Dzeko und Grafite zerlegen Bayern

Von Thomas Gaber/Christian Günthner
Bayerns Breno (r.) hatte Wolfsburgs Grafite anfangs gut im Griff. In Hälfte zwei drehte Grafite auf
© Getty

Der VfL Wolfsburg hat am 26. Spieltag der Bundesliga den FC Bayern München durch einen 5:1 (1:1)-Sieg demontiert, den achten Dreier in Folge eingefahren und die Tabellenführung übernommen.

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Vor 30.000 Zuschauern erzielten Christian Gentner (44.), Edin Dzeko (63./65.) und Grafite (74./77.) die Tore für die Mannschaft von Trainer Felix Magath, für die Bayern traf Luca Toni (45.).

Jürgen Klinsmann kassierte vier Tage vor dem Champions-League-Spiel beim FC Barcelona seine höchste Niederlage als Bundesligatrainer.

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Wolfsburg zum ersten Mal im Jahr 2009 ohne personelle Änderung im Vergleich zum letzten Spiel. Bei Bayern gibt Luca Toni sein Comeback nach fünfwöchiger Verletzungspause. In der Innenverteidigung spielt Breno neben Lucio. Daniel van Buyten fehlte aus familiären Gründen, Martin Demichelis gelb-gesperrt.

3.: Van Bommel haut Dzeko an der Mittellinie von hinten in die Beine. So tragisch war es nicht, Kinhöfer zeigt dennoch Gelb.

5.: Erster guter Angriff. Ribery schickt Lahm auf links. Der flankt fast von der Grundlinie an den 5-Meter-Raum. Poldi und Toni verpassen, aber Schweinsteiger kommt an den Ball. Zuviel Rücklage, der Kopfball geht weit übers Tor.

22.: Dzeko!! Starke Aktion an der Mittellinie. Dann schickt er Misimovic auf links, der auf Höhe des 16ers quer legt. Wieder steht Dzeko frei, der den Aufsetzer aber nicht richtig trifft und Lucio anschießt.

34.: Lucio liegt nach einem bösen Foul von Dzeko minutenlang am Boden. Schiri Kinhöfer wird's zu bunt, er zeigt dem Brasilianer den gelben Karton.

39.: Der Kleine muss es richten: Ribery hinterläuft Lahm, aber der zieht selbst mit dem Ball am Fuß in die Mitte. 18 Meter vor dem Tor zieht er ab. Aber Benaglio hält ohne Probleme.

44., 1:0, Gentner: Misimovic haut die Ecke von links an das kurze Fünfereck. Gentner spurtet in den Ball und nickt ein. Toni und Lucio schauen hier schlecht aus. Aber die Zuordnung stimmt allgemein nicht.

45., 1:1, Toni: Freistoß von halb-rechts. Ze Roberto verlängert auf den zweiten Pfosten. Lucio köpft, aber Benaglio holt den Ball irgendwie raus. Toni setzt nach und grätscht den Ball drei Meter vor dem Tor rein.

46.: Erste Aktion. Foul. Gelb. Diesmal erwischt es Toni, der Josue am Trikot zieht.

63., 2:1, Dzeko: Gentner spielt auf Schäfer nach links. Der gewinnt das Laufduell gegen Schweinsteiger. Die direkte Flanke kommt flach auf den kurzen Pfosten. Dzeko rauscht an, Breno pennt kurz, und aus vier Meter haut er den Ball rein.

66., 3:1, Dzeko: Was für ein Konter. Benaglio wirft auf Dzeko ab. Der auf Misimovic. Von der Mittellinie aus schickt er Dzeko wieder lang. Der nimmt den Ball stark mit dem Außenrist mit und schiebt aus 16 Metern den Ball ins kurze Eck. So einfach geht's!

74., 4:1, Grafite: Gentner spielt Grafite hoch am Elfmeterpunkt an. Der macht eine Körpertäuschung und das reicht, um Breno zu irritieren. Grafite dreht sich und schiebt den Ball aus sechs Metern ins lange Eck.

77., 5:1, Grafite: Ja, spinnst du! Grafite spielt mit Ottl, Lell und Rensing Jojo und spitzelt den Ball mit der Hacke ins linke Eck. Tor des Jahres!

