BVB-Crashkurs: Marco Rose kann die strukturellen Probleme von Borussia Dortmund nicht lösen

Von Stefan Rommel
Marco Rose ist seit Sommer Trainer bei Borussia Dortmund
© getty

Borussia Dortmund hat sich bei der 2:3-Niederlage bei Hertha BSC mal wieder einen Ausrutscher geleistet. Trainer Marco Rose versucht die Wogen zu glätten - während er selbst den BVB noch in einer Art Crashkurs erfährt.

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Ein bisschen belauerten sich Marco Rose und Sky-Field-Reporter Martin Groß schon. Rose hatte unter der Woche ja eher unliebsame Bekanntschaft gemacht mit dem Experten des Hauses und sich ein Wortgefecht mit Didi Hamann geliefert. Und jetzt, da seine Mannschaft gerade frisch mit 2:3 bei Kellerkind Hertha BSC verloren hatte und unangenehme Nachfragen erwartbar waren, war Rose noch mehr als sonst um Räson bemüht.

Dortmunds Trainer wählte seine Worte mit Bedacht, dabei dürfte es innerlich - mal wieder - gehörig gebrodelt haben. Rose wollte nichts beschönigen nach einem Spiel, das die Fans der Borussia schon so oft erlebt hatten in den letzten Jahren. Und das die aktuelle Mannschaft der Borussia in unregelmäßigen Abständen auch in dieser Saison darbietet.

Die Debatte unter der Woche mit Hamann drehte sich um ein angebliches Leistungsdefizit der Mannschaft, nicht unbedingt um ein Ergebnisdefizit. Und wenn man Sportdirektor Michael Zorc vor der Partie in Berlin so zuhörte, ist bei der Borussia alles im Soll. Klar, das Champions-League-Ausscheiden war eine große Enttäuschung, aber in der Bundesliga und im Pokal: Da läuft es doch wie erwartet gut.

Faktisch ist dem auch nicht zu widersprechen, mit Platz zwei in der Liga, sieben Punkten Vorsprung auf den ersten Nicht-Champions-League-Platz und dem Erreichen des Achtelfinals bietet die Mannschaft kaum Angriffsfläche.

"Es ist schon wichtig, nicht zu vergessen, dass wir Tabellenzweiter sind. Ich glaube, dies war im letzten Jahr noch anders", sagt Rose. Aber: In keiner anderen europäischen Top-Liga wäre der BVB mit seiner Punktausbeute Tabellenzweiter. Nicht in England, Spanien oder Italien. Vielleicht ist die Bundesliga perse einfach zu schwach?

BVB: Die grundlegenden Probleme bleiben

Und es gibt eben auch noch eine gefühlte Wahrheit und bei der gilt: Man sollte die Normalität nicht spektakulärer verkaufen als sie ist. Platz zwei in einer Liga, in der die vermeintlich großen Klubs wie Leipzig, Gladbach, Wolfsburg erheblich schwächeln, ist bei allen Problemen, die der BVB hat, keine Überraschung. Und gegen Wehen Wiesbaden und den FC Ingolstadt darf man auch die dritte Runde im DFB-Pokal erreichen.

Denn an den grundlegenden Problemen im Klub hat sich auch in dieser Saison wenig bis gar nichts verändert. Und Marco Rose, für den bei allem Respekt vor seinen bisherigen Arbeitgebern diese Wucht und Dimensionen Neuland waren, erfährt in nur einer halben Saison, was es heißt, Trainer von Borussia Dortmund zu sein. Im Crashkurs nimmt Rose alle Höhen und Tiefen und muss lernen, dass nicht alle um ihn herum dieselbe intrinsische Motivation mitbringen, die für einen Job beim BVB eigentlich Grundvoraussetzung wäre.

Weil Rose das aber nicht so offen sagen kann und weil er nach den letzten Tagen und der Vorgeschichte mit Hamann sonst als schlechter Verlierer dastehen würde, verpackte er seine Wort am Sky-Mikro in ein paar verschachtelte Sätze. "Ich sage, dass uns Bedingungslosigkeit fehlt. Wir sind Borussia Dortmund, wir wollen hier in Berlin gewinnen. Und das muss auch jeder hier erkennen können - und zwar in jeder Spielminute", sagte er zum Beispiel.

