Thomas Tuchel mit knallharter Analyse nach Pleite gegen RB Leipzig: Die Pressekonferenz im Wortlaut

Von Filippo Cataldo / Tim Ursinus
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Trainer Thomas Tuchel die Gründe für die Niederlage des FC Bayern München gegen RB Leipzig auf der anschließenden Pressekonferenz auf eindrucksvolle Art und Weise analysiert. SPOX zeigt die Aussagen im Wortlaut.

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Schon am Sky-Mikrofon nannte Tuchel erste Gründe für das 1:3 gegen die Sachsen und übte Kritik an seinen Spielern. Durch die Pleite droht nun der Verlust der Tabellenführung an den BVB, der am Sonntag beim FC Augsburg gastiert.

Auf der obligatorischen Pressekonferenz nach Abpfiff ging Tuchel dann etwas mehr ins Detail.

Thomas Tuchel: Die anschließende Pressekonferenz im Wortlaut

Tuchel zu Beginn der Pressekonferenz: "30 Minuten waren okay. Nicht mehr als okay, aber okay. Okay genug für uns, um verdient zu führen, okay genug, um höher zu führen. Aber nicht das, was wir von uns erwarten, nicht das, was ich gedacht habe, dass wir auch auf den Platz bekommen können nach den letzten Wochen und letzten Tagen. Aber immer noch okay. Nach 30 Minuten zum ersten Mal eine Leistungsdelle, sind reaktiv geworden, schlampig geworden, schon in der ersten halben Stunde sehr viele Ballverluste gehabt. Ballverluste, Ballgewinne, Ballverluste auf einem viel zu hohen Niveau. In der zweiten Halbzeit sind wir dann ohne Not schlampig geworden und haben den Faden verloren. Freilaufverhalten, Positionierung, Entscheidungen, die wir getroffen haben, technische Fehler. Ich hatte gerade Zeit, die ersten drei, vier Minuten der ersten Halbzeit von uns anzuschauen, da sind einfach vier krasse technische Fehler, Entscheidungsfehler in der Positionierung, da sind Räume, die nicht sein dürfen, wir verlieren die Bälle. Die Räume sind zu groß gegen den Ball, es ist zu wenig Aufwand, wenn wir den Ball haben. Es ist deutlich unter dem, was wir uns vorstellen, wie wir Fußball spielen wollen. Dann lässt du die gesamte zweite Halbzeit einfach zu, dass wir ein Spiel verlieren. Das ist passiert. Wir haben kräftig mitgeholfen."

Frage: Wie erklären Sie sich diesen Einbruch nach 30 Minuten? Fehlt es da an Führungsspielern auf dem Platz?

Tuchel: "Ich weiß es nicht, ich glaube nicht. Ich sehe die Mannschaft jeden Tag, wie sie trainiert und wie sie miteinander umgeht in den letzten Wochen, nur das kann ich beurteilen. Sehr positive Entwicklung. Ich mach's jetzt auch ein paar Jahre und kann beurteilen, wie die Qualität im Training ist und wie die Stimmung ist. Wir hatten eine richtig gute Zeit in den letzten paar Wochen. Wir haben uns das auch nicht schöngeredet. Zum Thema Führungsspieler: Es geht um Positionierung, es geht um die kleinen Dinge, die zählen. Was wir im Training machen, muss man auch auf dem Platz machen. Wenn ich mich im Training zwei, drei Meter freilaufe, um dem Mitspieler zu helfen, dann muss ich das auch im Spiel machen. Völlig egal, wie es steht und welche Spielminute es ist. Wenn die Räume nicht mehr besetzt sind und wir aufhören, nach unseren Prinzipien zu spielen, dann wird es schwierig und wir schaffen es nicht mehr, es in die richtige Richtung zu drücken. Und deswegen bin ich enttäuscht, weil wir das so viel besser können. Wir bewegen uns zu wenig mit Ball, wir bewegen uns zu wenig, wenn wir angreifen, wir müssen das Feld enger halten, müssen gemeinschaftlich klarer und fehlerfreier spielen. Wenn wir das nicht tun, dann ist das ganz natürlich, dass wir eine zweite Halbzeit in Mainz verlieren und dass wir heute ein Spiel aus der Hand geben. Das haben wir, bei allem Respekt vor dem Gegner, heute komplett selbst aus der Hand gegeben, ohne dass der Gegner etwas tun musste dafür."

[...]

"Wir werden alles auf den Kopf stellen. Ich werde mir dieses Spiel natürlich noch einmal ansehen und versuchen zu analysieren und versuchen zu verstehen, wie wir so einen krassen Rückschritt machen konnten. Wie wir in so einer Phase, in der alle Schritte in die richtige Richtung gehen, uns nach 30 Minuten entscheiden, in die komplett andere Richtung zu gehen. Ich weiß nicht, ob ich eine Antwort bekomme, wenn ich isoliert das Spiel anschaue, davor habe ich ein bisschen Sorge, dass mir das Spiel technische und taktische Antworten liefert. Aber wieso das so passiert in dieser Phase? Ich weiß nicht, ob ich das herausbekomme. Dortmund schaue ich mir ganz sicher nicht an."

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Thomas Tuchel: "Ich kann ihnen nicht sagen, wieso das fehlt"

Frage: Können Sie erklären, was der Mannschaft fehlt?

Tuchel: "Ja, ich kann erklären, was uns heute gefehlt hat. Aber ich kann ihnen nicht sagen, wieso das fehlt. Das ist für mich unerklärlich, weil wir alles in die richtige Richtung gebracht hatten und das klar funktioniert hat. Wir haben dann aufgehört, uns zu bewegen, uns zu helfen, wir waren nicht mehr mutig genug, waren nicht mehr klar positioniert und haben nicht mutig gespielt. Mutig spielen heißt nicht, verrückte Dinge zu machen, sondern dein Verhalten an die Situation zu adaptieren. Wir haben uns zu wenig von der letzten Linie an bewegt, unser Feld war zu weit, in der zweiten Halbzeit haben wir viel zu viele einfache Fehler gemacht, ich habe keine Rhythmuswechsel mehr gesehen. Das sind die Sachen, die ich gesehen habe. Ich kann sehr gut erklären und beweisen, was wir alles falsch gemacht haben heute, aber ich weiß nicht, wo das alles herkam. Es kam von absolut nichts."

Frage: Fühlen Sie sich ohnmächtig wie noch nie als Trainer heute?

Tuchel: "Ne, es ist nicht zum ersten Mal. Es ist unverständlich, man weiß gar nicht mehr, wo man anfangen soll: Defensivverhalten, Anlaufverhalten, in der Kompaktheit, Ballbesitz? Unser Spiel wird so fehlerhaft, so zögerlich, so wenig Rhythmus, so wenig Biss in unserem Spiel. Der Biss, auch mit Ball den Gegner auszuspielen, jede Möglichkeit zu nutzen. Die Spielgeschwindigkeit ist nicht hoch genug von der 30. Minute bis zur Halbzeit. Wir haben das in der Halbzeit angesprochen, wir hatten so viele Themen, da müssen wir jetzt analysieren und versuchen, wieder einen Ansatz zu finden am Dienstag, aber das Spiel ist komplex. Kommst du aus dem Druck raus, kommst du nicht aus dem Druck raus? Wenn alles nur noch halbherzig und zögerlich und schlampig kommt, dann hängt das ganze Spiel und dann sieht es so aus, wie es heute aussieht."

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