Thomas Tuchel sagt im Prozess aus: Ohne den Anschlag wäre ich noch BVB-Trainer

SID
Auch Thomas Tuchel sagte vor Gericht aus.
© getty

Thomas Tuchel strich sich den braunen Cordanzug glatt, setzte vor dem Sitzungssaal 130 seine graue Schiebermütze auf und verließ das Landgericht Dortmund kommentarlos. Mit emotionalen Worten hatte der ehemalige Dortmunder Trainer zuvor im Prozess gegen den BVB-Attentäter Sergej W. seine Aussage gemacht - und dabei auch die teilweise gravierenden Folgen des Anschlags auf die Mannschaft des Bundesligisten geschildert. Sowohl für ihn selbst als auch für die Profis.

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Denn die Spieler, so viel wurde am Montag deutlich, haben noch immer mit den Nachwirkungen der dramatischen Ereignisse vom 11. April 2017 zu kämpfen.

Tuchel erklärte, zwar an keinen körperlichen oder psychologischen Spätfolgen zu leiden, allerdings sei seiner Ansicht nach der Sprengstoff-Anschlag ein Grund für seine Entlassung beim BVB nur wenige Wochen später.

"Davon würde ich ausgehen", sagte Tuchel auf die Frage des Oberstaatsanwaltes Carsten Dombert, ob er ohne das Attentat am 11. April über den Sommer hinaus BVB-Trainer geblieben wäre.

Tuchel erklärt den Dissens mit Watzke

Im Anschluss an die Explosion hatte es Meinungsverschiedenheiten zwischen Tuchel und dem BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke über den Umgang mit dem Attentat gegeben. Das zerrüttete Verhältnis der starken Persönlichkeiten gilt als einer der Hauptgründe für die Trennung.

"Der große Dissens bestand darin, dass ich im Bus saß und Aki (Watzke, Anm. Red.) nicht. Deshalb gab es auch eine andere Herangehensweise mit dem Umgang. Ohne das Aki jetzt vorhalten zu wollen", sagte Tuchel. Schon am Tag nach dem Attentat hatte der BVB das Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den AS Monaco nachgeholt.

Tuchel erklärte zudem, "absolut davon überzeugt" zu sein, dass der Vorfall Auswirkungen auf die Leistungen der Spieler gehabt habe. Die neben Tuchel geladenen BVB-Akteure sprachen offen darüber, dass das Erlebte sie teilweise bis heute belaste.

Weidenfeller: "Das hat mein Leben verändert"

"Das ist immer noch ein Thema in der Mannschaft. Ich kenne Spieler, die noch immer darunter leiden. Das war ein Anschlag auf das Leben", sagte Torwart Roman Weidenfeller: "Das hat mein Leben verändert." Er selbst nehme seitdem psychologische Hilfe in Anspruch: "Man ist immer noch betroffen, immer noch schreckhaft."

Während Weidenfeller von den Nachwirkungen der Ereignisse erzählte, saß wenige Meter entfernt von ihm Sergej W. Bei den Zeugenaussagen starrte der Angeklagte zumeist auf ein vor ihm liegendes Blatt Papier.

Eine Bitte um Entschuldigung, wie er sie bei dem am Arm verletzten ehemaligen BVB-Innenverteidiger Marc Bartra und dem verletzten Polizisten ausgesprochen hatte, kam ihm am Montag nicht über die Lippen. Inzwischen hat W. die Zündung der drei Sprengsätze zugegeben, allerdings bestreitet er die Tötungsabsicht. Ihm wird unter anderem versuchter Mord in 28 Fällen vorgeworfen.

Schmelzer hat "die Angst in den Gesichtern gesehen"

Das Geschehen schilderte auch BVB-Kapitän Marcel Schmelzer mit persönlichen Worten. Er habe "die Angst in den Gesichtern gesehen", sagte der 30-Jährige. Wie auch andere Zeugen berichtete er von ernsten Schlafproblemen.

Dies habe sich zwar inzwischen gebessert, doch er zucke immer noch bei lauten Geräuschen zusammen. "Ich versuche, es wegzuschieben. Aber es gibt immer wieder Momente, in denen man denkt, was für ein Glück wir hatten."

Der ehemalige Dortmunder Sven Bender berichtete davon, dass der Anschlag und der Umgang damit sogar ein Grund für seinen Wechsel zu Bayer Leverkusen waren.

Bender: "Wir als Spieler hätten nicht spielen sollen"

Ausnahmslos als Fehler bezeichneten es inzwischen alle Beteiligten, dass das Team bereits am nächsten Tag wieder auf dem Spielfeld stehen musste.

"Im Nachhinein glaube ich, haben wir einen Fehler gemacht. Wir als Spieler hätten nicht spielen sollen", sagte Bender: "Aber wir waren ja noch nie in einer solchen Situation. Wir wussten nicht, was am Tag danach das Beste war."

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