Vor dem letzten Schritt aus der Hölle

Von Benedikt Treuer
Michael Frontzeck holte in vier Spielen mit Hannover fünf Punkte
© Getty

16 Spiele lang wartete Hannover 96 auf einen Dreier. Auf den Tag genau fünf Monate nach dem Hinspiel gegen den FC Augsburg platzte der Knoten - gerade rechtzeitig, um den drohenden Super-GAU vielleicht doch noch abzuwenden. Die Protagonisten haben wenig verändert und doch alles richtig gemacht. Doch Luzifer ist noch in Lauerstellung.

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"Ich wusste gar nicht mehr, wie es ist, zu gewinnen", schaute Leon Andreasen nach dem Schlusspfiff etwas verdutzt drein: "Wir sind hierher gekommen, um was zu holen - drei Punkte haben wir, glaube ich, aber nicht erwartet", gab Hannovers Mittelfeldmann zu.

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In der Tat konnte niemand auf Anhieb erklären, wie Hannover die Punkte aus Augsburg entführt hatte. "Es ist ein sehr geiles Gefühl. Das Glück - wie im heutigen Spiel - nehmen wir auch", so Andreasen, den das Zustandekommen auch nicht weiter interessierte.

Dass Schiedsrichter Felix Zwayer dem FCA zwei Elfmeter verwehrte und bei den beiden 96-Toren trotz strittiger Szenen zuvor weiterspielen ließ, hatte sicherlich einen Anteil am Erfolg der Gäste - unverdient war der Sieg deshalb aber trotzdem nicht.

Den Glauben nie verloren

Denn Hannover war in den letzten Wochen stets bemüht. Das war unter Korkut so und hat sich auch mit Frontzeck nicht geändert. Was in den vergangenen Spielen aber oftmals fehlte, waren die letzten Prozent Überzeugung und ein platzender Knoten.

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Gegen Augsburg war es soweit - zum richtigen und wohl letztmöglichen Zeitpunkt: "Unsere Belohnung musste ja auch irgendwann kommen, wir haben in den letzten Begegnungen gar nicht so schlecht gespielt", sagte ein erleichterter Andreasen, der den Abstiegskampf verstanden hat: "Es ist zwar schwer, aber wenn man den Glauben verliert, ist man direkt weg."

Den wahrte 96 trotz der stark aufkommenden Unruhe im Umfeld aber immer. Unfassbare 16 Spiele waren Stindl und Co. sieglos geblieben. Zuletzt verspielte man noch zwei Führungen gegen Bremen und Wolfsburg. Es war zum Verrücktwerden.

Der Teufelskreis schließt sich

Dass sich dieser Teufelskreis - aus dem die Niedersachsen seit dem 16. Dezember vergebens versuchten, auszubrechen - ausgerechnet gegen Augsburg wieder schloss, ist eine andere Geschichte. Der Hinspiel-Sieg war Hannovers letzter Sieg gewesen. Damals stand man noch auf Platz acht - vier Punkte hinter der direkten CL-Quali.

Ungeachtet der Tabelle hat sich in Hannover seitdem ein bisschen was verändert - tatsächlich nicht mehr als ein bisschen, im Saison-Endspurt wohl aber die entscheidenden Kleinigkeiten. Es war klar, dass Michael Frontzeck in der kurzen Zeit nicht viel würde verändern können. Dazu fehlte schlichtweg die Zeit.

Doch das wollte und musste der neue Trainer auch gar nicht. Das Team funktionierte. Und es gehorchte. Lediglich an wenigen Stellschrauben drehte Frontzeck seit seiner Anstellung - Drehschrauben, die Hannover in den letzten drei Spielen fünf Punkte sicherten.

Nicht weltbewegend, aber effektiv

Der wohl effektivste Zug Frontzecks war es, Jimmy Briand nach Joselus schwacher erster Halbzeit im Wolfsburg-Spiel zum Stürmer Nummer eins zu machen. Drei Assists und ein Tor steuerte Briand seitdem bei. Er reibt sich auf, macht die richtigen Wege und hat das Auge für die Mitspieler.

Zudem hat der Coach dafür gesorgt, dass Lars Stindl trotz des frühzeitig feststehenden Wechsels nach Gladbach leistungstechnisch nicht abgefallen ist. Seine Beorderung auf die Außenbahn war kein weltbewegender Coup, zahlt sich im Nachhinein aber durch große Effektivität aus.

Und so war es bezeichnend, dass ausgerechnet der abwandernde Kapitän seinen Jungs mit dem Doppelpack in Augsburg wohl das wichtigste aller Abschiedsgeschenke bereitete. Es war sinnbildlich für die Befreiung und das Aufatmen bei 96, zumal Hannover in dieser Saison noch nicht einmal gewonnen hatte, wenn Stindl traf. Auch diese (nichtige) Statistik ist damit passé.

In Augsburg überwiegt der Stolz

Lob gab es deshalb auch vom Gegner: "Man hat gesehen, dass Hannover für jeden Meter gelaufen und jeden Zweikampf angegangen ist", sagte FCA-Kapitän Paul Verhaegh, dessen Frust über das verlorene Spiel nicht lange währte.

"Hinterher ist es immer schön zu erfahren, dass die Mannschaften hinter uns auch verloren haben. Aber es war eigentlich unsere Aufgabe, das Spiel selbst zu gewinnen", so Verhaegh: "Wir wollten uns gut von unseren Fans verabschieden, das hat aber leider nicht geklappt."

Völlig im Recht lag er damit aber nicht, denn trotz der Niederlage ist der FCA so gut wie sicher in der Europa League. Die Konkurrenten Dortmund und Bremen, die ebenfalls beide verloren, treffen am letzten Spieltag im direkten Duell aufeinander und nehmen sich gegenseitig die Punkte. "Wenn man auf die ganze Saison schaut, können wir mit der Entwicklung zufrieden sein", befand deshalb Halil Altintop.

"Es ist doch klar, dass wir vor einem Jahr sofort unterschrieben hätten, dass wir so eine Saison spielen werden. Wir können stolz darauf sein", beendete der Türke das Kapitel 33. Spieltag. In der Tat gilt es Markus Weinzierls Team zur erfolgreichen Saison zu gratulieren - auch, wenn der Schlussakt wenig mit dem überzeugenden Erfolg der Hinrunde zu tun hatte.

Der letzte Schritt aus der Hölle?

Auf Hannover wartet dagegen noch ein hartes Stück Arbeit. Auch wenn Frontzecks Elf den Klassenerhalt am letzten Spieltag jetzt wieder aus eigener Kraft schaffen kann, zahlt sich der Sieg in Augsburg nur dann aus, wenn man auch den finalen Schritt noch konsequent setzt.

"Wir haben noch nichts zu feiern. Das sollte uns allen bewusst sein", mahnte Ron-Robert Zieler und Klub-Präsident Martin Kind schlug in die gleiche Kerbe: "Euphorie ist jetzt der falsche Ratgeber, Realismus und Vernunft sind gefordert."

Ein Punkt im Heimspiel gegen Freiburg könnte zum Klassenerhalt reichen, wenn Stuttgart nicht in Paderborn gewinnt - mit einem Sieg ist Hannover auf jeden Fall gerettet. Das weiß auch Andreasen, der aber auch warnt: "Jetzt haben wir es noch selbst in der Hand, obwohl wir in der Hölle waren und auch immer noch sind." Gegen den SCF soll Luzifer dann endgültig aus Niedersachsen vertrieben werden.

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