VfB-Sportdirektor Mislintat hätte Niklas Süle zum BVB holen können: "Ein echter verpasster Transfer"

Von SPOX
Hätte Niklas Süle einst zum BVB holen können: VfB-Sportdirektor Sven Mislintat.
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In der neuesten Ausgabe des kicker-meets-DAZN -Podcasts spricht VfB Stuttgarts Sportdirektor Mislintat unter anderem über die Verpflichtung von Shootingstar Silas Wamangituka und die verpassten Transfers von Kylian Mbappe und Niklas Süle zu seiner Zeit bei Borussia Dortmund (BVB-Chefscout von 2009 bis Ende 2016, d. Red.).

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Sven Mislintat gilt als Vorreiter, wenn es um das Aufspüren von Talenten geht und stellt seine Fähigkeiten seit April 2019 als Sportdirektor dem VfB Stuttgart zur Verfügung.

Im Podcast kicker meets DAZN spricht er unter anderem darüber, wie er auf Shootingstar Silas Wamangituka aufmerksam wurde und wie er beim BVB einst auf einen Transfer von Niklas Süle verzichtete.

Sven Mislintat über...

... das Modell VfB Stuttgart: Schon in den ersten Gesprächen im März 2019 haben wir gemeinsam mit Thomas Hitzlsperger überlegt, wie der VfB Stuttgart aussehen soll und was den Verein auszeichnet. Junge Wilde und das magische Dreieck konnten dem Klub wieder eine Identität geben, weil das auch der erfolgreiche VfB aus der Historie war. Jung und wild passt zu uns.

... die Identität von Klubs: Dazu gehört natürlich das Fußballspielen und nicht nur, böse formuliert, "den Bus zu parken". Catenaccio war früher erfolgreich, in der heutigen Zeit dagegen nicht mehr. Die Arbeit gegen den Ball gehört für uns genauso dazu. Wir haben nicht einen Offensivspieler für die Bundesliga verpflichtet, sondern die Abwehrspieler Konstantinos Mavropanos, Pascal Stenzel, Waldemar Anton sowie die defensiven Mittelfeldspieler Wataru Endo, Naouirou Ahamada und Keeper Georg Kobel dazugeholt. Wir haben verstanden, wie wichtig es ist, eine defensive Stabilität zu haben. Das ist zum einen die Grundlage für Ballbesitzfußball, zum anderen für unser Umschaltspiel. Ich glaube, dass wir in puncto Umschaltspiel eine der besseren Teams der Liga sind. Wir haben extrem viel Speed.

... die Entwicklung zum heutigen Spielstil: Wir hatten in der zweiten Liga Probleme, weil wir Spieler mit Entwicklungspotenzial verpflichtet haben, die nicht jede Woche ihre Qualität auf den Platz bringen konnten. Das ist ein stetiger Prozess. Außerdem hatten wir den Fokus bereits auf die erste Liga gelegt. Wir wollten sowohl für ausgeglichene Spiele als auch für Partien, in denen wir überlegen beziehungsweise unterlegen sein würden, vorbereitet sein. Dementsprechend war dieser Weg in der zweiten Liga mit einem gewissen Risiko verbunden, da man dort fast nur auf tiefstehende Gegner trifft. Dadurch hatten wir wenig Raum und gleichzeitig viel Ballbesitz, benötigten aber Unterschiedsspieler in diesen engen Räumen. Diese Art von Spieler war schlicht und einfach nicht bezahlbar. Die zweite Liga ist einer der brutalsten und schwierigsten Wettbewerbe, vor allem für große Klubs. Die größte Krux dabei war, einen Spielstil zu finden, der für die Bundesliga ausreicht, gleichzeitig aber nicht zwingend dem entspricht, was man für den Aufstieg braucht, den man am Ende dennoch schafft.

Die Verantowrtlichen für das MOdell "VfB Stuttgart": Thomas Hitzlsperger und Sven Mislintat.
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Die Verantowrtlichen für das MOdell "VfB Stuttgart": Thomas Hitzlsperger und Sven Mislintat.

