Mit der MS 39 zurück nach Europa

Von Benjamin Wahlen
Borussia Mönchengladbach geht mit drei Neuzugängen in die kommende Saison
© getty

In den Tagen vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs in einer Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Borussia Mönchengladbach

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Es ist etwas mehr als zwei Jahre her. Nach einer furiosen Aufholjagd in der Bundesliga rettet sich Borussia Mönchengladbach in die Relegation, setzt sich gegen den VfL Bochum durch und sichert den Klassenerhalt. In der Folgesaison erreicht Mönchengladbach sogar den Champions-League-Qualifikationsplatz und gehört plötzlich wieder zu den Adressen in Deutschland, die man im Kampf um das internationale Geschäft auf dem Zettel haben muss.

Dass es in der letzten Saison nur für Platz acht gereicht hat, wird nach dem Verlust dreier Leistungsträger dennoch als Achtungserfolg empfunden. "Das wir die zweitbeste Saison seit 17 Jahren gespielt haben geht mir bei der allgemeinen Betrachtung zu häufig unter. Andere Vereine sind unter solchen Voraussetzungen abgestürzt", sagte Max Eberl. Die Borussia ist wieder wer und froh, dass man sich über kurz oder lang nicht mehr mit den akuten Abstiegssorgen vergangener Jahre beschäftigen muss.

Das ist neu

Die Frage nach Neuem in Mönchengladbach ist nur zu beantworten, wenn man vorher festlegt, welches zeitliche Fenster für diesen Vergleich bemüht werden soll. Legt man die letzten zehn Jahre zu Grunde, dann ist neu, dass man die Augen vor der kommenden Saison nach oben richten kann. Der Name Mönchengladbach wird mit dem Kampf um die internationalen Ränge in Verbindung gebracht und nicht in einem Zuge mit denen der Abstiegskandidaten genannt.

Neu ist auch die Konstanz am Niederrhein. Kaum eine Mannschaft verschliss im letzten Jahrzehnt ähnlich viele Trainer, Manager und Spieler wie die Borussia. Inzwischen sitzen mit Max Eberl und Lucien Favre zwei Erfolgsgaranten, die mit langfristigen Verträgen ausgestattet sind, fest im Sattel. Es ist Ruhe eingekehrt, im Verein und im Umfeld.

Es gibt allerdings auch große Unterschiede im Vergleich zum letzten Jahr, wo Gladbach der tollen Vorsaison und der enormen Leistungssteigerung einiger Spieler Tribut zollen musste und schmerzhafte Abgänge zu verzeichnen hatte. Vor der kommenden Spielzeit sieht es anders aus. Das Interesse großer Vereine an Spielern wie Marc-Andre ter Stegen oder Patrick Herrmann wurde zwar als schmeichelhaft aufgenommen, ein Verkauf allerdings nicht in Ansätzen in Erwägung gezogen.

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Zusätzlich konnte man mit Max Kruse die Überraschung der Vorsaison nach Mönchengladbach locken. Ein Spieler, an dem auch viele andere Vereine Interesse hatten und der zudem, aufgrund seiner Ausstiegsklausel, ein echtes Schnäppchen war. Für die zuletzt fehlende Kreativität und Konstanz im zentralen Mittelfeld wurden der Brasilianer Raffael und Christoph Kramer verpflichtet.

Ebenso viele Hoffnungen ruhen aber auf den Akteuren, die bereits vor einem Jahr verpflichtet wurden. Nach durchschnittlichen Auftritten in der letzten Saison sind Granit Xhaka, Luuk de Jong und Branimir Hrgota in den Fokus gerückt. Die Eindrücke der Vorbereitung lassen bei allen Dreien eine enorme Leistungssteigerung erahnen. Talente wie Mahmoud Dahoud, Amin Younes und Julian Korb haben merklich aufgeholt und könnten zu entscheidenden Faktoren werden.

Die Taktik

Trainer Lucien Favre gilt als einer der taktisch versiertesten Trainer der Bundesliga. Kaum ein Coach verbringt so viel Zeit mit der Recherche und Analyse unterschiedlichster Systeme und Varianten. Um das Spielsystem der Borussia zu erklären, reichen die gängigen Bezifferungen daher nicht ganz aus. Zu variabel sind einige Positionen definiert, zu oft ändert sich das Spielverhalten der Mannschaft während einer Partie.

Auf dem Papier ähnelt die Aufstellung Mönchengladbachs wohl am ehesten einem 4-4-2 mit einer hängenden Spitze und zwei relativ offensiven Außenspielern im Mittelfeld. Während des Spiels kann sich das System aber je nach Gegner und Situation zu einem 4-2-3-1 oder 4-4-1-1 verändern.

