Corporate Understatement

Ralf Rangnick und Ralph Hasenhüttl sind Brüder im Geiste
© getty

In nur sieben Jahren schaffte der 2009 gegründete RasenBallsport Leipzig e.V. den Durchmarsch von der fünften Spielklasse in die Bundesliga. Verantwortlich dafür sind natürlich die finanziellen Mittel von Red Bull, aber auch ein Masterplan, der mit Ralf Rangnick an der Spitze in Perfektion umgesetzt wird. Demonstrative Bescheidenheit ist Teil des Strategie.

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Eine offizielle Zuschauerzahl gibt es nicht. Ein Beobachter berichtete von 400 Zuschauern, ein anderer von 200. Jemand meinte in einem Forum: 250 und nach der Pause wegen einsetzenden Sauwetters nur noch die Hälfte.

Wie viele es nun wirklich waren, sei dahingestellt. Die, die nach Markranstädt ins "Stadion am Bad" gekommen waren, bezeugten Geschichte. Sie sahen das erste Spiel des brandneuen RasenBallsport Leipzig e. V.

Der baumlange Offensivallrounder Christian Mittenzwei erzielte nach einem Eckball das 1:0, am Ende siegte RBL mit 5:0 gegen den Landesligisten SV Bannewitz. Der Anfang war im Juli 2009 gemacht.

Punktlandung

Knapp sieben Jahre später bezeugen 42.559 Zuschauer den Aufstieg in die Bundesliga. Das Stadion heißt nicht "Am Bad", sondern Red Bull Arena, und das 1:0 erzielt ein schwedischer Nationalspieler auf Vorarbeit eines österreichischen.

Oben auf der VIP-Tribüne sitzt der Milliardär und Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz, leger mit schwarzer Lederjacke überm karierten Hemd, und nimmt wohlwollend zur Kenntnis, dass sein Plan aufgegangen ist.

"Wir bauen RB Leipzig mit dem Ziel aus, in drei bis fünf Jahren in der Bundesliga zu spielen. Wir wollen auch in der Champions League dabei sein", hatte der heute 72-jährige Österreicher 2011 erklärt. Eine Punktlandung nennt man das wohl.

Philosophie und "totaler Blödsinn"

Freilich spielen die vielen Millionen des Energydrink-Riesen eine entscheidende Rolle beim Aufstieg des jungen Klubs, doch mit viel Geld kann auch viel Unfug angestellt werden, wenn die falschen Leute am Ruder sind und ein übergeordneter Plan fehlt.

In Leipzig gibt es den. "Wir arbeiten weiterhin mit Talenten, die wir einfach immer besser machen wollen", erklärte Mateschitz Ende Mai gegen über Sportbild das grundlegende Prinzip. "Das ist unsere Philosophie in der Formel 1, das ist unsere Philosophie im Fußball."

Kontinuierliches Investieren, kontinuierliches Wachstum in gesunden Strukturen, keine Hauruckaktionen, kein Aktionismus. Als "totalen Blödsinn" tat Mateschitz Spekulationen über einen etwaigen Kurswechsel bei RBL nach dem Bundesligaaufstieg ab. "Ich fasse mir an den Kopf, wenn ich höre, dass wir 100 Millionen Euro investieren würden."

Jugendkurs und Nachhaltigkeit

In Leipzig ist Ralf Rangnick seit 2012 als Sportdirektor tätig, lebt, lehrt und kommuniziert die Philosophie des Klubs oder die des Konzerns, ganz wie man will. Corporate Identity halt.

Der Jugendkurs ist der zentrale Inhalt in Leipzig, ist damit doch auch gleich das Thema Nachhaltigkeit abgedeckt. Die Kurzfassung: Junge Spieler sind belastbarer, regenerieren schneller, sind lernwilliger, leichter zu führen und zu begeistern und versprechen Profit auf dem Transfermarkt.

Zur Transfer- und Kaderphilosophie passt die Spielidee, die gekennzeichnet ist von Pressing, hohem läuferischen Aufwand bei maximalem Tempo und schnellem Umschalten. Was Rangnick schon in Stuttgart oder Hoffenheim lehrte, ist das Credo bei RBL von der U 8 bis zu den Profis.

