FC Bayern - Nicht unter Druck setzen lassen! FCB sollte im Poker um Harry Kane die Strategie ändern

Von Sebastian Mittag
Harry Kane, Tottenham
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In den Verhandlungen um den Transfer von Harry Kane scheinen es der FC Bayern und der Spieler selbst aktuell eilig zu haben. Die Münchner Verantwortlichen könnten aber eigentlich auf eine andere Strategie setzen. Ein Kommentar.

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Die Verhandlungen um einen Transfer werden oft mit Poker verglichen. Dieser Vergleich trifft auch zu - aber viele, die ihn anstellen, haben sich nie tiefer mit dem Pokerspiel auseinandergesetzt.

Poker ist ein sehr komplexes Spiel, es geht nicht bloß darum, das Gegenüber mit immer höheren Einsätzen irgendwann zum Aussteigen zu bewegen. Oder auch mal zu bluffen und damit vorzugeben, eine Hand zu haben, die man überhaupt nicht hat. Eine der wichtigsten Komponenten des Pokerspiels ist: Geduld.

Poker ist auch und vor allem ein Geduldspiel. Anfänger am Pokertisch machen meist den gleichen Fehler: Stellen sich Erfolge nicht sofort ein, bekommen sie das Gefühl: "Mir rinnen die Chips durch die Hände!" Dann gehen sie zu früh zu hohe Risiken ein und gefährden so den Gesamterfolg. Und in vielen Fällen viel Geld.

Es fehlt also eine Grundqualifikation des guten Pokerspielers: Geduld. Meistens gewinnt derjenige mit dem besten Sitzfleisch. Die großen Gewinne werden oft verteilt, wenn die Konkurrenz spät in der Nacht müde wird, schon ins Bett will oder vielleicht schon etwas zu viel getrunken hat. Der erfolgreiche Pokerspieler schlägt also oft erst ganz am Schluss zu.

Transferperiode endet am 1. September um 18 Uhr

Wie kann man diese Erkenntnis also auf den Transferpoker um Harry Kane anwenden? Aktuell erweckt die Berichterstattung über den Transfer des englischen Stürmerstars den Eindruck, als hätten es die Bosse des FC Bayern eilig.

Sogar ein Ultimatum soll es gegeben haben: Wenn Tottenham Hotspur nicht bis vergangenen Freitag 0 Uhr das Angebot der Münchner annehme, sollte der Transfer demnach vom Tisch sein. Ob es dieses Ultimatum tatsächlich jemals gab, kann schwer nachgeprüft werden. So viel ist sicher: Spurs-Boss Dany Levy hat zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall nicht dem Verkauf Kanes zugestimmt. Und der Transfer ist weiterhin nicht vom Tisch.

Jetzt steht die nächste Deadline im Raum. Kane persönlich soll den Spurs kommuniziert haben: Entweder der Klub stimmt seinem ersehnten Wechsel an die Isar noch vor dem ersten Premier-League-Spiel der Spurs bei Brentford am 13. August zu, oder der Transfer sei für ihn vom Tisch.

Wirklich? Und: Warum eigentlich?

Die Transferperiode endet erst am 1. September um 18 Uhr. Bis dahin kann der Deal über die Bühne gebracht werden.

Warum sollten sich alle Parteien freiwillig der zwei restlichen Wochen bis dahin berauben?

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Letztes Heimspiel in Tottenham gegen United?

Kane wäre nicht der erste Spieler, der noch die ersten Spiele für seinen bisherigen Verein absolviert, bevor er wechselt. Diese Lösung könnte sogar ihren Charme haben. Am 2. Spieltag trifft Tottenham zu Hause auf Manchester United - den Verein, der auch immer mal wieder an Kane interessiert gewesen sein soll. Dann könnte sich Klub-Ikone Kane nochmal vor ausverkauftem Haus von seinen Spurs-Fans verabschieden.

Die Bayern auf der anderen Seite müssen es eigentlich auch nicht eilig haben: Natürlich würde man den Münchner Fans den neuen Star Kane am liebsten schon beim ersten Pflichtspiel der Saison in der Allianz Arena präsentieren. Aber den Supercup am 12. August gegen RB Leipzig kann man zum Beispiel auch mit Youngster Mathys Tel im Sturmzentrum bestreiten und wäre immer noch Favorit im Spiel gegen den Pokalsieger. Außerdem war der Supercup traditionell noch nie der wichtigste Titel für die Münchner.

Wenn die Bayern geduldig bleiben und bis ganz zum Ende der Transferperiode abwarten können, wären sie in einer sehr guten Verhandlungsposition: Kane hat offenbar schon klargestellt, dass er nur zum FC Bayern will und eine Verlängerung bei den Spurs für ihn nicht in Frage kommt.

Vorausgesetzt, Kane steht zu seinem Wort, hätte Levy dann nur noch zwei Optionen: Seinen Star im nächsten Sommer ablösefrei ziehen lassen. Oder das letzte Angebot der Bayern - wahrscheinlich irgendwo um die 100 Millionen Euro - annehmen. All-in!

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Robben und Alonso kamen auch erst spät

Die Bayern brauchen sich nicht zu früh unter Druck setzen lassen. Levy selbst wartete in der Vergangenheit gerne bis zum letzten Tag der Transferperiode. Prominentestes Beispiel: Der Wechsel von Gareth Bale zu Real Madrid. Nicht nur hofft er so, das meiste Geld aus seinen Verhandlungspartnern rauszuquetschen. Auch würde man dem stolzen Spurs-Boss aus Bayern-Sicht helfen, sein Gesicht zu wahren. Alle Tottenham-Fans wüssten dann: Levy hat bis zur letzten Minute um die Identifikationsfigur Kane gekämpft.

Die Bayern werden das bedenken, sie sind ja auch nicht neu im Geschäft. Das stellte Uli Hoeneß zuletzt persönlich in Richtung Levy klar: "Er ist, wie ich finde, ein ausgebuffter, super Profi, ich schätze ihn sehr - aber ich glaube, auf der anderen Seite sind wir auch nicht Leute, die das seit gestern machen."

Tatsächlich sitzen die Verantwortlichen des FC Bayern schon seit Jahrzehnten an den Pokertischen der großen Transfers - und wissen ganz genau, dass sich Geduld dabei auszahlt. Beste Beispiele sind die Transfers von Xabi Alonso und Arjen Robben.

Beide wurden erst verpflichtet, als die Saison schon lief, ganz am Ende der Transferperiode. Beide brauchten null Eingewöhnungszeit und standen kurz nach ihrer Landung schon auf dem Platz. Beide wurden Leistungsträger und Superstars beim FC Bayern. Die Bayern handelten spät in der Transferperiode und wurden belohnt. Das könnte auch die richtige Strategie im Poker um Harry Kane sein.

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