Eiserne Regel in Favres Gedanken ist die Defensivarbeit. Vom Innenverteidiger bis zum Stoßstürmer kennt jeder seine Aufgaben in der Rückwärtsbewegung. Lauffaulheit und mangelnder Einsatz werden nicht toleriert und mit der Bank oder Tribüne beantwortet.

Der Spielaufbau soll dem Gegner schon in dessen eigener Hälfte erheblich erschwert werden. Stürmer, Außenspieler und die beiden Sechser im Wechsel pressen mit enormem Laufaufwand gegen den Ball.

Überschreitet der Gegner die Mittellinie, wechselt Gladbach in den Modus "verschlossenes Zentrum". Da alle Außenspieler einrücken und das Mittelfeld dicht machen, bleibt dem Gegner meist nur der Angriff über die Außen, dem Gladbach mit einer kopfballstarken Innenverteidigung und einem fangsicheren Torhüter begegnet.

Die Verpflichtung von Kruse und Rafael hat Lucien Favres Möglichkeiten nun um ein paar weitere Optionen erhöht. Beide sind in der Lage drei bis vier Positionen im Offensivbereich zu bekleiden und den Gegner auch während des Spiels durch ständiges rochieren zu verwirren.

Sie scheinen ihren Platz in der Mannschaft sicher zu haben. Gekämpft wird dagegen noch auf den Außenverteidiger-Positionen, wo Filip Daems das Rennen gegen Oscar Wendt vorerst für sich entschieden hat. Julian Korb übt den erwünschten Druck auf Rechtsverteidiger Toni Jantschke aus und erhielt im Pokalspiel sogar den Vorzug. Auf der Doppelsechs wird Gladbach die Saison mit Havard Nordtveit und Granit Xhaka beginnen. Christoph Kramer und Routinier Thorben Marx sitzen den beiden jedoch im Nacken.

Der Spieler im Fokus

Martin Stranzl. Als unumstrittener Führungsspieler, Leistungsträger und Abwehrchef ist Martin Stranzl Lucien Favres verlängerter Arm auf dem Platz. Seine Routine, sein Stellungsspiel und seine Kopfballstärke ermöglichen es der Borussia, den Gegner zum Angriff über die Außen einzuladen.

Vor einem Jahr benachrichtigte Stranzl die Vereinsführung Mönchengladbachs, dass er sein Engagement bei der Borussia mit Ende der abgelaufenen Saison nicht fortsetzen wolle und seine Karriere stattdessen in seiner Heimat im Burgenland ausklingen lassen wolle. Dank andauernder Überzeugungsarbeit von Favre und Max Eberl konnte Stranzl zu einer weiteren Saison überredet werden.

Da die Basis des Favreschen Systems auf einer stabilen Abwehr beruht, wird in der kommenden Saison viel vom Österreicher mit der Nummer 39 auf dem Rücken abhängen. Schafft Stranzl es ein weiteres Jahr die Reihen der Borussia zusammen zu halten, steuert Mönchengladbach europäische Häfen an.

Das Interview

Frage: Herr ter Stegen, am Freitag treffen Sie nun zum Auftaktmatch der Bundesliga auf die Bayern. Könnte das die Chance für schnelle Wiedergutmachung der Pokal-Pleite sein?

Marc-Andre ter Stegen: Erstmal müssen wir zusehen, dass wir dieses Spiel abhaken. Das wird auch nicht ganz einfach. Aber ab Montag beginnt eine neue Woche und wir müssen uns darauf konzentrieren. Wir haben ein tolles Spiel vor uns und wollen natürlich in München gut abscheiden.

Frage: Bis dahin steht aber noch Arbeit an...

Ter Stegen: Ich hoffe, dass wir es als Mannschaft gut hinbekommen, wieder kompakt zu stehen. Im Vergleich zu heute wird es aber natürlich ein komplett anderes Spiel sein. Ich bin auch gespannt. Hoffentlich holen wir da etwas Gutes.

Die Prognose

Borussia Mönchenglach steht vor Jahr eins nach dem Übergang. Der Verlust dreier Leistungsträger konnte zumindest in Teilen aufgefangen und die internationale Doppelbelastung kompensiert werden. An der erneuten Qualifikation für die Europa League scheiterte man denkbar knapp.

Da sämtliche Schlüsselspieler gehalten wurden und der Kader qualitativ und in der Breite weiter verstärkt wurde, gilt die Borussia auch trotz des frühen Scheiterns im Pokal als sicherer Kandidat für die oberen Tabellenränge. Realistisch ist ein Platz unter den ersten Sechs. Greifen viele Rädchen ineinander, kann man sogar einen Blick auf Rang vier riskieren.

Die Verantwortlichen selber bleiben vorsichtig: "Wir reden von zehn, elf Klubs, die es nach Europa packen können", so Eberl.

Borussia Mönchengladbach im Überblick