Marco Rose ist seit Sommer Trainer bei Borussia Dortmund
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Marco Rose ist seit Sommer Trainer bei Borussia Dortmund

BVB: Das Wort Mentalität steht auf dem Index

Oder: "Am Ende haben wir Ziele und Ansprüche und müssen nun an den Sachen arbeiten, die uns besser machen. Wir sind Borussia Dortmund und wollen in Berlin gewinnen, das muss jeder erkennen müssen."

Rose vermied so gut es eben ging, das Wort "Mentalität" zu strapazieren. Das steht in Dortmund ja schon länger auf dem Index. Also versteifte er sich auf eine Bedingungslosigkeit und eine Haltung, die jeder Spieler zu entwickeln habe. Was im Grunde nichts anderes heißt als: Mentalität. "Wir reden hier nicht über Einstellung", war es Rose wichtig zu betonen. "Denn dass die Jungs wollen, ist klar. Wir reden aber über Haltung. Und am Ende des Tages hat uns Berlin mit Leidenschaft und Kampf, wie es schon andere Gegner getan haben, geschlagen und sich den Sieg verdient."

Nun war es nicht so, dass die Hertha auf einem "echten Acker", wie Sportchef Fredi Bobic zugeben musste, nicht auch ein paar spielerische Akzente setzte. Aber integraler Bestandteil und die Basis für den Sieg waren eben andere Tugenden. Jene, die einige Dortmunder Spieler immer nur phasenweise zeigen können oder wollen. "Wir müssen unsere Haltung in Bedingungslosigkeit ändern, daran müssen wir unbedingt arbeiten. Ich will hier nicht die Charaktere der Jungs ändern, weil das gute Jungs sind. Aber um maximal erfolgreich zu sein, braucht es ein bisschen mehr", so Rose, was tatsächlich sehr konkret war.

BVB: Genügsamkeit und Lethargie

Die Frage aber bleibt, ob sich dessen auch alle Spieler im Kader bewusst sind? Oder ob es wie so oft in der Vergangenheit auch dieses Mal reicht, wenn in ein paar wichtigen Spielen, wenn dem Team das Wasser bis zum Hals steht, wieder ein bisschen Gas gegeben wird. Weil das ja am Ende schon genügt, um Platz zwei bis vier zu erreichen.

Ambitionierte Mannschaften, die langsam in eine Krise schlittern, vereint eine Sache: Fast jeder Spieler, der neu in die Mannschaft kommt, verschlechtert sich im Vergleich zu den Leistungen bei seinem vorherigen Klub. Dieses Phänomen lässt sich auf den BVB vielleicht so umwandeln: Seit Jahren umweht die potenziellen Hoffnungsträger früher oder später eine gefährliche Genügsamkeit und Lethargie. Ausnahmen wie Jude Bellingham oder Erling Haaland - und der hatte in Berlin nun auch einen verstörend missmutigen Auftritt - bestätigen die Regel.

Rose ist nicht der Erste, der sich mit diesem strukturellen Problem herumplagen muss. Aber er steht in der ersten Reihe jener, die es zu erklären haben. Auch wenn er erst seit einem knappen halben Jahr im Klub ist und in seinem Verantwortungsbereich - Verletzte, Gesperrte, Coronakranke - genug andere Schwierigkeiten regeln muss.

Jeder Spieler von Borussia Dortmund muss diesen Klub verstehen. Wie er tickt, wofür er steht, wohin er will. Einfach "nur" für die Borussia zu arbeiten, reicht da nicht - jedenfalls nicht für mehr als Platz zwei und ein paar Highlights im DFB-Pokal. Aber dafür müssen die Verantwortlichen auch Hilfestellung leisten und eine klare Identität vorgeben und vorleben. Marco Rose ist da aus der Pflicht zu nehmen. Dafür gibt es beim BVB andere.

BVB: Die kommenden Spiele

DatumWettbewerbGegner
Samstag, 08.01., 18.30 UhrBundesligaEintracht Frankfurt (Auswärts)
Freitag, 14.01., 20.30 UhrBundesligaSC Freiburg (Heim)
Dienstag, 18.01., 20.45 UhrDFB-PokalFC St. Pauli (Auswärts)
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