"Sasa Kalajdzic habe ich über die Datenanalyse entdeckt"

... die finanzielle Belastung eines Abstiegs: Kreativität ist immer dann gefragt, wenn gewisse Ressourcen nicht da sind. Die Realität nach dem Abstieg war: das kostet erst einmal 40 Millionen Euro. Wir haben dann unseren ganzen Defensivverbund verkauft: Timo Baumgartl, Ozan Kabak und Benjamin Pavard. Das Geld konnten wir aber nicht ausgeben, wie wir wollten. Wir haben das in erster Linie dazu genutzt, keine Schulden zu machen. Das zeigt die Problematik eines Absteigers auf.

... die Transferpolitik: Daten sind enorm wichtig im Scouting. Ich habe schon früh nach jemandem gesucht, der Modelle und Algorithmen anlegt, damit mir die Daten noch mehr qualitative Aussagen liefern. Beim BVB hatten sie damals kein Interesse daran und so kam es eben dazu, dass ich mit meinem Partner eine eigene Firma gegründet habe. Neben dem klassischen Scouting bei Spielen, der qualitativen Videoanalyse und dem persönlichen Gespräch ist das datenbasierte Scouting ein sehr wichtiger Punkt geworden. Es wäre leichtsinnig, wenn man das heute nicht nutzen würde. Gerade kleineren Klubs mit begrenzten Ressourcen hilft das enorm. Diese Art des Scoutings ist allerdings nicht die eierlegende Wollmilchsau. Sie hilft mir, Namen zu generieren oder Spieler zu überprüfen, die ich bei Sichtungen entdeckt habe. Sasa Kalajdzic habe ich damals über die Datenanalyse entdeckt. Wir hatten nach einem Stürmer für die zweite Liga gesucht, der ein ähnliches Profil hatte wie Sebastien Haller. Kalajdzics Name war das Ergebnis der Datenanalyse. Letztlich ist es aber immer eine 360-Grad-Analyse.

... den Transfer von Silas Wamangituka: Die acht Millionen Euro, die wir für Silas gezahlt haben, entsprechen ungefähr den 80 Millionen Euro, die der FC Bayern München für Lucas Hernandez ausgegeben hat. Silas war interessanterweise ein klassischer Scouting-Fall, der anhand seiner Daten nicht aufgefallen ist. Ich verfolge regelmäßig die zweite französische Liga, so habe ich beispielsweise Matteo Guendouzi von Lorient zu Arsenal geholt. Sie ist physisch sehr stark und sehr interessant. Viele absolute Top-Spieler aus Frankreich fangen in der zweiten Liga an. Ich weiß gar nicht, wieso sonst niemand Silas auf dem Zettel hatte. Er hat elf Tore geschossen. Dieser Wert haut einen jetzt nicht vom Hocker. Es gibt Spieler, die machen 24, 25 oder 26 Tore in einer Saison. In Silas' Fall war es so, dass Paris FC insgesamt nur knapp 30 Tore in der Liga geschossen hat. Das bedeutet, dass er quasi jedes dritte Tor erzielt hat. Silas war eine absolute One-Man-Show, weil die Mannschaft defensiv eingestellt war. Darüber hinaus ist er menschlich eine Voll-Granate. Dementsprechend war es einfach, so viel Geld in die Hand zu nehmen. Schalke hatte ebenfalls Interesse, aber glücklicherweise hat er sich für uns entschieden. Wenn größere Klubs im Rennen sind, müssen wir finanziell stärkere Angebote mit unserem sportlichen Weg und der Perspektive schlagen.

... ein Angebot von Jürgen Klopp: Als sich Marcin Kaminski bei uns verletzt hatte, kam Klopp auf mich zu und sagte, ich solle mir mal Nathaniel Phillips anschauen, weil er nach einem Leihgeschäft für ihn suche. Auch wenn ich Klopp bei so einem Angebot blind vertraue, trage ich natürlich die Verantwortung. Deshalb musste ich ihn mir zunächst selbst anschauen und ihm glaubhaft versichern, dass er bei uns eine echte Chance hat zu spielen. Am Ende hat sich bewahrheitet, dass er genau die Art von Spieler war, die wir gesucht haben.

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