Die Geschichte von BBC

Von Stefan Rommel
BBC und ein deutscher Nationalspieler: Benzema, Khedira, Ronaldo und Bale (v.l.)
© getty

Real Madrid hofft gegen den FC Bayern (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) vor allen Dingen auf sein neues Traum-Trio Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und Karim Benzema. Aber auch der beste Angriff der Welt hat so seine Tücken.

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Da war dieser Sprint, der so viel erzählt über den Fußball der Moderne. Die Überwacher des Spiels haben ganz genau hingeschaut bei Gareth Bales jetzt schon legendären Lauf im Finale der Copa del Rey.

59 Meter hat der Waliser von der Ballannahme ziemlich genau an der Mittellinie bis zu seinem Abschluss vor dem Tor, 31 raumgreifende Schritte wurden gezählt, das Meisterwerk dauerte etwas mehr als sieben Sekunden, Bale legte rund 8,4 Meter pro Sekunde zurück.

Das alles geschah fünf Minuten vor dem Abpfiff einer kraftraubenden Partie und nicht etwa irgendwann in der ersten Halbzeit, wenn die Beine noch frisch und der Kopf noch klar ist. Gareth Bale, einer der teuersten Spieler der Geschichte des Fußballs, hat damit das Finale um den Königspokal entschieden und Real Madrid den ersten von drei möglichen Titeln beschert.

Bale mit guter Quote

Das ist zum einen eine beruhigende Erkenntnis, da sich Real im Halbfinal-Hinspiel der Champions League mit dem FC Bayern München messen muss. Die Bayern sind der Titelverteidiger und gelten trotz ihres selbst verordneten kleinen Tiefs in der heimischen Liga immer noch als der Maßstab in der Königsklasse.

Ein erneutes Aus wie bereits vor zwei Jahren im Halbfinale gegen die Bayern liegt auch für das große Real durchaus im Bereich des Möglichen. In der Liga ist der Weg zum Titel offenbar unüberwindbar von Lokalrivale Atletico versperrt - da trifft es sich ganz gut, dass mit der Copa wenigstens eine Trophäe schon den Weg in den Schrank gefunden hat.

Und zum anderen gab Bale mit seinem Treffer auch die Antwort auf jene Fragen, was der Waliser in wichtigen Spielen für seinen neuen Klub wert sein kann. Gerade dann, wenn in Cristiano Ronaldo der überragende Spieler Reals der letzten Dekade fehlt. Wenige Tage zuvor hatte Bale gegen Borussia Dortmund auch schon getroffen, auf seinem Konto haben sich wettbewerbsübergreifend mittlerweile 20 Treffer angesammelt. Eine ordentliche Quote in der ersten Saison in Madrid.

Deutlich gefährlicher als Bayerns Angriff

Zusammen mit Ronaldo und dem Franzosen Karim Benzema bildet Bale das gefährlichste Angriffs-Trio der Welt. Ronaldo (45), Bale (20) und Benzema (23) kommen auf 88 Pflichtspieltore in dieser Saison, in der Champions League haben die Drei bereits 23 Treffer erzielt.

Das vermutete Trio der Bayern für die Partie im Santiago Bernabeu Robben-Müller-Ribery kommt auf gerade einmal zwölf Tore bisher. Zusammen haben die drei immer noch weniger Tore in der Königsklasse erzielt (57) als Ronaldo in seinen 100 Spielen allein (64). Insgesamt kommen Ronaldo, Bale und Benzema auf 108 Treffer in der Königsklasse.

Die spanische Presse hat sich vor ein paar Monaten ein etwas schiefes Akronym ausgedacht für die fabelhaften Angreifer von Real, seitdem steht "BBC" für die Angriffswucht der Königlichen. In nur neun von 52 Spielen in dieser Saison schaffte es keiner der drei Stürmer auf die Anzeigetafel.

Es gab überhaupt nur zwei Siege ohne einen Bale-Benzema-Cristiano-Treffer: Beim 3:0 in der Copa gegen Atletico, als der Gegner mit zwei Eigentoren kräftig nachhalf. Und im selben Wettbewerb beim 2:0 über Olimpic Xativa, einen Klub aus der Segunda B - da wurden Bale und Ronaldo komplett geschont, Benzema erst spät eingewechselt.

Vier Mal trug sich BBC in dieser Saison in ein- und demselben Spiel in die Torschützenliste ein, beim 7:3 über den FC Sevilla schraubten Ronaldo (drei Tore), Benzema (zwei) und Bale (zwei) den Gegner im Alleingang auseinander.

Spektakel in Orange

Ihren spektakulärsten Auftritt absolvierten sie im leuchtenden Orange. In der Arena auf Schalke war beim 6:1-Sieg jeder je zwei Mal erfolgreich, und Europa verneigte sich vor der Offensivpower dieses neuen Real Madrid. "Ronaldo führt das Dream-Team der Champions League an", schrieb Portugals Sporttageszeitung "A Bola". "Die Zukunft ist leuchtend, die Zukunft heißt Real Madrid: Bale, Ronaldo und Benzema waren Schalkes orangene Zerstörung", titelte "Mail Online".

