Kommentar zum Tönnies-Eklat: Sorry, aber "Ich entschuldige mich" ist nicht!

Clemens Tönnies ist mit der Aufarbeitung des von ihm verursachten Eklats beschäftigt.
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Clemens Tönnies sorgt mit rassistischen Aussagen bei einer öffentlichen Veranstaltung für Irritation, Bestürzung und Verärgerung. Anschließend entschuldigt sich der Schalker Aufsichtsratsvorsitzende windelweich. Das geht so freilich nicht und darf auch gar nicht funktionieren. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Oliver Wittenburg.

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Clemens Tönnies tut genau das, wovor wir alle warnen. Genau das, was wir als eine große Gefahr unserer Zeit identifiziert haben. Er spricht mit liederlicher Verachtung über andere Menschen. Und er tut dies nicht über Menschen, die er vielleicht kennen würde, denn dann könnte man ihm unter Umständen zugutehalten, dass er vielleicht ein Motiv habe.

Nein, er schüttet seinen Spott über einen ganzen Kontinent aus. Den Subtext seines widerlichen Ausspruchs mag man sich gar nicht dazu dichten. Widerlich ist im Übrigen auch, wie die Neue Westfälische berichtete, dass der 63-Jährige auch noch Beifall von Teilen der Besucher am Tag des Handwerks in Paderborn-Lippe bekommen habe.

Fast zum Lachen ist hingegen, dass der Ausspruch im Rahmen von Tönnies' Vortrag unter dem Titel "Unternehmertum mit Verantwortung - Wege in die Zukunft der Lebensmittelerzeugung" fiel. Allein darüber könnte man sich nun breit auslassen, um damit zu schließen, dass der Begriff "Lebensmittelerzeugung" ungefähr so weit entfernt von "gesund" und "lecker" zu sein scheint, wie Tönnies vom Begriff "Verantwortung".

"Unangebracht", "töricht": Tönnies rechnet "knallhart" mit sich ab

Dass er seine Aussagen anschließend als "töricht" bezeichnet, dagegen ist faktisch erst mal nichts einzuwenden. Er hätte gerne noch markigere Ausdrücke benutzen können und hätte mit jedem richtig gelegen. Er sprach auch noch von "unangebracht". Es ist herrlich zu sehen, wenn Menschen mal so richtig hart mit sich ins Gericht gehen. Schonungslose Aufarbeitung, nennt man das im Tonfall der Wichtigen. "Bestürzt" über sich selbst sei er auch noch gewesen. Was man nicht so daherredet, wenn man mal einfach so vor sich hinquatscht. Vor Publikum. Als geladener Redner. Da ist man anschließend oft ganz schön überrascht.

"Stammtisch-Rassismus" hat es Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, genannt, was immerhin schon mal was ist. Wo sind denn all die anderen, die sonst immer gleich wahlweise "empört", "erzürnt" oder anderweitig angefasst sind?

"Clemens Tönnies hat sich mittlerweile für seine rassistischen Entgleisungen entschuldigt", sagt Göring-Eckhardt, die Schalke-Mitglied ist. "Das war notwendig, macht es aber nicht einfacher zu verstehen, was in diesem Mann vorgeht, der Verantwortung für ein großes Unternehmen und meinen FC Schalke 04 trägt. Stammtisch-Rassismus ist hochgefährlich."

Sich entschuldigen: Anmaßung als nächster Fauxpas

Ja, Clemens Tönnies hat sich entschuldigt. Das ist ja das Mindeste. Doch entschuldigen kann man sich nicht selbst. Das wäre ja auch zu billig. Man kann lediglich um Entschuldigung oder Verzeihung bitten bei denen, die man brüskiert, verletzt, beschämt, beleidigt oder irritiert hat. Das klingt jetzt nach Wortklauberei und Klugschiss, doch lohnt es absolut, sich mit dem Bedeutungsunterschied zu befassen. Wer sich entschuldigt, begeht gleich schon den nächsten Fauxpas. Er verhält sich anmaßend, als stehe es in seiner Macht, sich selbst Absolution zu erteilen. Wie soll das denn funktionieren?

Jetzt ist von jemandem, der sich selbst mit törichtem Stammtisch-Rassismus zu überraschen und bestürzen versteht, nicht unbedingt zu erwarten, dass er sich mit solchen Feinheiten abgibt. Tönnies ist patriarchalischer Herrscher über zigtausend Menschen und noch viel mehr Schweine. Der Mann schafft an.

Ob wohl der Schalker Ehrenrat mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats hart ins Gericht gehen wird, wie etwa Hans Sarpei gefordert hat? Oder stellt sich das Gremium wie Sportvorstand Jochen Schneider eher vor Tönnies? Nach Schneider habe der Unternehmer eine "unbedachte Äußerung getätigt". Und weiter: "Unsere Gesellschaft funktioniert so, dass sich ein Mensch entschuldigen kann und es danach weitergeht."

Allein über Schneider könnte man sich nun breit auslassen, um mit der Vermutung zu schließen, dass sich nichts zum Besseren ändern wird, wenn man sich nur den Mund abzuwischen und "Tschulligung" zu nuscheln braucht, ehe man einfach immer weitermacht.

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