Luka Jovic: Dank Kovac vom gestrauchelten Serbien-Wunderkind zum Bundesliga-Torjäger

Von Maximilian Schmeckel
Luka Jovic befindet sich bei Eintracht Frankfurt in Top-Form.
© getty

Luka Jovic fuhr als Kind 150 Kilometer ins Training, mit 16 traf er gegen zwei Jahre Ältere 32 Mal in 23 Spielen und erzielte bei seinem Debüt nach drei Minuten ein Rekordtor. In Portugal schien der Stern des Wunderkindes schon zu verglühen - bis Niko Kovac ihm bei Eintracht Frankfurt die Augen öffnete. SPOX und Goal sprachen mit einem Jugendtrainer und einem Experten über seinen Weg nach oben.

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Als Helder Cristovao an einem kühlen Februartag im Jahr 2016 die ersten Minuten des Trainingsspiels der von ihm trainierten zweiten Mannschaft von Benfica sah, wusste er sofort, dass dieser Junge mit den breiten Schultern und den schüchternen Augen etwas ganz Besonderes ist.

"Als ich Luka Jovic das erste Mal spielen sah, dachte ich: 'Wow! Der Junge kann Fußball spielen!' Wie er sich bewegte, wie er in den Strafraum zog - ein fantastischer Stürmer!'" Und Cristovao ist niemand, der schnell in Begeisterung gerät. "Ich habe viel erlebt", sagt er.

Er spielte für Benfica, den größten Klub des Landes, später in Spanien für Deportivo La Coruna, in England für Newcastle United, in Frankreich für Paris Saint-Germain, in Griechenland für Larisa. 35-mal lief er für die portugiesische Nationalmannschaft auf, war bei der EM 1996 in England an der Seite von Luis Figo und Rui Costa Stammspieler.

Luka Jovic: 150 Kilometer ins Training

Nach dem Ende seiner Karriere im Jahr 2006 bildete er sich weiter, besuchte Lehrgänge, wurde Trainer. Über Estoril und Primomense kam er 2013 zu Benfica, wo er Trainer der zweiten Mannschaft wurde, der Jungs, die noch davon träumen, es zu schaffen, aber fast schon zu alt dafür sind. Jovic war im Winter 2016 für stolze sechs Millionen Euro von Roter Stern Belgrad nach Lissabon gekommen.

Er war erst zwei Monate zuvor 18 geworden, ein Teenager. Und das mit dem Druck von haufenweise Toren in der Belgrad-Jugend und in den serbischen U-Nationalmannschaften. Und dem Spitznamen "Serbischer Falcao". "Jovic war in Serbien von Beginn an im Fokus", sagt Aleksandr Pekovic, Journalist bei der größten serbischen Sportzeitung Sportski zurnal, im Gespräch mit Goal und SPOX.

"Er ist Teil einer neuen Generation serbischer Spieler, die die Hoffnung wecken, bald auch im A-Team wieder Erfolge wie früher zu haben. Und Jovic wurde schon sehr jung als eines der größten Talente dieser Generation gefeiert." Jovic' Vater Milan, früher selbst Profi bei Partizan, fuhr seinen Filius 150 Kilometer ins Training zu Roter Stern, wohin er mit acht Jahren gewechselt war. Er wurde bei Turnieren in Verona und Stuttgart Torschützenkönig, erzielte in der U18-Jugendliga im Jahr 2015 in 23 Spielen 32 Tore. Und das, obwohl seine Gegenspieler teilweise zwei Jahre älter waren.

Jovic-Millionen brachten Roter Stern die Lizenz für Europa

Befeuert vom Ehrgeiz des Sportdirektors Zvezdan Terzic, künftige Weltstars zu formen, debütierte Jovic mit 16 Jahren für die erste Mannschaft. Gegen Novi Sad kam er in der 73. Minute ins Spiel, drei Minuten später traf er zum Ausgleich und wurde zum jüngsten Torschützen in der Geschichte Roter Sterns. Die perfekte finale Zutat für das Wunderkind-Narrativ, das Terzic weiter ausbaute, indem er konstatierte, Jovic werde einmal "der beste Stürmer Europas" und erinnere an Falcao.

Ein Vergleich, der Jovic rückblickend schadete, wie er der Frankfurter Rundschau erzählte: "Denn jeder hat von mir auf einmal erwartet, dass ich in jedem Spiel drei Tore schieße." Und das tat er zunächst auch weiter. Sechs waren es in seinem ersten vollen Jahr als Profi, acht in seinem zweiten. Parallel schoss er in Serbiens U-Teams alles kurz und klein: zehn Tore für die U16, 16 für die U17, zehn für die U19.

