Vom "Griff ins Klo" zum Hoffnungsträger: Bayer Leverkusen setzt jetzt auch auf einen Spieler des FC Bayern

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Bayer Leverkusen geht als souveräner Tabellenführer ins neue Jahr, muss aber auf Anhieb große Herausforderungen bewältigen. Es fehlen Leistungsträger, doch die größten Gefahren liegen abseits des Platzes. Wird der Werkself die aus der Vergangenheit bekannte Leverkusenhaftigkeit im Weg stehen?

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Bislang war das Leihgeschäft ein Griff ins Klo. Für alle Parteien. Für Josip Stanisic, Bayer Leverkusen und Bayern München. Der Rechtsverteidiger, für eine Saison vom Rekordmeister an die Werkself ausgeliehen, kam dort bislang nur zu neun Startelfeinsätzen verteilt auf 14 Pflichtspiele.

In der Bundesliga wurde Bayer das Maß aller Dinge ohne ihn - achtmal saß Stanisic über die gesamten 90 Minuten draußen. Acht seiner Einsätze sammelte er in DFB-Pokal und Europa League. "Es wäre eine Lüge, wenn ich sagen würde, es ist alles perfekt", sagte der 23-Jährige im Dezember.

Nun, im Januar, könnte er endlich auch in der Liga häufiger gebraucht werden. Dem Tabellenführer stehen zünftige Herausforderungen ins Haus und es wäre eine wahre Meisterleistung, wenn sich Bayer am Ende davon nicht beeindrucken ließe.

Zunächst muss das Team von Trainer Xabi Alonso auf die Afrika-Cup-Fahrer Odilon Kossounou (Elfenbeinküste), Edmond Tapsoba (Burkina Faso) und Amine Adli (Marokko) verzichten. Auch Victor Boniface wäre für Nigeria dabei gewesen, doch der Top-Torjäger zog sich eine schwerwiegende Muskelverletzung zu und wird nun wohl sogar weite Teile der Rückrunde verpassen.

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Bayer Leverkusen: Wird Josip Stanisic Teil von Xabi Alonsos Lösung sein?

Das allein ist schon eine Menge Holz, gerade wenn man bedenkt, dass Kossounou und Tapsoba echte, formstarke Stützen der besten Abwehr der Liga waren (nur zwölf Gegentore). Bis zum 11. Februar und sechs Pflichtspiele könnten sie maximal fehlen. Somit sind die Plätze halbrechts (Kossounou) und halblinks (Tapsoba) in der Dreierkette vakant. Einzig der zentrale Mann Jonathan Tah steht zur Verfügung, jedoch auch bei derzeit vier Gelben Karten.

Alonso muss sich also eine Lösung einfallen lassen - die mit, aber auch ohne Stanisic denkbar ist. Beim 4:1 im Testspiel gegen Venedig musste der kroatische Nationalspieler passen. Tah verteidigte daher rechts, der lange wegen eines im Juni erlittenen Mittelfußbruchs fehlende Piero Hincapie links. Im Zentrum agierte etwas überraschend der eigentliche Sechser Robert Andrich, der diese Rolle schon in der Vorsaison beim Heimsieg über den FC Bayern innehatte.

Hält Alonso an der Variante mit Andrich fest, wird sich Stanisic mit Hincapie duellieren müssen. Denkbar ist jedoch auch das Modell, das der Spanier bereits beim abschließenden Bundesligaspiel des Jahres 2023 testete, in dem er einen Probelauf für die Zeit ohne die Afrika-Cup-Fahrer unternahm: ohne Andrich, dafür mit Stanisic und Hincapie an Tahs Seite. Leverkusen siegte 4:0.

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Bayer Leverkusen: "Brutal wichtig, nochmal einen guten Start hinzulegen"

"Josip kann diese Rolle sehr gut ausfüllen. Gegen Bochum hat er es gut gemacht, war auch davor an Toren beteiligt und hat sich offensiv eingebracht", sagte Sportdirektor Simon Rolfes über Stanisic. "Wir sind fest davon überzeugt, dass er wunderbar bei uns reinpasst."

Sechser Granit Xhaka erklärte zu den Herausforderungen des neuen Jahres: "Die Spieler, die jetzt ihre Chancen bekommen, haben schon gezeigt, dass sie uns helfen können. Wir sind eine Mannschaft, die sich gegenseitig helfen muss. Vor allem jetzt zu Beginn dieser Saisonphase, in der es brutal wichtig ist, nochmal einen guten Start hinzulegen."

