"Lewandowski ist schon geil"

Giovane Elber spielte von 1997 bis 2003 beim FC Bayern München
© getty

Giovane Elber hält von Bayerns neuem Stürmer Robert Lewandowski eine Menge. Zudem geht der Brasilianer, den SPOX auf der Audi Summer Tour des FC Bayern in New York traf, mit der Selecao hart ins Gericht und spricht über Toni Kroos, Neymar und die Anforderungen an echte Neuner.

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SPOX: Giovane, haben Sie das WM-Halbfinal-Aus von Brasilien mittlerweile verdaut?

Giovane Elber: Ich musste das nicht verdauen, ich war auf der deutschen Seite. Ich habe das Spiel im Stadion mit vielen deutschen Fans gesehen und habe es genossen. Es war schön anzuschauen, wie Deutschland gespielt hat. Man hat schon zu Beginn des Turniers gesehen, dass Brasilien kein Favorit auf den WM-Titel war. Mit mehr als dem Halbfinal-Einzug habe ich nicht gerechnet. Deutschland hat demonstriert, wie man eine WM spielen muss.

SPOX: Was hat der Selecao konkret gefehlt?

Elber: Taktisch war Brasilien ganz, ganz schwach. Der Trainer hat gedacht, dass man nur mit Herz, Seele und den Fans im Rücken Weltmeister werden kann. So kann man eine Heim-WM nicht angehen.

SPOX: Felipe Scolari musste gehen, sein Nachfolger ist Carlos Dunga. Eine gute Wahl?

Elber: Ja. Carlos hat in seiner ersten Amtszeit gute Arbeit geleistet. Brasilien ist bei der WM 2010 unglücklich gegen Holland ausgeschieden. Dungas Vertrag lief nach dem Turnier aus und er ist freiwillig gegangen. Jetzt ist er wieder da und muss die Mannschaft zur WM 2018 führen. Wir müssen da unbedingt dabei sein, aber das wird nicht einfach.

SPOX: Was ist Dungas wichtigste Aufgabe?

Elber: Er muss die Spieler, die bei der Heim-WM diese Negativerlebnisse hatten, wieder aufrichten und neue Spieler einbauen. Zudem ist die Mannschaft insgesamt sehr jung. Scolari hat auf Ronaldinho, Kaka, Adriano und Luis Fabiano verzichtet, weil sie nicht in Form waren. Aber die WM hat gezeigt, dass man auch erfahrene Spieler im Kader braucht.

SPOX: Was ist im brasilianischen Fußball in den letzten 10,15 Jahren generell falsch gelaufen? Von Samba-Fußball ist ja schon lange nichts mehr zu sehen.

Elber: Viele vielversprechende Talente haben Brasilien früh verlassen, weil die Vereine das Geld brauchten. Aber sie sind nicht in Deutschland, Italien oder Spanien gelandet, sondern in Russland, China oder was weiß ich wo. In diesen Ländern können sie auffallen, weil es nicht so viele gute Spieler gibt. Wenn sie dann aber zur Nationalmannschaft kommen, merkt man erst, dass sie schlecht ausgebildet sind. Im Vergleich zu Spanien, Frankreich, Deutschland oder auch Argentinien hat Brasilien in den letzten Jahren viel zu wenig richtig gute Spieler herausgebracht. Abgesehen von Neymar, haben wir keinen Götze, Müller oder Reus.

SPOX: Die spielen alle beim FC Bayern oder bei Borussia Dortmund. Wer von beiden wird deutscher Meister 2015?

Elber: Die Bayern werden sich durchsetzen, aber es wird deutlich enger als in den letzten beiden Jahren. Die Bayern hatten viele Spieler bei der WM, es wird dauern, bis sie wieder ihre Topform erreicht haben.

SPOX: Sind die Bayern durch den Transfer von Robert Lewandowski noch stärker als letzte Saison?

Elber: Mario Mandzukic hat viele Tore für Bayern geschossen. Aber wenn man sich Lewandowskis Tor im Telekom Cup gegen Wolfsburg anschaut, muss man sagen: Das ist schon geil! Die Bayern können froh sein, dass Lewandowski jetzt in München spielt und nicht mehr in Dortmund. Und es zeigt, dass die Bayern solche Spieler brauchen.

SPOX: Sie meinen echte Stürmer?

Elber: Ja, aber mit einer Nummer neun, mit einem Mittelstürmer, der nur im Strafraum auf Bälle wartet, kann man im Fußball nicht mehr viel erreichen. Das hat ja auch die WM wieder gezeigt. Wie Deutschland mit Müller funktioniert hat und Brasilien mit Fred nicht. Ein Stürmer muss heutzutage nicht nur einen Torriecher haben, sondern gut Fußball spielen können. Er muss mitdenken, sich auch am Spielaufbau beteiligen, sich fallen lassen, Pässe spielen. Er muss aktiv dabei sein. Das alles kann Lewandowski sehr gut.

SPOX: Gibt es für Sie derzeit einen besseren Stürmer als Lewandowski?

Elber: Es ist bei so vielen guten Stürmern schwierig, zu beurteilen, ob ein Lewandowski zum Beispiel besser ist als Karim Benzema oder Zlatan Ibrahimovic. Benzema gefällt mir bei Real Madrid sehr gut. Ich bin gespannt, ob Lewandowski bei Bayern vor allem in der Champions League ähnlich stark ist wie bei Dortmund.

SPOX: Können Sie es nachvollziehen, dass die Bayern Toni Kroos abgegeben haben?

Elber: Ich kenne die Umstände nicht. Toni kann in jeder Mannschaft der Welt spielen, jetzt tut er das eben bei Real Madrid.

SPOX: Trauen Sie Kroos zu, ein Superstar zu werden?

Elber: Ich traue ihm erstmal zu, dass er in Madrid eine sehr gute Rolle spielen wird. Klar, er muss sich anpassen. Anderes Land, anderer Verein, vielleicht der größte in der Welt, andere Spielweise. Aber Toni ist ein so guter Spieler, dass er das schon schaffen wird.

SPOX: Neben Kroos hat Real Madrid auch James Rodriguez verpflichtet.

Elber: Das ist schon Wahnsinn. Vor der WM war James nicht wirklich bekannt, obwohl er immerhin beim AS Monaco gespielt hat. Er hat die WM genutzt, um sich ins Rampenlicht zu spielen. Und Real Madrid hat zugeschlagen, obwohl sie schon Kroos verpflichtet hatten. Aber die Verantwortlichen machen das richtig. Wenn man gerade die Champions League gewonnen hat, muss man neue Reize setzen.

SPOX: Nicht nur Real hat zugeschlagen, auch der FC Barcelona. Wird das funktionieren mit Messi, Neymar und Luis Suarez?

Elber (lacht): Sicher nicht schlechter als bei Real Madrid. Alle drei Spieler haben große Qualität. Aber man muss das dann auch zusammenbringen. Neymar hat sich in der letzten Saison gut eingelebt in Barcelona, Suarez wird damit auch keine Probleme haben.

SPOX: Wie schätzen Sie die Situation von Neymar ein, vor allem mental?

Elber: Neymar ist mental sehr stark, das hat er bei der WM gezeigt. Er war der Hoffnungsträger von über 200 Millionen Brasilianern und hat bis zu seiner Verletzung sehr gut gespielt. Ohne ihn wäre Brasilien vielleicht schon früher ausgeschieden. Er wird noch stärker zurückkommen.

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