"Erschreckend" auf Linie

Am vergangenen Montag wurde das Abenteuer Bundesliga offiziell eingeläutet. Trainingsstart für die Profis, Presserunde mit dem alten Macher Rangnick und dem neuen, dem erklärten Wunschtrainer des Sportchefs, Ralph Hasenhüttl.

Hasenhüttl ist längst auf einer Linie mit Rangnick, ganz ohne Corporate Identity.

Es sei "erschreckend", meinte er bei der Saisoneröffnungskonferenz, wie sehr sich der Leipziger und der Ingolstädter Spielstil ähnelten. "Die Mannschaft muss sich gar nicht groß umgewöhnen."

Wenn sie wollen, ist es möglich

Man bekommt auch das Gefühl, dass die Mannschaft sich nicht groß an die 1. Liga wird gewöhnen müssen. Das Umfeld ist erstklassig, Sportdirektor und Trainer sind es auch.

Der zugegeben unerfahrene, aber hoch talentierte Kader wurde punktuell noch einmal aufgepeppt. Mit Timo Werner, Naby Keita, Marius Müller und Benno Schmitz kamen frische Kräfte mit reichlich Potenzial. Kostenpunkt: 27 Millionen Euro.

Naby Keita im Porträt: Bulle aus dem Labor

Ob weitere Transfers getätigt werden, ist noch offen. Mittel sind vorhanden. Hasenhüttl entscheidet, ob noch nachgebessert werden muss.

"Wir haben gesagt, dass wir mit den vier Neuen problemlos in die Bundesliga starten können", erklärte Rangnick am Montag. "Ralph kann sich jetzt ein Bild machen und in zwei, drei Wochen kann das Bild gefestigter sein. Sollten wir dann merken, dass wir noch was machen wollen, dann ist das sicherlich möglich."

Organisches Wachstum und Salary Cap

Möglich wäre so einiges in Leipzig, aber das Geld wird nicht zum Fenster rausgeworfen. Im Bereich von 40 Millionen Euro soll der Lizenzspieleretat liegen, was für einen Aufsteiger freilich üppig ist, im Ligavergleich aber nach RBL-Angaben nicht für einen einstelligen Tabellenplatz ausreicht.

"Wir werden unsere organisch gewachsenen Gehaltsobergrenzen nicht überschreiten", erklärte Rangnick schon im Mai. "Wir sind Lichtjahre von den Gehältern entfernt, die in Dortmund, Wolfsburg, Schalke oder Leverkusen gezahlt werden, da rede ich noch nicht von Bayern München. Wir haben bisher nicht Monopoly gespielt - und werden es auch künftig nicht tun."

Bei drei Millionen Euro soll die Gehaltsobergrenze liegen. Der Transfer von Kevin Volland nach Leipzig etwa soll an überzogenen Vorstellungen des Stürmers gescheitert sein.

Zweck-Bescheidenheit

Mit bescheidenen Zielen geht RBL jetzt in seine erste Bundesligasaison. "Wenn wir eine sorgenfreie Saison spielen und in keiner Phase etwas mit dem Abstieg zu tun haben, würde mich das freuen", sagte Rangnick.

Hasenhüttl will erst mal in der Bundesliga ankommen. "Ein konkretes Ziel habe ich nicht, ich mache Ziele nicht an Tabellenplätzen fest", sagte er. Im Europapokal zu spielen, sei sein Wunsch, aber kein akutes Thema, sondern Zukunftsmusik, wie er im Interview mit Sportbild erklärte.

Keine Frage, Rangnick und Hasenhüttl sind keine Polterer, keine Lautsprecher, keine Populisten, doch auch das Understatement ist Corporate Identity und Corporate Behaviour. Blenden lassen sollte man sich davon nicht.

Das werde er nicht mehr erleben, meinte Karl-Heinz Rummenigge Ende Mai auf die Frage, wann denn der Neuling aus Leipzig erstmals deutscher Meister werde.

Wenn sich der Bayern-Boss damit mal nicht ein wenig zu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Die Champions League hat Mateschitz schon 2011 als Ziel ausgegeben. Es gehört wenig Fantasie dazu sich vorzustellen, wie der nächste Punkt auf der Agenda lautet.

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