Walace vom HSV im Fokus des 20. Spieltags: Die Karten neu gemischt

Von SPOX
Unter Bernd Hollerbach wieder eine Option: Brasilianer Walace
© getty

Mit dem 1:1 bei RB Leipzig am 20. Spieltag hat der Hamburger SV den ersten Punkt der Rückrunde eingefahren. Dabei setzte Trainer Bernd Hollerbach auch auf den eigentlich abwanderungswilligen Brasilianer Walace. Der war eigentlich schon wieder in Brasilien - und könnte jetzt doch eine instrumentale Rolle im Abstiegskampf spielen.

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Eigentlich schien die Geschichte des fünftteuersten Zugangs in der HSV-Geschichte schon auserzählt: Nachdem Walace die Saison unter Thomas Gisdol in der Stammelf begonnen hatte, durfte er nach dem 5. Spieltag nicht mehr über die volle Distanz ran. Kleine Verletzungen kamen dazu - und schließlich das Interesse von Flamengo Rio de Janeiro.

So gingen eigentlich fast alle Beobachter davon aus, dass Walace, der im Winter 2016 als Olympiasieger nach Hamburg gewechselt war und die Rothosen die nicht unerhebliche Summe von über neun Mlillionen Euro kostete, ziemlich genau ein Jahr nach seiner Ankunft die Kurve kratzen würde. Gisdol setzte nicht mehr auf ihn, zudem war er gleich vier Tage zu spät aus seinem Weihnachtsurlaub zurückgekehrt. Der Grund: seine hochschwangere Frau in Brasilien.

Dementsprechend hatte man an der Alster eigentlich schon weiter geplant: Walace sollte verkauft oder zumindest für den Rest der Saison ausgeliehen werden, als Ersatz sollte Dominik Kaiser aus Leipzig kommen.

Walace und der HSV: Die Karten neu gemischt

Gegen eben diese Leipziger stand Walace am Samstag nun aber doch in der Hamburger Startelf. Warum? Es hatten sich gleich mehrere Fußballweisheiten bewahrheitet: So ist man in Verhandlungen natürlich im Nachteil, wenn bekannt ist, dass das Tischtuch zwischen Spieler und Verein längst zerschnitten ist - und deshalb kam es auch zu keiner Einigung mit Flamengo, weil der brasilianische Klub Walace nur für ein ganzes Jahr ausleihen wollte.

Gleichzeitig werden bei einem Trainerwechsel die Karten bekanntlich neu gemischt. Neue Formation, neue Taktik, Stammspieler spielen plötzlich keine Rolle mehr, Ausgemusterte werden dagegen zu Leistungsträgern. "Ich gehe ohne Vorbehalte an die Situation", betonte Bernd Hollerbach

Und so raufte sich der HSV mit Walace noch einmal zusammen. Hollerbach und Sportchef Jens Todt setzten sich unter der Woche mit dem 22-Jährigen und seinem Berater zusammen - mit Erfolg. "Ich hatte ein sehr, sehr gutes Gespräch mit ihm. Dabei hat er mir versichert, dass er sich für den Verein zerreißen wird", rekapitulierte der neue Übungsleiter anschließend. "Walace hat nochmals betont, dass er aus familiären Gründen zurück nach Brasilien möchte. Momentan ist alles offen", ergänzte Todt. "Er hat emotional überreagiert, keine Frage. Aber er hat keine Dollarzeichen in den Augen."

Walace mit ordentlicher Leistung gegen RB Leipzig

Gegen RB konnte man sehen, dass die verbalen Streicheleinheiten Spuren bei Walace hinterlassen hatten, und zwar positiver Natur. Hollerbach bot seinen rehabilitierten Defensivspieler in einer Kette vor der Abwehr auf, wo dieser zwar keinen überragenden, aber nach sieben Wochen Pause zumindest einen ordentlichen Eindruck hinterließ.

Walace war beim HSV in Sachen Ballaktionen die Nummer drei, führte gleich 22 Zweikämpfe (46 Prozent) und präsentierte sich aggressiv (4 Fouls) und laufstark (11,44 Kilometer bis zu seiner Auswechslung in der Nachspielzeit). "Er hat mir gestern gut gefallen, war sehr präsent", lobte Hollerbach am Sonntag. Außerdem stellte er Walace einen Ausflug in die Heimat in Aussicht, sollte es bei dessen Frau richtig ernst werden (Stichtag: 9. Februar): "Brasilianer sind Familienmenschen und sehr sensibel."

Hollerbach, ein Trainer der alten Felix-Magath-Schule, setzt bei Walace also auf Zuckerbrot statt Peitsche. Er weiß: Für sein neues System mit Dreierkette und vier defensiven Mittelfeldspielern auf einer Linie davor kann er auf den kopfball- und laufstarken Walace im Zentrum nicht verzichten.

In den nächsten drei Wochen warten Hannover 96, Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen. Noch muss Walace weitere Fortschritte machen, im Zweikampf wie im Spiel nach vorn. Wenn ihm das aber gelingen sollte, hätte er nicht nur sein eigenes Image und seinen Marktwert aufpoliert, sondern auch das Vertrauen seines neuen Trainers zurückgezahlt.

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