"Wir waren noch größere Schlawiner"

Von Daniel Reimann
Armin Veh kehrte zur neuen Saison zum VfB Stuttgart zurück
© getty

Armin Veh weckt beim VfB Stuttgart große Hoffnungen. Der Meistertrainer spricht im Interview mit SPOX über Ziele mit dem VfB, das irrwitzige Mysterium seiner Eintracht-Ära und die Profis von damals. Außerdem: Das große Theater zu seiner Zeit beim Hamburger SV.

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SPOX: Herr Veh, Sie haben nach Ihrem Abschied aus Frankfurt gesagt, Sie würden entweder ein ganz bestimmtes Angebot annehmen oder ein Sabbatjahr machen. Wie hätte denn ein Sabbatjahr im Leben des Armin Veh ausgesehen?

Armin Veh: Ich wäre trotzdem im Fußball tätig geblieben, aber ich hätte von meinem ursprünglichen Job als Trainer mal komplett abschalten können. Was ich genau gemacht hätte, will ich aber nicht verraten.

SPOX: Ist es denn als Trainer möglich, den Fußball komplett aus dem Kopf zu verbannen?

Veh: Wenn man als Trainer angestellt ist, ist Abschalten vom Fußball unmöglich. Der Job beschäftigt einen das ganze Jahr über. In diesem Job gibt es keine Pause.

SPOX: Auch der Druck als Trainer ist enorm. In Frankfurt und Rostock haben Sie stets betont, wie viele Schicksale an einem möglichen Abstieg hängen. Wie geht man als Verantwortlicher damit um?

Veh: Im Abstiegskampf geht es um Elementares. Ein Abstieg ist viel einschneidender, als wenn man zum Beispiel die Europa-League-Plätze verpasst. Der Druck ist ein anderer, wenn Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Zum Glück habe ich meist Teams trainiert, die etwas weiter oben in der Tabelle standen. Aber in Rostock gab es beispielsweise nie ein anderes Ziel, als die Klasse zu halten. Das war damals neu für mich.

SPOX: Inwiefern haben Sie von dieser Erfahrung in Rostock profitiert?

Veh: Im Nachhinein ist es gut, dass ich das erleben durfte. In Frankfurt konnte ich dann auf diese Erfahrung zurückgreifen. Es hilft enorm, wenn man im Abstiegskampf weiß, dass man dieser Situation schon einmal entkommen ist. Es hilft nichts, wenn man Erfahrung im Abstiegskampf hat, weil man bisher schon dreimal abgestiegen ist. Ich habe durch diese Erfahrung gewusst, welche Dinge uns geholfen haben, drin zu bleiben.

SPOX: Es wurde gemutmaßt, dass neben der mangelnden Perspektive auch der ungeheure Stress in Frankfurt ein Grund für Ihren Abschied gewesen sein soll. Ist da etwas dran?

Veh: Das stimmt nicht. Ich habe das nicht als Stress empfunden. Aber ich möchte immer die Chance haben, in Zukunft europäisch zu spielen. Das ist schwer genug für viele Traditionsklubs. Hier in Stuttgart ist es aus meiner Sicht aber ein wenig realistischer als in Frankfurt, da wir hier ein anderes Budget haben.

SPOX: Auch in Rostock spielte dieser Druck keine Rolle?

Veh: Nein, die Beweggründe für meinen Abschied damals waren andere. Ich war zweimal in Rostock und zweimal haben wir uns am vorletzten Spieltag gerettet. Aber es gab nie eine Chance, etwas zu entwickeln. Ich ließ ja auch defensiver Fußball spielen, weil ich mit einem sehr geringen Etat die Liga halten musste. Aber den Fußball, den ich eigentlich spielen lassen wollte, konnten wir damit nicht umsetzen.

SPOX: Auch nicht langfristig?

Veh: Ich wusste, dass sich das auch in den nächsten Jahren nicht ändern würde. Ich wollte meine Ideen umsetzen, aber das kann ich nicht, wenn sie dem Verein womöglich schaden. Auch wenn diese Art Fußball notwendig war, hatte ich keine große Freude daran. Ich wollte einfach nicht mehr diese Art Fußball spielen. Das war ein Hauptgrund.

SPOX: Stichwort eigene Ideen: Sie gelten als jemand, der gerne die Kontrolle hat, sich ungern Entscheidungen abnehmen lässt. Würden Sie das so stehen lassen?

Veh: Ich habe mich in dieser Hinsicht über die Jahre geändert. Früher musste ich als Trainer alles selbst erledigen. Heute sind wir ein hochprofessionelles Team, da gebe ich Teile meiner Arbeit an meine Kollegen ab. Zudem finde ich auch wichtig zu wissen, was im Verein los ist. Der Trainerjob besteht nicht nur im Abhalten der Trainingseinheiten, es geht auch um Management. Man muss das gesamte Projekt mit dem Verein gestalten und dafür muss ich wissen, was im Bereich des Möglichen ist.

SPOX: Haben Sie Ihre Allround-Fähigkeiten einst in Reutlingen entwickelt, wo Sie für nahezu alles zuständig waren?

Veh: Ja, auf jeden Fall. Dort hatte ich ein völlig anderes Budget, mit dem ich keine zusätzlichen Leute einstellen konnte, die dann auch noch einen guten Job machen und gut verdienen wollen. Also musste ich alles selbst übernehmen. Bei einem Bundesligisten hingegen, der 100 bis 120 Millionen Euro umsetzt, braucht man zusätzliche Mitarbeiter mit entsprechender Qualität.

SPOX: Bei späteren Stationen mussten Sie Ihre Arbeit oft mit anderen abstimmen. Wie war das denn bei einem Verein wie Hamburg, wo der Aufsichtsrat gerne ein gewichtiges Wörtchen mitredet? Bei manchem Mitglied dieses Gremiums wird von Seiten der Fans die Fußballkompetenz angezweifelt...

Veh: Ein Aufsichtsrat braucht aus meiner Sicht in erster Linie keine Fußballkompetenz. Das ist nicht entscheidend. Es ist auch nicht notwendig, dass jedes Aufsichtsratsmitglied fußballerisch tätig war. Aber der Aufsichtsrat sollte sich nicht ins Tagesgeschäft einschalten, weil er dafür nicht verantwortlich ist. In Hamburg hat sich der Aufsichtsrat täglich eingemischt. Das war kontraproduktiv, so hilft ein Aufsichtsrat nicht weiter.

SPOX: Waren Sie als Trainer nicht verärgert?

Veh: Natürlich war ich das. Vor allem weil es viele Indiskretionen gab. Es schadet dem Verein, wenn ständig irgendwelche Spielernamen, die intern aus Budgetgründen diskutiert werden mussten, am nächsten Tag in der Zeitung stehen. Dadurch werden sie bestimmt nicht billiger. Darüber habe ich mich geärgert.

Seite 1: Veh über Existenzangst und das irrwitzige Mysterium der Eintracht-Ära

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