"Jovic war in ganz Europa begehrt und Roter Stern brauchte Geld", sagt Pekovic. "Es ist ein offenes Geheimnis, dass Roter Stern nur durch die Jovic-Millionen die Lizenz für Europa erhielt." Jovic selbst wollte bleiben, hielt einen Wechsel für zu früh. Gegen den Willen des Spielers und der Fans, die ihrem Unmut mit einem großen Banner Luft machten, wurde Jovic im Februar 2016 für stolze sechs Millionen Euro zu Benfica transferiert, das andere Klubs ausstach, denen so viel Geld für ein Talent ohne Top-Leistungen auf höchstem Niveau zu viel war.

Jovic über Kovac: "Er hat mir extrem geholfen"

"Benfica hat ihn geholt, weil wir überzeugt davon waren, dass er dieses Niveau erreichen wird", erinnert sich Cristovao, in dessen zweite Mannschaft Jovic schnell abgeschoben wurde. Im A-Team standen mit Konstantinos Mitroglou, Jonas und Raul Jimenez gleich drei Spieler vorm jungen Jovic, der sich zudem schwertat in einem neuen Land.

"Es ist mir sehr schwergefallen mich zu integrieren. Ein neues Land, eine neue Stadt und eine fremde Sprache", so Jovic über seine Zeit in der portugiesischen Hauptstadt. "Nach einem Jahr habe ich mit meinem Agenten entschieden, aufgrund der fehlenden Spielzeit den Verein zu verlassen." Übrigens gegen den erklärten Willen von Cristovao. "Er kann ein ganz Großer werden", sagt er. "Es hängt nur von ihm ab. Ich weiß, was ich gesehen habe und was er drauf hat. Er bewegt sich so intelligent in Räume, wie ich es selten gesehen habe. Er erinnerte mich mit seiner Technik und seinem Instinkt an Sergio Agüero."

Ein weiterer Vergleich, der ob Jovic' Leistungen bis dato mindestens gewagt schien. Bis der Serbe in Frankfurt auf Niko Kovac traf. "Er hat mir extrem dabei geholfen, mich als Typ und Spieler zu entwickeln. Durch ihn habe ich mich durchgebissen und zu einem absoluten Profi entwickelt", sagte Jovic der Bild. Kovac lehrte Jovic Disziplin, auf und neben dem Platz. Und er schenkte ihm das Vertrauen, das er in Lissabon nur von Cristovao gespürt hatte, nicht aber von Trainer Rui Vitoria.

"In Serbien dachten alle, Jovic wäre der nächste Spieler, der zu früh gegangen ist und es nicht schafft. Als er in Lissabon war, haben ihn viele schon abgeschrieben. Auch nach seinem Wechsel nach Deutschland gab es viel Skepsis, weil viele der Meinung waren, als junger Stürmer sei es in Deutschland noch schwerer als in Portugal", sagt Pekovic.

Jovic jüngster Fünferpacker der Bundesliga-Geschichte

Jovic aber zeigt allen, was Cristovao in ihm sah: In der 13. Minute seiner Bundesliga-Karriere traf er gegen den FC Augsburg. Es folgen acht weitere Pflichtspieltore, darunter der Siegtreffer im DFB-Pokal-Halbfinale gegen den FC Schalke. Kovac, dem Jovic "ewig dankbar sein wird", verließ die SGE im Sommer in Richtung München, unter Adi Hütter ist er weiter gesetzt.

Vier Pflichtspieltore hatte er in der laufenden Saison bereits erzielt, als er am 19. Oktober gegen Fortuna Düsseldorf Geschichte schrieb und Medien wie Fans gleichermaßen mit einem Fünferpack erstaunte - als jüngster Spieler der Bundesliga-Geschichte. "Man muss mit Superlativen immer aufpassen. Aber für mich hat er das Potenzial zum Weltklasse-Stürmer", sagte Hütter nach der Show seines immer noch erst 20-jährigen Juwels, das derzeit gemeinsam mit Dortmunds Paco Alcacer die Torschützenliste der Bundesliga (sieben Treffer) anführt.

Fredi Bobic und Hütter beeilten sich zu betonen, dass man die Kaufoption von zehn Millionen Euro ziehen werde. Jovic wäre dadurch der Rekord-Transfer der Eintracht-Historie. "Benfica wird sich gewaltig ärgern", sagt Cristovao, der inzwischen in Saudi-Arabien arbeitet. Das Ende der so rasant begonnenen und zwischenzeitlich stockenden Karriere wird aber sehr wahrscheinlich nicht am Main liegen.

"Für Luka bleibt noch viel Zeit, Teil eines europäischen Top-Teams zu sein, wo er sicher eines Tages spielen wird", prophezeit Pekovic. Und Jovic selbst? "Ich denke, der liebe Gott hat mir diesen Torriecher gegeben. Ich habe das in mir, so etwas kann man nicht erlernen", sagte er der Frankfurter Rundschau. Cristovao bestätigt: "Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal so einen Instinkt gesehen habe." Er macht eine Pause. "Vielleicht bei Roy Makaay, mit dem ich in Spanien zusammenspielte."

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