Dortmunds Sieg in Mainz: Der Anti-BVB und Roses guter Plan

Von Stefan Rommel
Von wegen Sorgenkind: Dortmunds Abwehr(spieler) und Keeper Gregor Kobel hielten schon wieder die Null
© getty

Borussia Dortmund siegt in Mainz mit eher ungewohnten Mitteln - und dank einer Wechsel-Taktik seines Trainers, die sehr gut angepasst war auf den Zustand des Gegners. Kann die "Schalke-Saison" jetzt sogar im totalen Triumph enden? Drei Erkenntnisse zum Sieg in Mainz.

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Dortmunds Schalke-Saison - mit welchem Ende?

Augsburg (2:1), Köln (2:0), Stuttgart (2:1), Bielefeld (1:0) und nun Mainz (1:0): Der BVB erhebt den Arbeitssieg mittlerweile ein wenig zur Kunstform. Über die Kräfteverhältnisse beim Sieg gegen Mainz gibt es ja die unterschiedlichsten Auffassungen, während alle Mainzer Beteiligten die Gastgeber als bessere Mannschaft sahen, wollte Dortmunds Coach Marco Rose das so nicht stehen lassen.

Einig waren sich alle Beobachter nur in der Annahme, dass das kein besonders schönes Fußballspiel war, sondern ein zähes Ringen - das auf beide Seiten hätte kippen können. Wieder einmal war es der BVB, der sich in einem Fifty-fifty-Spiel die Punkte schnappte und das mittlerweile auch schon als Qualität in dieser Saison verbuchen kann.

Die gute Punktausbeute dieser wechselhaften Saison mit den vielen Spielen, in denen die Mannschaft spielerisch deutlich unter ihrem Leistungsvermögen bleibt, erinnert ein bisschen an das, was der Rivale Schalke 04 vor ein paar Jahren vorgemacht hatte. Die Schalker nutzten damals die Gunst der Stunde und gingen auf Platz zwei durchs Ziel. Auch damals mit vielen Spielen, die nicht besonders schön anzuschauen waren und eher erarbeiteten Siegen in engen Spielen.

Aber im Vergleich zu Schalke damals hat der BVB eben die deutlich besseren Voraussetzungen - was wiederum tatsächlich in ein echtes Titelrennen in den letzten paar Saisonspielen münden könnte. Während Schalke mit 21 Punkten Rückstand auf die Bayern Vizemeister wurde und "nur" der Beste vom Rest war, hat Dortmund acht Spieltage vor Schluss bei lediglich vier Punkten Rückstand zumindest eine reelle Chance auf die Meisterschaft.

Zuletzt hat die Mannschaft trotz mal wieder heftiger Personalprobleme stark gepunktet, die verletzten, angeschlagenen, kranken Spieler dürften bald zurückkommen oder sind schon zurück und verleihen dem Kader dann wieder mehr Qualität und Tiefe. Ein Umstand, der gegen nicht sattelfeste Bayern noch wichtig werden könnte. Der BVB hat jedenfalls noch genug Potenzial, das brach liegt - und das er nun in der entscheidenden Phase aber auch abrufen müsste.

Dann kann die Schalke-Saison nicht schalkig auf Platz zwei enden. Sondern mit dem Titel. Und das wäre nach dieser Saison eine kleine Sensation.

Das ist jetzt der Anti-BVB

Sehr speziell an dieser Spielzeit ist auch, dass Dortmunds Spiel wirkt wie eine zu kurze Bettdecke: Mal sind die Füße bedeckt, dann friert es an der Nase. Ruckelt man dann die Decke nach oben, wird es an den Füßen kalt. Beim BVB heißt das: Es gibt entweder offensive Kreativität und Durchschlagskraft oder defensive Kontrolle. Aber nur ganz selten beides zusammen.

Aktuell geht in der Offensive - auch auf Grund der Ausfälle - nicht besonders viel. Aber die Defensive hält - trotz der vielen Ausfälle - plötzlich hinten dicht. Zwei Spiele in Folge ohne Gegentor gab es in dieser Saison in der Bundesliga noch gar nicht. "Wir mussten wieder viel Wucht verteidigen. Das haben wir gut hinbekommen, haben wieder zu Null gespielt", sagte Rose bei DAZN.

Zuletzt fuhr die Mannschaft sechs Punkte ein mit den Tugenden, die ihr oft genug auch schon abgesprochen wurden: Mit Widerstands- und Leidensfähigkeit, dem nötigen Biss und mehr Kampf als Kunst. "Es war nicht das schönste Spiel. Aber wir haben bis zum Ende daran geglaubt. Jeder muss das Maximum an Energie in das Spiel reinstecken, das ist sehr wichtig für uns. Es gibt immer Tage, wo du nicht gut spielst - da muss man als Team zusammenrücken", sagte Emre Can.

Seine Mannschaft muss derzeit mit recht minimalistischem Fußball auskommen - und gegen Mainz sogar mit einem Tor nach einem Standard. Auch das ist nicht unbedingt die Lieblingsdisziplin, eher sogar eine Schwachstelle. Aber auch das hat jetzt endlich mal wieder geklappt.

Rose wählt die richtige (Wechsel-)Taktik

Er wolle jetzt nicht schlau daherreden, hat Rose nach dem Spiel auch noch gesagt und gemeint: Den Sieg jetzt nicht überbewerten oder auf die eine oder andere Art versuchen zu erklären. Sehr offensichtlich war aber, dass Roses Mannschaft in der letzten halben Stunde der Partie zuerst immer mehr Ballbesitz hatte und dann zumindest in Phasen auch zwingender wurde.

Die Mainzer Delegation kam aus einer zweiwöchigen Quarantäne, die Mannschaft hatte im Prinzip kaum trainiert, niemand konnte die körperliche Verfassung der einzelnen Spieler auch nur annähernd einschätzen, einige von ihnen bekamen erst am Spieltag grünes Licht der medizinischen Abteilung. Dagegen waren Dortmunds Probleme trotz erneut acht Ausfällen fast schon Luxus. Es war jedenfalls anzunehmen, dass Mainz im Verlauf der Partie körperliche Probleme bekommen könnte. Und genau das war dann auch der Fall.

Und wie die Mainzer, die ohnehin schon auf ihr ansonsten in Heimspielen praktiziertes, flächendeckendes frühes Pressing verzichteten und allenfalls situativ ins Angriffspressing aufrückten, nach einer Stunde ein bisschen müder wirkten und nicht mehr ganz so giftig, konnte der BVB dank frischer Kräfte von der Bank das Spiel an sich reißen.

Rose startete in die Partie mit dem 1B-Angriff, mit Donyell Malen, Thorgan Hazard und Marius Wolf auf den offensiven Positionen im 4-3-3. Das Trio wurde dann schrittweise ersetzt durch Erling Haaland, Gio Reyna und Julian Brandt. Mit dem Brecher Haaland musste sich der Fokus der Mainzer Abwehr verändern, was wiederum ein paar Löcher in den Halbräumen entstehen ließ: Platz für Brandt und Reyna.

Dass Rose es bei diesen drei Wechseln seiner Offensivreihe beließ, kann Zufall sein. Es ist aber eher zu vermuten, dass sich das Trainerteam auf eine zähe Auseinandersetzung mit einer der heimstärksten Mannschaften vorbereitet hatte und der Plan mit einer taufrischen Offensive bei entsprechendem Spielverlauf und Spielstand einkalkuliert war. Und dann geht dieser Sieg auch auf Rose und seine Trainerkollegen.

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