Ein Raunen geht durch die Allianz Arena. Der Heimsieg des FC Bayern im vorletzten Heimspiel der Saison droht doch noch zu platzen. Und das in der 86. Minute. Gegen den Tabellenletzten, den SV Darmstadt 98. Nach einer ungestümen Attacke von Juan Bernat gegen Sven Schipplock zeigt Schiedsrichter Guido Winkmann auf den Punkt. Elfmeter.
Der eingewechselte Sidney Sam schnappt sich entschlossen den Ball. Doch dann folgen Diskussionen. Es geht hin und her. Schließlich steht der Ex-Münchner Hamit Altintop bereit. Ein Tor zum Punktgewinn des Trotzdem-Absteigers gegen den alten Verein klingt verlockend. Oder vielleicht geht nach dem Ausgleich sogar noch mehr?
Überlegungen, die Sekunden später ad acta gelegt werden können. Denn Altintop hat die Rechnung ohne Bayerns Schlussmann gemacht: Tom Starke. Der Aushilfstorwart bleibt lange stehen, fliegt aus seiner Sicht ins linke untere Eck - und wehrt zur Seite ab. Damit krönt der 36-Jährige seine einwandfreie Leistung und sich selbst zum Mann des Spiels.
Starke: "Ich wollte unbedingt zu Null spielen"
"Im ersten Moment", gibt Starke hinterher in der Mixed Zone zu, "habe ich mich geärgert. Ich wollte unbedingt zu Null spielen, deshalb brauchte ich nicht unbedingt einen Elfmeter gegen mich."
Doch er hielt ihn und spielte wie gewünscht zu Null.
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Für Starke war es ein unverhoffter Einsatz. Erstmals überhaupt seit März 2014 stand er wieder im Tor des FC Bayern. Die Verletzungen von Manuel Neuer (Fußbruch) und Sven Ulreich (Bänderverletzung im rechten Ellenbogen) spülten den Mann aus Freital nach über drei Jahren wieder ins Team.
Motivationsprobleme nach dem Titelgewinn
Gedacht habe er nicht, dass er noch einmal in einem Bundesligaspiel für die Bayern im Tor stehen werde, gab Starke zu: "Wenn man als Nummer drei in die Saison geht, rechnet man nicht unbedingt damit, viel Spielpraxis zu bekommen. Dran geglaubt habe ich aber immer. Ich habe im Fußball ja schon so einiges erlebt in meinem Alter."
Als er am Freitagabend davon erfuhr, im Tor zu stehen, dachte Starke mit Sicherheit auch nicht unbedingt, dass er sich so häufig werde auszeichnen müssen. Doch er musste - und er tat es.
Vor allem in der zweiten Halbzeit wurde immer offensichtlicher, dass die Münchner nach der sicher eingefahrenen Meisterschaft ein paar Motivationsproblemchen hatten. Die Abstände waren nicht mehr so konsequent klein, das Verschieben behäbig, im Rückwärtsgang nicht immer der volle Einsatz zu sehen. Und so kamen die Lilien zu unerwartet vielen Chancen.
Endstation Starke
Doch ein ums andere Mal hieß die Endstation Starke. Ob beim Drehschuss von Platte, beim Kopfball von Banggaard, beim Robben-Trick von Sirigu oder eben bei Altintops Elfmeter.
"Wir waren sehr glücklich über seine super Leistung", lobte Trainer Carlo Ancelotti den Schlussmann auf der Pressekonferenz im Bauch der Allianz Arena: "Er hat seine fantastische Qualität und seinen Charakter gezeigt. Er hat nie gespielt, aber er war heute bereit. Deswegen freut sich jeder für ihn."
Einen besonderen Szenenapplaus holte sich der Neuer-Ulreich-Vertreter ab, als er den heraneilenden Platte mit einer Körpertäuschung technisch anspruchsvoll aussteigen ließe. Mit aller Ruhe, mit guter Technik.
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Sechs Bundesligaspiele, fünfmal zu Null
Sowieso fühlte sich Starke wohl dabei, nach über drei Jahren endlich mal wieder vor ausverkauftem Haus in der Arena auflaufen zu dürfen: "Natürlich ist es etwas anderes als in den Trainingseinheiten. Beim Training sind ja auch nicht 75.000 Zuschauer mit dabei. Ich habe jede Minute genossen, das sage ich ganz ehrlich. Schon beim Warmmachen hatte ich ein sehr gutes Gefühl, die Fans haben mich super empfangen. Auch deshalb hat es heute über 90 Minuten einfach nur Spaß gemacht."
In seinem sechsten Bundesligaspiel für die Bayern hielt Starke zum fünften Mal den Kasten sauber (dazu gab es ein 3:3 im März 2014 gegen die TSG 1899 Hoffenheim).
Der ultimative Titelsammler
Pointiert - und mit einem Augenzwinkern - formuliert, ist Starke der ultimative Titelsammler bei den Bayern. Insgesamt acht Pflichtspiele stand er auf dem Rasen, gewann dabei 13 Titel. Alle 55 Einsatzminuten freute sich der Keeper also über eine Trophäe.
Die Zukunft des 36-Jährigen in München ist derweil ungewiss. Sein Vertrag läuft zum Saisonende aus. Muss der FC Bayern neben dem wahrscheinlichen Abgang der Nummer zwei, Sven Ulreich, auch den routinierten dritten Torhüter ersetzen?
Ein wertiger Ersatz, wenn es brennt
"Wir werden uns in der kommenden Woche zusammensetzen und alles Revue passieren lassen", sagte Starke: "Wir haben von Anfang an gesagt, dass bei mir keine Eile besteht, weil ich ohnehin in München bleiben werde. Ich engagiere mich schon ein bisschen im Nachwuchs und will damit auch nächstes Jahr im Nachwuchsleistungszentrum weitermachen."
Fakt ist: Starke ist ein Sympathieträger im Team und hat am Samstagnachmittag gegen Darmstadt bewiesen, dass er auch sportlich ein wertiger Ersatz sein kann, wenn es brennt.
Insofern war der Auftritt in der Allianz Arena vielleicht mehr als ein Bonbon für einen charakterlich einwandfreien, verdienten Spieler. Sondern ein Empfehlungsschreiben an die Bayern-Bosse.
Bayern - Darmstadt: Daten zum Spiel