Neven Subotic: Glücklich im Unglück

Neven Subotic hat nach seinem Kreuzbandriss acht Monate pausieren müssen
© getty

Die Verletzung habe sich genau den richtigen Spieler ausgesucht, sagte Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp über seinen kreuzbandgeschädigten Innenverteidiger Neven Subotic. Der Serbe war vom ersten Tag seiner Verletzung an höchst engagiert - auch im Privatleben. Nach acht Monaten Pause ist nun das Comeback in Sicht.

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Eigentlich ist es ein Witz, wie selten so etwas passiert. Fußballspieler springen während einer Partie dutzendfach in die Luft, um danach wieder auf dem Boden zu landen. Gemessen an der Häufigkeit dieses alltäglichen Bewegungsablaufs ist die Verletzungsrate dabei extrem niedrig.

Auch Borussia Dortmunds Innenverteidiger Neven Subotic muss sich häufig vom Boden nach oben abdrücken - so, wie er es am 8. November des letzten Jahres in der 44. Minute beim Ligaspiel gegen den VfL Wolfsburg getan hat.

Subotic lieferte sich ein handelsübliches Luftduell mit Ivica Olic, landete dann aber ohne gegnerische Einwirkung so unglücklich auf dem Rasen, dass er sich das hintere Kreuzband sowie das Innenband im rechten Knie riss. Im Grunde könnte dies ständig geschehen, tut es aber nicht.

Subotic mit "Kollateralschaden"

Da nicht ausschließlich das Kreuzband betroffen war, sondern mehr kaputt ging, sprach BVB-Trainer Jürgen Klopp auch von einem "Kollateralschaden", den Subotic erlitt. Der serbische Nationalspieler verpasste die komplette Restsaison, seine Uhr blieb nach 15 Pflichtspieleinsätzen stehen.

Viele Spieler, die das Schicksal ähnlich plagte, und das ist ja auch zu verstehen, verschwinden dann erst einmal für ein paar Monate von der Bildfläche. Sie ziehen sich in die Verborgenheit der Reha zurück und geben wenig bis gar keine Auskunft über ihre dortigen Fortschritte. Aktuelles Beispiel im Kader der Borussia ist Ilkay Gündogan, der sich sehr rar machte und aufgrund seiner mysteriösen Blessur Opfer zahlreicher Gerüchte rund um seinen Gesundheitszustand wurde.

Subotic ging, dies ist das Bemerkenswerte dabei, ganz anders vor. Er ließ sich von der bislang schwersten Verletzung seiner Karriere nicht herunterziehen, sondern war erstaunlich schnell im Reinen mit seinem Los.

"Er hat viel Eigeninitiative gezeigt"

Subotic ist ein lässiger Kerl mit einem grundehrlichen, positiven Charakter. Er entschied sich, seine Anhänger am Leidensweg teilhaben zu lassen. Schon kurz nach der niederschmetternden Diagnose veröffentlichte er auf unterschiedlichen sozialen Kanälen erste Bilder von der Zeit im Krankenhaus nach der Operation.

"Ich hatte immer das Gefühl: Diese Verletzung hat sich genau den richtigen Spieler ausgesucht", sagt Klopp daher. "Ich hätte keinen Spieler aus meiner Mannschaft gekannt, der das so gut wie er aufgenommen hat. Vom ersten Moment an war es für ihn ausschließlich eine Herausforderung. Wie eine Prüfung, die man jetzt einfach bestehen muss. Er ist das super-positiv angegangen. Er hat all seine Aufgaben eins zu eins umgesetzt und dazu noch viel Eigeninitiative gezeigt."

Schubweise konnte man Subotics Heilungsprozess mitverfolgen. Subotic im Krankenbett, Subotic im Kraftraum, Subotic auf dem Laufband - der 25-Jährige sah keinen Sinn darin, plötzlich keine Rückmeldungen mehr zu geben. Und: Er wirkte in vielen Momenten glücklich.

Subotic und das "Photoshop"-Buch

Das Beispiel vom (wenn auch kleidungstechnisch sehr zugeknöpften) Besuch der Dortmunder Südtribüne zeigt, dass er während seines Ausfalls auch Projekte anschieben oder intensivieren konnte, für die sonst nur wenig Zeit bleibt. Die meisten Stunden gingen freilich beim Schuften mit den Ärzten und Physiotherapeuten drauf, in den Ruhephasen fand er jedoch auf unterschiedliche Weise Ablenkung vom psychischen Stress des langatmigen Aufbautrainings.

Er schaute mehrere Male beim Team des vereinsinternen Senders "BVB total" vorbei, um sich im Bereich Videoschnitt fortzubilden. Für einen Tag begleitete er als Praktikant das Grafik-Design einer Kreativagentur. Subotic übernahm dazu eine Patenschaft für ein Anti-Amok-Sicherheitssystem an Schulen. Und auf dem Flug nach Innsbruck ins Trainingslager am Dienstag las er ein Buch über Anwendungsgebiete von "Photoshop".

