BVB vs. Greuther Fürth - das Märchen von Dickson Abiama: In drei Jahren von der Kreisklasse in die Bundesliga

Von Stanislav Schupp
Dickson Abiama hat einen atemberaubenden Aufstieg hingelegt.
© getty

Aus der Kreisklasse in die Bundesliga innerhalb von nur drei Jahren? Für Greuther Fürths Dickson Abiama ist genau dieser Traum im Sommer Realität geworden. In seinem ersten Profijahr erlangte der Stürmer dabei bereits vereinsinternen Legendenstatus.

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"Ich wusste nicht, was ich da genau getan habe", gesteht Dickson Abiama immer noch leicht ungläubig im Gespräch mit SPOX und Goal angesprochen auf den 23. Mai dieses Jahres.

An besagtem Tag stand der 23-jährige Stürmer im Saisonfinale der 2. Bundesliga gegen Fortuna Düsseldorf gerade einmal etwas mehr als eine Zeigerumdrehung auf dem Platz, als er Greuther Fürth in der 83. Minute per Rechtsschuss zum Sieg und damit in die Bundesliga hievte - und sich bei den Kleeblättern unsterblich machte.

Als "ziemlich verrückt" bezeichnet Abiama diesen Sonntagnachmittag. Selbige Bezeichnung trifft auch auf die bisherige Laufbahn des Nigerianers zu, denn vergangene Saison war Abiamas erste als Profi. Mehr noch: Innerhalb von nur drei Jahren - und insgesamt deren vier in Deutschland - avancierte er vom Kreisklassen- zum Bundesligaspieler. Es ist eine Geschichte, die einem Märchen gleicht.

"Das war sein Markenzeichen": Ein Bolzplatz als Startschuss

Christian Jonczy erinnert sich noch genau an seine erste Begegnung mit Abiama. "Dicksons Mutter kam mit ihm zu mir und sagte, dass ihr Sohn gerne Fußball spielen möchte", erzählt der Jugendleiter der SpVgg Mögeldorf, Abiamas erster Station, SPOX und Goal. Während alle Formalitäten auf den Weg gebracht wurden, schickte Jonczy den damals 17-jährigen Abiama schon mal zu den A-Jugendlichen. "Man konnte direkt sehen, dass er viel Talent hat", schwärmt Jonczy: "Seine Geschwindigkeit und seine langen Beine waren sein Markenzeichen."

In Sachen Taktik wies Abiama allerdings Defizite auf. "Er war zu ungestüm, da mussten wir ihn viel unterstützen", blickt Jonczy zurück.

Logisch, der Klub im Nürnberger Osten war schließlich Abiamas erster Verein überhaupt. Zuvor hatte der Angreifer, der in der nigerianischen Metropole Lagos zur Welt kam und 2016 seinen Eltern nach Deutschland folgte, in der Akademie seines Onkels gespielt. Doch das war "kein richtiges Zentrum, sondern ein einfacher Sportplatz", sagt Abiama: "Wir waren höchstens eine handvoll Leute, die morgens oder abends trainiert haben."

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© fussballn.de/Fabian Strauch

In seiner neuen Heimat sollte der Fußball als Integrationshelfer dienen. "Ich konnte kaum Deutsch und hatte keine Freunde oder jemanden, mit dem ich abends mal rausgehen konnte", lässt Abiama seine Ankunft Revue passieren. Ein Nürnberger Bolzplatz sollte schließlich zum Startpunkt einer verrückten Reise werden.

"Ich habe alleine unweit meines Elternhauses gespielt, als mich zwei Jungs sahen und fragten, ob ich einen Verein hätte", erinnert sich Abiama: "Dann meinten sie, dass es in der Nähe einen Klub namens Mögeldorf gebe und ich ihn mir mal anschauen sollte."

Abiama: Vier Ligen in drei Jahren übersprungen

In Mögeldorf fasste Abiama sehr schnell Fuß, schoss in seinem ersten Jahr die U19 mit 29 Toren in 21 Spielen erstmals in die Bezirksoberliga und wurde im Folgejahr sofort ins Herrenteam hochgezogen. Dort ein ähnliches Bild: 27 Treffer in 25 Auftritten und der Aufstieg aus der Kreisklasse in die Kreisliga.

Schnell weckte der junge Stürmer auch bei höherklassigen Teams Begehrlichkeiten, doch jegliche Anfragen blockte man in Mögeldorf zunächst ab. "Ich hatte keine Ahnung, welche Mannschaften in welchen Ligen spielen", sagt Abiama: "In Nigeria kannte ich nur Bayern, Dortmund, Leverkusen oder Schalke."

Das war am Ende auch zweitrangig, denn Abiama übersprang in drei Jahren stolze vier Ligen. Nachdem Aufstieg mit den Mögeldorfer Herren, zog er 2018 an der Kreis- und Bezirksliga vorbei weiter zu SG Quelle Fürth in die Landesliga. Nach nur einem Jahr wechselte Abiama in die Bayernliga zum SC Eltersdorf. Dort knipste er unter anderem in einem Testspiel gegen seinen heutigen Arbeitgeber, ehe erneut ein Jahr später der Sprung in die 2. Bundesliga folgte - diesmal ohne Halt in der Regionalliga und 3. Liga.

