesagt wird zu sein: Eine Ansammlung von extrem teuren und talentierten Individualisten", analysierte der Independent. Mit Isco dagegen, dem Klebstoff zwischen Mittelfeld und Angriff, scheinen die Königlichen ein echtes Kollektiv zu sein.

Die Fans haben ihre Meinung recht eindeutig vertreten. In einer Marca-Umfrage, wer im Finale auflaufen sollte, positionierten sich 72 Prozent auf die Seite des einstigen Golden Boys Isco.

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Auch die Statistik spricht für ihn. Mit ihm in der Startelf hatte Real bis zum Rückspiel bei Atletico über ein Jahr (0:2 in Wolfsburg) kein Pflichtspiel verloren. In dieser Partie passierte es übrigens auch zum allerersten Mal in der inzwischen schon langen Karriere des 25-Jährigen, dass seine Mannschaft trotz eines Treffers von ihm verlor. Er konnte es verschmerzen.

Die Argumente für Bale

Für Bale, der in seine Geburtsstadt zurückkehrt, spricht indes, dass er bereits an den letzten zwei Finalsiegen in der Königsklasse sowie auch in der Copa nicht ganz unbeteiligt war. Während Isco sowohl in Lissabon 2014 als auch in Mailand 2016 zusehen musste, nahm der Waliser gleich zweimal eine Hauptrolle ein.

Wie sich Zidane letztendlich entscheidet, hängt natürlich zum Großteil auch von Bales gesundheitlichem Zustand ab. Zuletzt laborierte der 27-Jährige an einer Wadenverletzung.

Isco hingegen ist fit und womöglich in der Form seines Lebens. Sollte Zidane in Cardiff auf ihn verzichten, wäre das gleichzeitig ein nicht allzu gut verstecktes Signal, dass am Ende doch wieder die Ablöse entscheidet.

Isco im Steckbrief