Erstaunlich ist aber, und das ist jetzt eher unabhängig von seinem Gesundheitszustand zu sehen, mit welch Herzblut er sich für soziale Projekte engagiert. Begonnen hatte er damit nach seinem Umzug nach Mainz als 18-Jähriger im Jahr 2006. "Mit meinem ersten Profivertrag wurde ich für junge Fußballer zum Vorbild und dann übernahm ich eine Patenschaft bei einem Waisenhaus. Ich bin dann jede Woche für ein, zwei Stunden zum Spielen hingegangen. Die Kinder haben sich immer gefreut und sich bevorzugt gefühlt. Mir hat das eine Menge Spaß gemacht", sagte er in einem Interview mit der "WAZ".

"Ich sehe die Welt als eins"

Die Kriegsjahre in Jugoslawien, die aufopferungsvolle Arbeit seiner Eltern, die den Verwandten eine in vielen Ländern selbstverständliche Grundversorgung garantierte - diese Episoden aus Subotics Jugend brannten sich in sein Gedächtnis ein und legten die Basis für seine Motivation, aus seiner privilegierten Position heraus anderen helfen zu wollen.

Ende 2012 gründete er die "Neven Subotic Stiftung" und opferte dafür bereits vergangenen Sommer einen Großteil seines Urlaubs. Subotic flog nach Mosambik, um dort die Installation einer Anlage für sauberes Trinkwasser voranzutreiben. Dieses Jahr ging es trotz seiner Verletzungsproblematik nach Äthiopien. Der Innenverteidiger stand jeden Tag in aller Herrgottsfrühe auf, um mit seinem Team entlegene Siedlungen zu besuchen und den Fortschritt seiner Bemühungen höchstpersönlich in Augenschein zu nehmen. Subotic zahlt alle Kosten, die durch die Arbeit der Stiftung entstehen, aus eigener Tasche.

"Ich bin jemand, der nicht unterscheidet zwischen "meinen Leuten" - damit meine ich die Menschen in meiner Umgebung - und den anderen. Ich sehe die Welt als eins", begründet er. "Das Wichtigste ist, dass die Menschen Wasser haben. Die haben es einfach nicht. Das ist total krass: Wir in Europa machen den Wasserhahn auf und trinken einfach was. Dann fliegt man sieben Stunden dorthin und fährt ein bisschen mit dem Auto abseits der Städte in die Dörfer und die Menschen haben einfach kein Wasser."

"Keine Schmerzen, aber Angst"

Über Addis Abeba ging es für ihn zusammen mit Ersatztorhüter Zlatan Alomerovic weiter zur Familie nach Los Angeles. Dort setzte er die Reha fort - und beendete sie. Genau 238 Tage nach dem Vorfall in Wolfsburg nahm Subotic am 6. Juli wieder das Training mit der Mannschaft auf. "BVB total" wird eine Langzeitdokumentation veröffentlichen, sobald er sein Comeback in der Bundesliga feiern wird. Er willigte ein, sich vom ersten Tag seiner Verletzung an mit der Kamera begleiten zu lassen.

Wann er in einem Pflichtspiel wieder auf dem Rasen steht, ist momentan noch nicht abzusehen. Im Trainingslager in Kirchberg nimmt er am normalen Trainingsprogramm teil, zuletzt kamen auch erste Spielformen mit mehreren Kontakten hinzu. Ihm ist dabei anzumerken, dass er eine ganze Weile lang aussetzen musste. Auch in dieser Phase wird es nur Stück für Stück gehen.

"Keine Schmerzen, aber Angst", habe er nach der gesteigerten Intensität und den ersten Zweikämpfen seit langem noch. Seine Mitspieler verpassten ihm beim Fünf-gegen-Zwei in kürzester Zeit zwei Beinschüsse.

Comeback ist in Sichtweite

"Wir haben uns vorgenommen, ihn trainieren zu lassen. Dann beobachten und entscheiden wir, ob wir ihm mal eine Pause gönnen. Er macht aber nicht den Eindruck, als ob er die bräuchte. Er hat acht Monate akribisch gearbeitet. Bei ihm sieht es daher super aus", bilanziert Klopp.

Geht Subotics kontinuierliche Entwicklung so weiter wie bisher, wäre das für den BVB nicht ganz unwichtig. Mats Hummels wird erst kurz vor Beginn der Pflichtspielsaison zum Team stoßen und dann einen Rückstand aufzuholen haben. Einen zweiten Innenverteidiger neben Sokratis könnte Klopp bis dahin gut gebrauchen. Subotics Comeback ist jetzt in Sicht.

Neven Subotic im Steckbrief