Als in sich geschlossene Einheit funktionieren die Drei außerordentlich gut. Bale und Ronaldo sind die athletischsten Spieler der Gegenwart, ihre Muskelkraft ist beeindruckend, ihr Egoismus teilweise heillos übertrieben.

Aber auch das gehört zum System: Real ist nicht wie Barca oder die Bayern auf endloses Kombinieren in der gefährlichen Zone aus. Je näher der Ball in Richtung Tor getragen wird, desto schnörkelloser wird das Spiel der Madrilenen. Jede sich bietende Chance für einen Torabschluss wird genutzt.

Gerne wird dabei der besser postierte Nebenspieler übersehen, was bereits einige gute Chancen leichtfertig verpuffen ließ. Auf der anderen Seite ist die Qualität der drei Angreifer im Abschluss so enorm hoch, dass jeder noch so schwierige Torschuss gleichbedeutend ist mit großer Gefahr für den Gegner.

Benzema als heimlicher Schlüsselspieler

Benzema kommt im Vergleich mit den beiden Superstars immer etwas schlechter weg, dabei ist es der Franzose, der die eigentliche Arbeit im Angriff verrichtet. Ohne Benzemas kluges Verschieben auf die Außen würden sich für die Sprinter Bale und Ronaldo nicht die Räume öffnen, die sie zu einer Waffe für Real machen.

Benzema ist ebenfalls robust, aber nicht so explosiv und schnellkräftig. Dafür kann er dank seiner formidablen Technik auch aus einem verunglückten Anspiel noch etwas Brauchbares anfangen und den Ball entweder behaupten oder exakt weiterleiten.

Zudem ist er von den dreien, obwohl in vorderster Linie postiert und mit der undankbaren Aufgabe betraut, die langen Wege zwischen den beiden gegnerischen Innenverteidigern zu gehen, noch die wichtigste Figur im Defensivspiel.

Es gibt auch Probleme

Das grundlegende Problem hat auch Carlo Ancelotti bisher noch nicht endgültig lösen können: Es gibt immer wieder Spiele, da bleiben BBC von der Zufuhr an Zuspielen förmlich abgeschnitten. Gerade gegen spielstarke Mannschaften, wenn sich Real in seinem 4-3-3 bei eigenem Ballbesitz und den beiden auf Zuspiele in die Tiefe lauernden Flügelspielern im Mittelfeld einer Überzahl an gegnerischen Verteidigern gegenübersieht.

Dass weder Bale noch Ronaldo in der Defensivarbeit mit besonderem Fleiß glänzen, ist keine neue Erkenntnis und vom Rest des Teams - insbesondere der Dauerrenner Angel di Maria und Luka Modric - noch einigermaßen aufzufangen. Wenn aber das Angriffs-Trio nicht mehr nachhaltig mit Zuspielen gefüttert werden und sich selbst nicht in Abschlussposition bringen kann, hat Real Madrid das größte Problem überhaupt.

Eine entscheidende Frage wird deshalb sein, wie sich Real im zentralen Bereich des Spielfelds positionieren wird. Das 4-4-2 zuletzt in der Copa gegen Barca, wenn die Katalanen den Ball hatten und Real es sich in einer engmaschigen Aufstellung gemütlich machen konnte, muss gegen die Bayern schon wieder modifiziert werden.

Gegen Barcelona fehlte Ronaldo, weshalb Bale auf seine Lieblingsposition nach links rückte und auf der rechten Seite Isco den klaren halbrechten Mittelfeldspieler gab.

Rekord scheint unerreichbar

Mit der Rückkehr von Ronaldo gegen die Bayern verändert sich die Statik insofern, da Bale deutlich mehr wird nach hinten arbeiten müssen. Vielleicht fehlen dann selbst dem Superathlet in der Offensivbewegung ein wenig die nötigen Zentimeter. Allerdings muss Bale wegen einer Magenverstimmung noch um seinen Einsatz bangen.

Eine Sache dürfte jetzt schon auch für das magische Trio unerreichbar sein: Im besten Fall, also beim Erreichen des Champions-League-Finales, hat Real Madrid in dieser Saison noch acht Partien zu bestreiten. An das beste Dreigestirn der Neuzeit kommen BBC wohl nicht mehr heran.

Ronaldo (60 Tore), Benzema (32) und Gonzalo Higuain (26) schossen in der fantastischen Meistersaison von 2011/12 förmlich alles kurz und klein. 118 Tore waren es am Ende in allen Wetbewerben. Sie dürften noch ein Weilchen unerreichbar bleiben.

Das ist Real Madrid