Dass Hincapie und Stanisic jedoch die Stärken von Tapsoba und Kossounou eins zu eins auf den Platz bringen, davon sollte man nicht ausgehen. Tapsoba glänzte vor allem mit klugen Pässen im Aufbauspiel, die teils das gegnerische Pressing aushebelten. Der schnelle Kossounou dagegen schaltete sich immer wieder in höheren Gefilden des Platzes mit ein und half beim Kombinieren. Dazu strahlten beide eine gehörige Präsenz aus.

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Bayer Leverkusen: Die größten Gefahren liegen abseits des Platzes

Im Sturm dürfte der Ausfall von Boniface durch Patrik Schick, einen gänzlich anderen Stürmertypen, abgefedert werden. Der Tscheche ist kaltschnäuziger als der Nigerianer vor dem Kasten, muss nach seiner langen Verletzungspause aber erst noch die richtige Balance auf dem Feld wiederfinden. Mit sechs Toren und einer Vorlage in neun Pflichtspielen sowie einem Treffer im Test gegen Venedig sieht das bei Schick aber bereits recht gut aus. "Patrik ist absolut bereit für die nächsten Wochen", sagte Rolfes dem kicker.

Das Fehlen dieser Leistungsträger ist definitiv ein herber Verlust, könnte aber eben nur eine von mehreren Schwierigkeiten sein, die Bayer in der Rückrunde moderieren muss. Gerade Alonso, der bislang selten rotierte und auf eine eingespielte Mannschaft zurückgriff, wird nun zwangsläufig häufiger Personal tauschen müssen. Auch in der Europa League, wo man künftig deutlich mehr gefordert sein wird als noch gegen die qualitativ überschaubaren Gruppengegner.

Die größten Gefahren liegen aber in Thematiken, die abseits des Platzes aufkommen werden - und von allen Beteiligten besondere mentale Stärke erfordern. Der Druck unterm Bayer-Kreuz wird naturgemäß steigen, denn: Leverkusen ist nun der Gejagte, die Art und Weise des Fußballs der Alonso-Elf nicht entschlüsselt, aber bekannter, man hat nun auch schlichtweg etwas zu verlieren und steht deutlicher im Fokus.

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Wird Leverkusen die bekannte Leverkusenhaftigkeit im Weg stehen?

Das vom Verein nach vielen zweiten Plätzen bereits 2010 patentierte Wort "Vizekusen" dürfte mit jedem möglichen Wackler eine Renaissance erleben. Es werden Transfer-Spekulationen hinzukommen, die gerade bei ohnehin umworbenen Spielern wie Florian Wirtz oder Jeremie Frimpong an Schärfe gewinnen könnten.

Andererseits deutete bislang wenig darauf hin, dass dem Team die aus der Vergangenheit bekannte Leverkusenhaftigkeit großartig im Weg stehen könnte. Dafür präsentierte sich Alonsos Mannschaft zu souverän und stabil, die auch gegen Venedig nach 55 Minuten bereits wieder vier Tore erzielt hatte und wie aus einem Guss aufspielte.

Ob dies am Ende tatsächlich zum ganz großen Wurf und dem ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte reichen wird, steht freilich auf einem ganz anderen Blatt. Immerhin vernimmt man aus Leverkusen kein aufgesetztes Understatement, sondern erfrischend klare Töne wie jene von Anführer Xhaka: "Gewonnen ist noch nichts. Wir wissen, dass wir noch mehr machen müssen. In der Rückrunde wird es auf jeden Fall schwieriger als in der Hinrunde. Weil die Gegner uns auch nochmal besser analysiert haben. Aber wir werden alles dafür tun, dass wir mindestens so eine Rückrunde wie die Hinrunde spielen. Und dann hoffen wir, dass wir am Ende der Saison da stehen, wovon viele träumen."

Xabi Alonso, Bayer Leverkusen
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Bayer Leverkusen: Die drei Bundesligaspiele der Werkself im Januar 2024

DatumWettbewerbGegner
13. Januar, 15.30 UhrBundesligaFC Augsburg (A)
20. Januar, 18.30 UhrBundesligaRB Leipzig (A)
27. Januar, 18.30 UhrBundesligaBor. Mönchengladbach (H)
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