Noch im Winter 2019/20 unterschrieb Abiama einen Dreijahresvertrag in Fürth, war als Gastspieler in der Vorbereitung bei Testspielen und Trainingslager dabei und sollte die Rückrunde noch bei Eltersdorf spielen. Durch den coronabedingten Abbruch der Amateurfußballsaison kam es allerdings nicht zur Rückkehr.

Einige Zeit zuvor hatte Abiama sich bei den Zweitvertretungen des 1. FC Nürnberg und Jahn Regensburg versucht - ohne Erfolg. Und auch in Fürth war er zunächst gar nicht für die Profis vorgesehen. "Anfangs ging es um die zweite Mannschaft", blickt Abiama zurück. Doch bereits nach einem Training "wurde mir gesagt, dass ich mich mal bei den Profis beweisen soll."

Goal-und SPOX-Reporter Stanislav Schupp traf Dickson Abiama in Fürth.
Goal-und SPOX-Reporter Stanislav Schupp traf Dickson Abiama in Fürth.

Abiama direkt bester Joker der Liga

Bei den Franken schrieb Abiama das nächste Kapitel seines eigenen Märchens. In der ersten Pokalrunde beim RSV Meinerzhagen traf Abiama beim 6:1-Erfolg doppelt, im Derby gegen den 1. FC Nürnberg erzielte er in letzter Sekunde den Ausgleich. Am Ende der Saison standen sieben Tore und zwei Assists in 29 Ligaspielen zu Buche.

Sechs Treffer - unter anderem den zum Aufstieg - erzielte Abiama dabei nach Einwechslung, womit er zum besten Joker der Spielzeit avancierte.

Dass er nach gerade einmal vier Jahren in Deutschland nun sogar Bundesligaspieler ist, hätte er sich nicht erträumen lassen. "Ich wollte eigentlich eine kaufmännische Ausbildung machen", verrät Abiama seine ursprünglichen Pläne.

Dickson Abiama: "Vielleicht mal die WM gewinnen"

Stattdessen spielt Abiama jetzt gegen eben Bayern, Dortmund und Leverkusen - und das ganz ohne Nachwuchsleistungszentrum, womit er sich zu klangvollen Namen wie Miroslav Klose oder Jamie Vardy gesellt. Als Lohn für seine Premierenspielzeit gab es im Sommer einen neuen Vertrag, der bis 2024 datiert ist.

Längst ist er zum Fanliebling mutiert. Im Fürther Stadion hängen Abiamas Siegtor-Schuhe nun neben zahlreichen weiteren historischen Errungenschaften und sobald der Rechtsfuß das Feld betritt, hallt es "Abiama Fußballgott" durch den Ronhofer Sportpark. "Ich persönlich mag das nicht so sehr", gesteht er: "Es ist etwas ungewohnt, wenn sie meinen Namen singen. Das ist mir etwas unangenehm." Insgesamt sei der Trubel um seine Person eine große Umstellung gewesen, vor allem medial.

Abiama wirkt trotz seines rasanten Aufstieges bescheiden und geerdet. Oft fallen die Worte "Traum" und "unglaublich" - jedoch nicht als klassische Floskeln. Ob es in Zukunft noch steiler bergauf geht? "Ich wollte schon als Kind immer die WM gewinnen", sagt er, fügt aber lachend an: "Ich kann mir allerdings nicht so richtig vorstellen, dass das wirklich klappt."

Dickson Abiama hat einen atemberaubenden Aufstieg hingelegt.
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Dickson Abiama hat einen atemberaubenden Aufstieg hingelegt.

Fürth: Erster Sieg geschafft - jetzt beim BVB

Bis es vielleicht irgendwann mal soweit sein könnte, will Abiama seine persönlichen Ziele in der Bundesliga erreichen. "Ich verspüre etwas Druck, weil ich noch nicht getroffen habe. Als Stürmer willst du natürlich immer Tore machen, wenn du auf dem Platz stehst", sagt er: "Ich will so viele Spielminuten wie möglich bekommen - und vor allem gewinnen."

In der laufenden Bundesligasaison stand Abiama zwölfmal auf dem Platz. Fünfmal gehörte er zur Startelf, zuletzt dreimal in Folge. Den ersten Saisonsieg (und den ersten Heimerfolg der Fürther Bundesliga-Historie nach 24 Anläufen) gab es am vergangenen Wochenende gegen Union Berlin. Eine Vorlage steht zu Buche, auf seinen ersten Treffer in Deutschlands Beletage wartet Abiama aber noch.

Die nächste Möglichkeit bietet sich schon am Mittwochabend. Dann trifft die SpVgg im Dortmunder Signal-Iduna-Park auf den BVB (20.30 Uhr im LIVE-TICKER).

"Klar ist es als Aufsteiger ein super Gefühl, nach Dortmund fahren zu dürfen - ins größte Stadion der Liga", gibt sich Abiama gewohnt bescheiden: "Auch wenn nicht alle Plätze besetzt sein können, freue ich mich darauf, dort zu spielen."

Ein Debüttreffer wäre nach dem Tor gegen Düsseldorf das nächstgrößere Highlight seiner noch jungen, aber rasanten Karriere.

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