Wiese war der Nürnberg-Motivator

SID
Claudio Pizzaro raufte sich nicht nur einmal die Haare. Er vergab einige Chancen
© Getty

Den Spott wollte er nicht auch noch ertragen. Ab in die Kabine, schnurstracks. Nichts hören, nichts sagen - am liebsten nicht einmal gesehen werden. Die 0:1-Niederlage im Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg reichte Tim Wiese, da wollte der Werder-Torhüter nicht auch noch zum Spießrutenlauf antreten und auf sein Karnevals-Geschwätz angesprochen werden.

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Erst als die meisten Kameras abgebaut waren und die Trainer ihre Sicht der Dinge erläuterten, kam Wiese aus der Kabine. Die Haare frisch gegelt, blieben die Statements des Nationalkeepers nach der ersten Bremer Pleite des Jahres ungewohnt einsilbig.

Dabei hatte Wiese eine gute Leistung gezeigt. Beim ersten Auswärtstor der Nürnberger in der Bundesliga-Rückrunde von Alexander Esswein (65. Minute) war er machtlos. Ansonsten überzeugte er durch Zuverlässigkeit und einen Reflex gegen Tomas Pekhart (39.).

Wiese bleibt kleinlaut trotz starker Leistung

Doch Wiese wusste, warum er kleinlaut blieb. Und sein Keeper-Kollege Raphael Schäfer konnte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Wenn ein Nationaltorhüter 5:0 für seine Mannschaft tippt und dann 0:1 verliert, dann haben wir die richtige Antwort gegeben."

Mit seiner kühnen Voraussage zu Wochenbeginn hat Wiese als "Club"-Motivator einen prächtigen Job gemacht. Unbedacht womöglich, wie Nürnbergs Hanno Balitsch verriet. Wiese habe ihm gesagt, dass er im falschen Moment gefragt worden sei.

"Er war gerade im Karneval unterwegs", erzählte Balitsch nach dem Gespräch mit dem "jecken" Wiese. Der Tipp prangte dann die ganze Woche an der Nürnberger Kabinentür. "So was würde ich doch auch zur Motivation nutzen", sagte Werder-Geschäftsführer Klaus Allofs trocken.

Vier Tage vor dem Länderspiel im Weserstadion gegen Frankreich musste sich Wiese seine Ansprüche auf den Platz im Tor von Bundestrainer Joachim Löw verkneifen - und den Hinweis auf die Notwendigkeit einer Vertragsverlängerung bei Werder Bremen gleich mit. Die steht seit Wochen im Raum - zu besseren Konditionen als die momentan rund 2,8 Millionen Euro per anno, wenn es nach Wiese geht.

"Bis April werden wir wissen, wo der Weg hingeht"

"Bis April werden wir ganz sicher wissen, wo der Weg hingeht. Ich glaube, dass wir eine Vertragsverlängerung anstreben sollten."

Ein klares "Ja" könne er nicht verkünden, sagte Allofs, "weil ich nicht weiß, was wirtschaftlich möglich sein wird und weil ich nicht weiß, wie die Vorstellungen von Tim Wiese sein werden". Die drei verlorenen Punkte gegen Nürnberg könnten Bremen im Kampf um die internationalen Plätze am Ende fehlen.

Nach der zweiten Heimniederlage der Saison herrschte Katzenjammer in Bremen. Das Glücksgefühl der Vorwoche, als die Grün-Weißen euphorisch vom Nordderby aus Hamburg zurückkehrten, ist Ernüchterung gewichen und Allofs' Erkenntnis, "dass wir noch nicht so weit sind".

"Wir haben den Kopf ausgeschaltet"

"Der Wille hat uns übermannt; und wir haben den Kopf ausgeschaltet", sagte Trainer Thomas Schaaf. In Berlin nächste Woche, wenn es im Olympiastadion ein Wiedersehen mit Werder-Legende Otto Rehhagel gibt, sollen die Fehler abgestellt sein. Kapitän Clemens Fritz fehlt gelbgesperrt.

Gegen clevere Nürnberger konnte Werder 62:38 Prozent Ballbesitz und 20:11 Torschüsse nicht ausnutzen. Vier Prozent weniger gewonnene Zweikämpfe sind ein Fingerzeig. Die vergebenen Großchancen von Claudio Pizarro und Marko Marin ein weiterer.

"Wir wollten den Befreiungsschlag und endlich auswärts einen Dreier holen", sagte "Club"-Trainer Dieter Hecking nach dem zweiten Sieg in Serie. Vom Abstieg redet in Franken keiner mehr, "obwohl ich natürlich weiß, dass 28 Punkte noch nicht zum Klassenverbleib reichen". Die Art und Weise, wie sich das Team seit der Winterpause präsentiere - das sei es, was ihn zuversichtlich mache.

Hecking: "Bin ein glücklicher Trainer"

"Wir haben deutlich an Stabilität gewonnen. Deshalb bin ich ein glücklicher Trainer", sagte Hecking. Das soll nächste Woche im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach ohne den gelbgesperrten Balitsch so bleiben.

Tim Wiese wollte das Glück schließlich erzwingen. In der Nachspielzeit stürmte er mit nach vorn, doch die rheinische Frohnatur erlebte am Ende einen zweiten Aschermittwoch. Trost fand er ausgerechnet beim Gegner. "Wenn solche Tipps schon zum Sieg reichten", sagte Hecking, "bräuchten wir ja keine Prämien mehr zu zahlen."

Bremen - Nürnberg: Daten zum Spiel

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