Watschn für Hugo Sanchez

Von Interview: Florian Bogner
Keine Gnade für Auge: Klaus Augenthaler fliegt 1987 im Madrider Bernabeu mit Rot vom Platz
© Imago

Klaus Augenthaler stand mit dem FC Bayern München fünf Mal im Landesmeistercup-Halbfinale. Kaum einer erlebte mit den Münchnern so viele internationale Sternstunden und so viele bittere Niederlagen. Im Interview spricht die Bayern-Legende über Backpfeifen für Hugo Sanchez, sein berühmtes Eigentor in Belgrad, geheime Mannschaftssitzungen in seinem Party-Keller und die verloren gegangene Schafkopf-Kultur im Team des FC Bayern.

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SPOX: Herr Augenthaler, als Spieler standen Sie zwischen 1981 und 1991 mit dem FC Bayern fünf Mal im Landesmeister-Cup-Halbfinale. Welche Erinnerungen blieben besonders haften?

Klaus Augenthaler: Es waren wirklich fünf Halbfinals? Real Madrid 1987 und Roter Stern Belgrad 1991 sind mir noch in bester beziehungsweise schlechtester Erinnerung.

SPOX: 1981 gegen Liverpool (0:0/1:1), 1982 gegen ZSKA Sofia (3:4/4:0) und 1990 gegen den AC Milan (0:1/2:1 n.V.) waren Sie auch dabei. Aber bleiben wir doch bei Real Madrid - wieso ist das Spiel noch parat?

Augenthaler: Weil ich da vom Platz geflogen bin!

SPOX: Stimmt. Nach dem 4:1 im Hinspiel wartete im Bernabeu ein heißer Tanz auf Sie.

Augenthaler: Ich weiß noch, dass man trotz eines 4:1 im Hinspiel nicht hundertprozentig davon ausgehen konnte, dass man weiter kommt. Spiele gegen Real waren das Größte, noch mehr als damals gegen Inter oder Milan zu spielen. Und auswärts war immer Feuer unter dem Dach.

SPOX: Ihnen und Jean-Marie Pfaff sind damals im Bernabeu allerhand Gegenstände um die Ohren geflogen, unter anderem eine 30 cm lange Eisenstange...

Augenthaler: Das war damals aber normal, solche Szenen kannten wir auch aus Mailand. Die Fans waren damals massiv in ihrem Stolz getroffen, wenn ihr Team gegen den FC Bayern verlor. Wahrscheinlich, weil sie dachten, sie hätten von den Namen her eigentlich die bessere Mannschaft.

SPOX: Erzählen Sie uns vom Spiel in Madrid.

Augenthaler: Wir lagen schnell 0:1 hinten, dann habe ich schon nach 30 Minuten Rot gesehen. Wenn wir dann auch noch das 0:2 kassiert hätten, wäre das Ausscheiden nicht mehr weit gewesen. Gott sei Dank haben die Jungs das 0:1 halten können.

SPOX: Wie kam es zu dem Platzverweis?

Augenthaler: Hugo Sanchez hat mich provoziert und ich habe mich hinreißen lassen. Ich habe ihn an der Mittellinie gefoult und beim Aufstehen rammte er mir beide Beine gegen die Brust. Ich bin ihm dann nachgelaufen und habe ihm von hinten eine kleine Watschn auf den Hinterkopf gegeben. Ich habe extra geschaut, wo der Schiedsrichter steht. Der hat's auch nicht gesehen - dafür aber der Linienrichter. Auf den habe ich nicht aufgepasst.

SPOX: Wie haben Sie den Rest des Spiels verfolgt?

Augenthaler: Den habe ich gar nicht mehr mitbekommen! Ich musste ja in die Kabine und damals gab es dort noch keinen Fernseher. Hin und wieder schaute mal ein UEFA-Mitarbeiter rein, ob ich auch brav bin. Und dann hört man nur die Kulisse - wrooom, wie ein Jumbo-Jet beim Start. Da klingt jede Torchance wie ein Tor für den Gegner. Es kam mir unendlich lange vor.

SPOX: Und dann kamen die Kollegen rein.

Augenthaler: Ein unbeschreiblicher Moment. Ich glaube, ich war in dem Moment glücklicher als nach dem WM-Titel drei Jahre später. Wenn wir ausgeschieden wären, hätte ich mir wegen der Roten Karte schreckliche Vorwürfe gemacht.

SPOX: Parallele zu Franck Ribery, auch wenn dieser noch auf eine milde Strafe hofft: Sie verpassten damals das Finale.

Augenthaler: Ja, aber das war nicht so schlimm. Ich hatte zuvor schon einige Muskelfaserrisse, war ständig fit gespritzt und dann machte mir auch noch mein Rücken einen Strich durch die Rechnung. Das Finale in Wien gegen Porto verbrachte ich nach einer Bandscheibenoperation zuhause vor dem Fernseher - im Stehen.

SPOX: Sie standen, das ganze Spiel über?

Augenthaler: Ja, ich durfte mich immer nur kurz hinsetzen. Und dann frisch operiert zwei Stunden stehen - das tat mehr weh als das Hackentor von Madjer und die Niederlage.

Teil 2: Augenthaler über sein bitteres Karriere-Ende