So lief das Spiel: Die Bayern zu Beginn sehr konzentriert und mit mehr Ballbesitz als Wolfsburg. Der VfL verzichtete auf Pressing, die Mittelfeldspieler waren in den ersten zehn Minuten zu weit weg vom Mann. Weil die Hintermannschaft aber die Bayern-Stürmer im Griff hatte und jederzeit auf Ballhöhe war, gab es für Keeper Diego Benaglio nichts zu tun.

Nach einer Viertelstunde wurde Wolfsburg stärker und hatte die erste große Torchance durch Edin Dezko (22.). In der Folge entwickelte sich eine zerfahrene Partie mit vielen Fouls und wenig Höhepunkten. Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer bewertete einige Zweikämpfe falsch und verteilte seltsame gelbe Karten. Erst unmittelbar vor der Pause überschlugen sich mit den beiden Toren die Ereignisse.

Nach der Pause änderte sich zunächst nichts. Torchancen Fehlanzeige, intensive Zweikämpfe und Fouls dagegen en masse. Eine klasse Flanke von Schäfer und Dzekos 14. Saisontor brachen das Eis. Dzeko und Grafite wirbelten die Bayern in der Folge gehörig durcheinander und schossen einen sensationellen 5:1-Sieg heraus. Die Bayern hatten dem VfL ab der 65. Minute nichts mehr entgegenzusetzen.

Der Star des Spiels: Edin Dzeko und Grafite. Unfassbar, wie abgezockt die beiden VfL-Stürmer ihre Chancen einmal mehr nutzten. Dzeko leitete zwei Torchancen, darunter das 3:1, selbst ein, indem er sich den Ball in der eigenen Hälfte holte. Der Mann ist derzeit durch nichts und niemanden aufzuhalten. Nebenmann Grafite sah in Hälfte eins keine Sonne gegen Breno, aber allein sein sensationelles Solo und der noch sensationellere Abschluss mit der Hacke zum 5:1 waren das Eintrittsgeld wert.

Die Gurke des Spiels: Die Bayern-Abwehr zwischen der 63. und 77. Minute. Bis dato gab es für Wolfsburg fast keine Torchance aus dem Spiel. Was sich Breno, Lucio, Lahm, Lell und später Ottl in besagtem Zeitraum leisteten, ist mit peinlich noch höflich beschrieben. Wolfsburg spielte Katz und Maus mit den Bayern, kein Verteidiger kam überhaupt in die Nähe des Balles. Bayern-Torhüter Rensing war die ärmste Sau auf dem Platz.

Die Lehren des Spiels: Wolfsburg holte den achten Ligasieg in Folge, weil die Mannschaft zwei elementare Dinge perfekt vereinigte. Die Abwehr um Simunek und Barzagli machte einen nahezu perfekten Job.

Der richtige Abstand zum Mittelfeld wurde stets eingehalten. Rechtsverteidiger Pekarik stand Ribery permanent auf den Füßen und entnervte den Franzosen. Lukas Podolski und Luca Toni waren bei den Innenverteidigern in den besten Händen.

Zum anderen treffen die Torjäger wie eh und je nach Belieben. Dzeko erhöhte sein Torekonto auf 15, Grafite seines auf 20. Wolfsburg spielte in der zweiten Halbzeit den Stil, den eigentlich die Bayern unter Trainer Klinsmann für sich proklamieren: Schnelle, schnörkellose Pässe, viel Laufarbeit und zwei Torjäger in Überform.

Völlig unerklärlich dagegen der peinliche Einbruch der Münchner nach dem 2:1 durch Dzeko. Bis zur 63. Minute gab es keine Beanstandung. Doch dann fiel die Mannschaft innerhalb von einer Viertelstunde in ihre Einzelteile und wurde aufs Übelste abgewatscht.

Taktische oder spieltechnische Mängel sind dem Team nicht unbedingt vorzuwerfen, es wurde ab der 63. Minute schlichtweg jeder Zweikampf verloren. Beängstigend, wie sich die Mannschaft in ihr Schicksal ergab - und das vier Tage vor Barcelona!

Wolfsburg - Bayern: Daten und Fakten